Spaß beiseite: Wir müssen über Dickpics reden
Eine Freundin erzählte mir vor Jahren schon folgende Story: Sie war auf dem Weg nach Hause, es war schon recht spät am Abend und sie saß in der S-Bahn, den Blick aufs Smartphone gesenkt. Während sie durch Instagram scrollte, tauchte in der Mitte des Screens auf einmal eine Benachrichtigung auf: Irgendjemand in ihrer Umgebung (also jemand, der in ihrer Nähe im selben S-Bahn-Abteil saß) hatte versucht, ihr per Airdrop ein Foto zu schicken. Dank der Vorschaufunktion in der Benachrichtigung ließ sich auch ohne darauf zu klicken ziemlich gut erkennen, dass es sich dabei um eine Nahaufnahme von einem Penis handelte.
An der nächsten Haltestelle ist meine Freundin dann ausgestiegen, um das Abteil zu wechseln. Bei der Vorstellung, dass irgendein Typ ein paar Sitze weiter ihr gerade aus dem Nichts dieses Foto geschickt hatte und sie vermutlich auch noch genau dabei beobachtet hatte, wie sie auf den Anblick reagierte, sei ihr richtig übel geworden.
Was ist das eigentlich für ein komisches Ding, Penis-Fotos an Wildfremde zu schicken?
Die Situation war natürlich besonders unangenehm, weil sich der Absender in unmittelbarer Nähe befunden haben muss. Aber selbst in der privatesten Umgebung ist man vor dem Phänomen des ungefragten Dickpics nicht sicher – schon gar nicht in sozialen Netzwerken wie Instagram. Vor allem Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder einfach nur häufiger Fotos von sich selbst posten, kommen regelmäßig in den "Genuss", sich die Genitalien von irgendwelchen random Fake-Accounts vor Augen führen zu müssen.
Was ist das eigentlich für ein komisches Ding, dass so viele Männer es für nötig halten, Fotos von ihrem besten Stück an Wildfremde zu schicken? Lust? Reine Provokation? Die Hoffnung auf eine Reaktion, welche auch immer? Hat irgendeine Frau schonmal ein Dickpic bekommen und den Kerl daraufhin sofort um ein Date gebeten?
Vielleicht ist es ein verrücktes Konzept für euch, aber nicht jede Frau, die euch begegnet oder deren Instagram-Account ihr folgt, wartet sehnsüchtig darauf zu erfahren, wie ihr untenrum ausseht. Das ist nicht geil, sondern Belästigung.
Im Internet finden sich zahlreiche Artikel zum Thema Dickpics, über Prominente, die mit Nacktbildern belästigt werden, bis hin zu Ratschlägen, wie man auf Dickpics denn am besten reagieren sollte. Sehr beliebt sind "schlagfertige" Kommentare wie "Oh, warst du damit schon mal beim Arzt?" oder Racheaktionen à la "Versuche, seine Mutter auf Facebook zu finden und schicke ihr einen Screenshot von seiner Nachricht". Tatsächlich könnt ihr den Absender eines Dickpics aber auch anzeigen. Bilder und Videos mit sexuellem Inhalt fallen nämlich unter den Tatbestand des §184 im Strafgesetzbuch, der die Verbreitung pornografischer Schriften umfasst.
Um eines mal klarzustellen: Ihr könnt eure Genitalien schicken wem ihr wollt, solange ihr wisst, dass euer Gegenüber da auch Bock drauf hat. Vielleicht ist es ein verrücktes Konzept für euch, aber nicht jede Frau, die euch begegnet oder deren Instagram-Account ihr folgt, wartet sehnsüchtig darauf zu erfahren, wie ihr untenrum ausseht. Das ist nicht geil, sondern Belästigung.
Eine Studie zeigt: Die meisten Männer wissen, dass Frauen ihre ungefragten Dickpics nicht sehen wollen
Dass die meisten Männer, die solche Fotos verschicken, sich dessen vollends bewusst sind, zeigte vor Kurzem eine Studie zum Thema Dickpics. Die Ergebnisse dieser Studie weisen zuerst einmal einen interessanten Widerspruch auf: Unter den befragten Millennials gaben 46% der Frauen an, schon mal ungefragt ein Dickpic erhalten zu haben, doch nur 22% der Männer wollen überhaupt schonmal eines versendet haben. Und nur 5% gaben zu, ein ungewolltes Dickpic verschickt zu haben. So so.
44% der befragten Männer, die schonmal ein Dickpic versendet haben, glaubten, Frauen könnten die Fotos als "sexy" bezeichnen – nur 14% der befragten Frauen gaben an, dass das tatsächlich der Fall ist. Außerdem zeigte die Befragung, dass unter den Männern auch 55% (also ein größerer Anteil) vermuten, dass Frauen ihre Fotos als "eklig" bezeichnen würden.
Schickt eure Fotos doch bitte Menschen, die sie sehen wollen. Und macht doch bitte, bitte den Blitz aus.
Well, surprise. Vielen Männern geht es gar nicht darum, eine Frau zu beeindrucken oder "rumzukriegen", wenn sie ihr unaufgefordert ein verwackeltes Foto von ihrer Erektion schicken. Allein die Vorstellung, dass dieses Foto in ihrer Inbox landet und sie, wenn sie die Nachricht öffnet, keine andere Wahl hat als sich seinen Penis anzuschauen und ihm, ob sie will oder nicht, zumindest einen winzigen Bruchteil ihrer Aufmerksamkeit zu widmen, scheint vielen zu gefallen. Das hat mit Macht zu tun. Und ist am Ende genau das – sexuelle Belästigung. Also: Schickt eure Fotos doch bitte Menschen, die sie sehen wollen. Und macht doch bitte, bitte den Blitz aus.
Marit Blossey