Warum weniger Events auf dem Alexanderplatz eine echte Wohltat wären

@ Marit Blossey

Ostermarkt, veganes Sommerfest, Theater- und Streetart-Festival, Internationales Bierfestival, Oktoberfest und Weihnachtsmarkt: Auf dem Alexanderplatz findet einfach alles statt. Gefühlt gibt es nicht mal zwischen den Events eine Pause von wegversperrenden Verkaufsständen und Quatsch-Buden. Und so wird der Lauf über die riesige Fläche in der Innenstadt zu einem Koordinationstraining unter angespannten Bedingungen.

Ist man erst mal aus der Tram gefallen, um nun weiter in Richtung S-Bahn zu steuern, dauert der Hürdenlauf seine Zeit. Vorbei an den Holzhütten, in denen kulinarische Widrigkeiten verkauft und alle anderen mit dem Geruch beschenkt werden. Dabei muss schon frühzeitig und mit geschultem Auge ein Ausweichmanöver geplant werden, um dem Pulk Menschen vor der Sparkasse auszuweichen. Touristengruppe, Demo, ein paar Typen, die Stress suchen? Wer weiß das schon so ganz genau.

Und so wird der Lauf über die riesige Fläche in der Innenstadt zu einem Koordinationstraining unter angespannten Bedingungen.

Der Weg ist das Ziel. Wenn es hart auf hart kommt, verstellen einem noch Riesenräder oder anderer Rummelkram die Route. Ja, das ist kein Sprint, das hat was mit Ausdauer zu tun.

Ab 2021 nicht mehr ganz so viele Feste?

© Kerstin Musl

Doch warum zur Hölle gibt es hier ein Fest nach dem anderen? Wieso reicht es nicht irgendwann auch mal? Tatsächlich sieht es das Straßengesetz Berlins ziemlich locker. Demnach ist es völlig egal, welchen Inhalt eine Veranstaltung am Alexanderplatz hat. Relevant für das Go ist lediglich der Eingang eines Antrags. Nun macht sich laut „Tagesspiegel“ der Grünen-Bezirkspolitiker Taylan Kurt dafür stark, dass sich die Situation vor Ort neu gestaltet. Seiner Meinung nach sei am Alex einfach „zu viel Ballermann“. Das Bezirksamt könnte eine Änderung vornehmen, sodass die Genehmigung für Sondernutzungen von Straßen und Plätzen nicht mehr erteilt werden soll, sondern vielmehr erteilt werden kann.

Dennoch ist davon auszugehen, dass solch eine Veränderung noch mal seine zwei Jahre braucht, bis sie fest und in Stein gemeißelt ist. Mit einem Wahnsinnswandel kann so auch nicht gerechnet werden. Und eben schon gar nicht morgen. Dabei bräuchten wir jetzt sofort weniger. Von allem. Weniger Buden, weniger Feste, die in der Masse kaum noch einem bestimmten Feiergrund zuzuordnen sind.

Weniger Events, weniger Gewalt

© Annik Walter

Weniger Events würden auch weniger Streitpotential bedeuten. Trotz der Polizeiwache rund um die Weltzeituhr bringt die Gegend eine negative News-Meldung nach der anderen hervor. Massenschlägerei unter YouTubern, Festnahme nach antisemitischen Pöbeleien, Reizgas- und Fahrradfahrer-Attacke, Angriff von unter Drogen stehendem Mann auf Polizei: Googelt man „Alexanderplatz Fest“ und klickt auf die Newsspalte, wollen die Horrormeldungen allein aus dem vergangenen Monat gar nicht aufhören.

Massenschlägerei unter YouTubern, Festnahme nach antisemitischen Pöbeleien, Reizgas- und Fahrradfahrer-Attacke, Angriff von unter Drogen stehendem Mann auf Polizei.

Da kann man sich nur wundern, warum der Ruf des Platzes noch so gut ist, dass hier überhaupt eventlaunige Leute und Tourist*innen in Scharen zusammenkommen. Würde die Anzahl der Veranstaltungen reduziert und somit die Stände-Masse ebenfalls, wäre kein Wirrwarr in XXL mehr möglich. Denn an sich handelt es sich bei dem Platz ja um eine ziemlich platte Angelegenheit. Abgesehen von einem Springbrunnen und der Weltzeituhr gibt es hier wenig, an dem der Blick hängen bleibt. Mehr Übersichtlichkeit würde auch der Polizei die Arbeit erleichtern, das Eingreifen in Gefahrensituationen beschleunigen.

Für mehr Weite!

© Hella Wittenberg

Und sowieso: Schlichte, weite Fläche kann Berlin gar nicht genug haben. Es geht dabei nicht einzig und allein um einen schnelleren Weg von A nach B. Es geht um diese Orte, an denen man sich noch umdrehen kann, ohne dabei andere Menschen anzurempeln und so in unangenehme Gespräche hineinzukommen. Orte, an denen in alle Richtungen geschaut und Himmel, Licht und vielleicht sogar noch etwas Architektur gesichtet werden können. So ein leerer Platz strahlt aus sich heraus schon eine Gelassenheit aus, die kann nur ansteckend sein. So einen Zacken weniger Stress würde uns doch allen ganz gut tun, oder?

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