Entgiftung durch Vergiftung: Runterkommen ist schöner als Feiern

© Hella Wittenberg

Druff, druff, druff. Vielleicht habt ihr das auch schon erlebt. Man will eigentlich nur für den Abend vorglühen. Bisschen Sekt, bisschen was Schnelles, um die Hormone in Schwung zu bringen. Doch irgendwo in diesem Teil, den man noch für die Einleitung hält, drückt plötzlich jemand aufs Gaspedal, wahrscheinlich ihr selbst, und ehe man sich versieht, steckt man schon in der finalen Verfolgungsjagd, links und rechts Explosionen, die Musik brüllt konstant auf dem Höhepunkt, der Kosmos steht kurz davor, das große Geheimnis zu lüften – und dann die Erkenntnis: Ach so, ich bin einfach nur druff.

Bei mir sind letzten Freitag mal wieder sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Wie eine Supernova hat mich der Rausch vor sich hergetrieben. Danach war von mir nicht mehr viel übrig. Bis Mittwoch bin ich als wandelnder Toter durch den Alltag gestolpert. Und jeder Gedanke daran, jemals wieder eine Zeile zu schreiben, schien völlig utopisch.

Druff, druff, druff

Ich weiß von genug Leuten da draußen, die es bejubeln würden, wenn ich endlich verstumme. #haltdiefresseclintlukas. Auch während des Rausches, wenn ich total aus dem Leim gehe und keinen Grund sehe, meinen Enthusiasmus zu zügeln, schauen mich meine Gesprächspartner oft fassungslos an. Nach dem Motto: Alter, wie kann man sich selbst so kaputt machen? Ich verrate es euch: Um danach wieder aufzuerstehen.

Wie eine Supernova hat mich der Rausch vor sich hergetrieben.

Auf die Frage, warum er soviel trinkt, hat Bukowski oft gesagt, dass Trinken wie ein halber Selbstmord ist. Man kann damit aus der Welt scheiden, zu seinen eigenen Bedingungen. Und sich dem Leben mit seinen Fakten am nächsten Tag wieder mit einem neuen, unverbrauchten Blick nähern. Ich finde, das klingt ganz logisch. Wenn der Rechner hängt, startet man ihn halt neu. Reboot tut gut.

Der Rausch als halber Selbstmord

Ich habe eine sehr arbeitsintensive Phase hinter mir. Zwei Monate habe ich nur geschrieben, die Tage verliefen weitestgehend nüchtern und gleichförmig. An sich eine gute Sache. Produktivität ist heilsam und erfüllend. Aber irgendwann kommt dieses Sackgassengefühl. Das Gefühl, dass alles viel zu kontrolliert ist. Zu überschaubar. Und der Drang, mit der chemischen Keule mal ordentlich aufs eigene Hirn einzudreschen, wächst.

Viele denken nun, dass es dabei um Ablenkung geht. Dass ich loslassen will, die Kontrolle verlieren. Aber ich spreche hier nicht vom High. Nicht von der wilden Verfolgungsjagd. Sondern von dem Moment, wenn die ersten Wolken vor der synthetischen Sonne im eigenen Inneren aufziehen. Und man merkt: Fuck, das bleibt ja jetzt gar nicht für immer so schön.

Selbstverständlich kann man dann nachlegen, mit immer höheren Dosierungen den Tag des Jüngsten Gerichts vor sich herschieben. Aber ist nicht genau das der reizvollste Moment? Der Moment, in dem die echte Bewusstseinserweiterung einsetzt, weil man einen Blick auf sich selbst erhascht? Und ich spreche nicht davon, dass das angenehm wäre. Ist es nicht, es ist schrecklich. Wenn man realisiert, dass man sich gerade für dreißig Minuten zu einem völlig hirnrissigen Laberflash hat hinreißen lassen.

Vom Laberflash zum Weltschmerz

Und vor allem wird es von da an nicht besser. Wenn man dann völlig zerstört auf dem Sofa liegt und die Tage und Nächte zu einer einzigen qualvollen Schlaflosigkeit gerinnen. Sämtliche Depots stimmungsaufhellender Hormone sind aufgebraucht, werden es auch noch tagelang sein. Und ausgerechnet jetzt rückt der Weltschmerz an, sodass schon ein mit Streichmusik untermalter Werbespot ausreicht, einen zum Heulen zu bringen. Und kein Ende in Sicht.

Die beste Art, mit diesem würdelosen Zustand fertig zu werden, ist, ihn zu feiern.

Soll ich euch was verraten? Die beste Art, mit diesem würdelosen Zustand fertig zu werden, ist, ihn zu feiern. Er ist ein fester Bestandteil des Rausches. Und des Konzeptes "Entgiftung durch Vergiftung". Er ist bitter nötig. Weil man sich dann ungeschminkt mit sich selbst auseinander setzen kann. Sowohl damit, was man seinem Körper angetan hat, als auch mit dem eigenen Verhalten in den verschiedenen Stadien des Trips.

Entgiftung durch Vergiftung

Natürlich kann man auch alles bereuen. Sich darüber ärgern, dass man so über die Stränge geschlagen ist. Die meisten reagieren so. Das ist auch der Grund, warum die Kokstaxis sich in regelmäßigen Intervallen mit kumpelhaften SMS ins Gedächtnis bringen. Weil man auf die Art gleich wieder ihre Nummer hat. Die man am reumütigen Morgen danach gelöscht hat.

Ich finde, wer im Nachhinein bereut, Drogen genommen zu haben, sollte es von vornherein bleiben lassen. Ich habe gehört, dass man auch nüchtern Spaß haben kann. Aber wem das nicht reicht, wer sich hin und wieder mal zuballern muss, der sollte auch dazu stehen. Und das Bedürfnis nach Ausbruch ebenso akzeptieren, wie den Kater danach. Dann kommt die Auferstehung auch umso schneller. Ansonsten bleibt nur noch zu sagen: Immer viel Wasser trinken (Zwinker-Smiley).

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