Wo Obdachlose ein Zuhause finden – Zu Besuch in der Suppenküche Pankow
Es ist Winter in Berlin und eiskalt. Im Februar und März sind die Temperaturen auf unter -10 Grad gefallen. Trotz warmer Winterjacke, Schal, Mütze und Handschuhen bibbere ich vor Kälte, selbst bei kurzen Wegen zur U-Bahn oder zum Supermarkt. Inmitten dieser klirrenden Kälte begegnen mir immer wieder obdachlose Menschen, die auf Brücken, vor Bankfilialen und an Bahnhöfen sitzen. Ich komme mit Einzelnen ins Gespräch, wie verbringen sie ihre Tage, wo gehen sie hin, um sich aufzuwärmen?
Einer von ihnen erzählt mir von der Suppenküche des Franziskanerklosters in Pankow. Also packe ich meine Kamera ein und fahre zur Wollankstrasse nach Pankow.
Gegründet wurde die Suppenküche in der Nachwendezeit, den 90er Jahren von Schwester Monika. Sie war inspiriert von dem Leben des Franz von Assisi und begann in Kooperation mit den Franziskanern ein Mittagessen zu kochen. Beim Kloster angekommen lerne ich Bruder Andreas kennen. Er ist einer der vier Brüder, die hier im Kloster leben. Er zeigt mir die Suppenküche und erzählt mir von dem Klosterleben.
In der Suppenküche des Franziskaner Klosters bekommen täglich bis zu 400 Menschen eine warme Mahlzeit. Am Anfang des Monats kommen pro Tag ca. 160 Gäste am Ende des Monats ca. 300.
Wer sind die Gäste, die die Suppenküche besuchen? Ich komme mit Bernd Backhaus dem Leiter der Suppenküche ins Gespräch. "Wir orientieren uns da an Schwester Monika, die gesagt hat: 'Jeder kann kommen, der bedürftig ist, egal welches Bedürfnis er hat.' Zu uns kommen Obdachlose, aber auch ältere Menschen, bei denen die Rente am Ende des Monats nicht reicht. Bei uns ist jeder willkommen, egal ob er sozial, physisch oder psychisch bedürftig ist. Manche Menschen kommen, weil sie Hunger haben, andere suchen soziale Kontakte, wieder andere eine Struktur für den Tag."
Zwei von ihnen lerne ich kennen – Manfred und Bernd. Sie kommen fast tagtäglich in die Suppenküche. Hier wärmen sie sich auf, essen und treffen Bekannte und Freunde. Bernd lebt auf der Straße und duscht hier auch vor Ort. Manfred hat früher als Krankenpfleger gearbeitet. Er lebt in einer Wohnung, ist aber von Altersarmut betroffen.
Wie wird das Essen für die 400 Menschen zubereitet? Mein Weg führt mich in die Küche. Dort lerne ich einen Österreicher (links) und Saphea (rechts) kennen. Sie schälen gerade das Gemüse für das Mittagessen. Saphea ist Lehrerin an einem Pankower Gymnasium und arbeitet ehrenamtlich in der Suppenküche, einmal im Monat an einem Samstag, mit.
Saphea ist durch ihre Kollegin Anne auf die Suppenküche aufmerksam geworden. Anne ist ebenfalls Lehrerin und unterrichtet Deutsch und Geschichte. Sie arbeitet, seit sie 16 Jahre alt ist, ehrenamtlich in der Suppenküche mit. "Als ich als Teenager die Mönche kennengelernt habe, fand ich das Konzept interessant, dass jemand sein ganzes Leben in den Dienst für Andere stellt. Das ist außergewöhnlich in unserer heutigen Gesellschaft."
Anne berichtet, dass sie als Teil des Unterrichtes einmal gemeinsam mit ihren Schülern der 9. Klasse die Suppenküche besucht hat. "Meine Schüler sind 14 bis 15 Jahre alt und kommen aus einem gutbürgerlichen Umfeld. Es war mir wichtig, ihnen einen Einblick ins Thema Obdachlosigkeit zu geben. Am Ende des Besuches wurden wir eingeladen, als Klasse gemeinsam in der Suppenküche mitzuessen. Die Jungs haben sich in die Schlange gestellt und einfach mitgegessen, aber für einige Mädchen war es zu viel, ihnen sind die Tränen gekommen. Es hat sie sehr berührt in dieser Form mit Armut konfrontiert zu sein. Einzelne haben danach Zuhause aufgeräumt und Klamotten als Spende in der Kleiderkammer vorbeigebracht. Auch heute ist ein Schüler von unserer Schule hier und arbeitet mit."
Das ist Rosi, die Köchin. Seit 26 Jahren bereitet sie an vier bis sechs Tage die Woche das Essen zu.
Wolfgang, der ebenfalls schon seit einigen Jahren hier mitarbeitet, erzählt mir: “Was Rosi zaubert, ist echt dufte!” Um 12 Uhr essen alle Mitarbeiter der Suppenküche gemeinsam zu Mittag.
Da die Geschirrspülmaschine gerade kaputt ist wird heute per Hand gespült. Jan ist im vollen Einsatz.
In der Suppenküche arbeiten sowohl Ehrenamtliche wie auch Angestellte. Siggi ist vom Arbeitsamt hierher vermittelt worden und arbeitet jetzt schon seit 3 Jahren in der Küche. "Ich komme gerne hier her. Zuhause fällt mir die Decke uff den Kopp. Hier kann man beim Spülen mit dem Wasser rumsauen. Die großen Töpfe spüle ich am liebsten. Die wiegen bis zu 30kg."
Ich mache mich auf den Weg in die Kleiderkammer. Man kann hier während der Öffnungszeiten Klamotten als Sachspende vorbeibringen.
Die Kleidung ist frisch gewaschen und fein säuberlich geordnet.
Hier lerne ich Carsten kennen, der heute für die Kleiderausgabe zuständig ist. Er erzählt mir: "Seit 2004 verbringe ich immer 10 Tage meines Jahresurlaubes hier im Kloster und arbeite ehrenamtlich mit. Ich komme jedes Jahr im Januar und Februar vorbei."
In der Hygienestation gibt es für obdachlose Menschen die Möglichkeit, ihre Wäsche abzugeben und einige Tage später frisch gewaschen wieder abzuholen. Das ist etwas ganz besonderes in Berlin. Obdachlose an verschiedenen Orten der Stadt haben mir bereits davon erzählt, dass sie extra deshalb zweimal die Woche bis nach Pankow fahren, um ihre Wäsche hier waschen zu lassen. Einer sagte: "Ich will nicht stinken, sonst dreht sich jeder um und sagt 'Ey, der ist obdachlos!' Das will ich nicht!"
Bruder Andreas ist im Gespräch mit Bernd und Manfred und erzählt, dass die Suppenküche auch in praktischen Angelegenheiten wie Behördengängen, Schuldnerberatung, Beantragung von Sozialhilfe etc. versucht ihre Gäste zu unterstützen, dafür sind extra zwei Sozialarbeiter angestellt.
Ich bin neugierig und frage Bruder Andreas, warum er sich für ein Leben im Kloster entschieden hat, da dies heutzutage ja ein wirklich außergewöhnlicher Lebensweg ist.
"Ich bin jetzt seit 30 Jahren im Kloster, als ich ein Teenager war, gab es bei mir Zuhause um die Ecke eine tolle Jugendarbeit von den Franziskanern, da war ich oft als Teenager. Nach dem Abi habe ich mich dann gefragt, wie geht es weiter? Was will ich mit meinem Leben machen? Und da entwickelte und reifte der Gedanke in mir, ein Franziskaner zu werden. Ich glaube, jeder Mensch sucht für sich einen Lebensweg, der zu ihm passt. Da ist es gut, verschiedene Wege auszuprobieren, bevor man sich für einen Weg entscheidet. Ich habe mich für einen Weg in der Klostergemeinschaft entschieden."
Bevor ich gehe, fragt mich einer der Gäste, Bruno, ob ich noch ein Foto von ihnen machen kann. Bruno lebt seit vielen Jahren auf der Straße und kommt fast täglich in der Suppenküche vorbei, um sich aufzuwärmen, zu duschen, frische Kleidung zu bekommen und Freunde und Bekannte zu treffen. Die Suppenküche ist für ihn ein Stück Zuhause geworden.
So könnt ihr der Suppenküche helfen
Es war ein intensiver und facettenreicher Besuch. Das sozialen Engagement für Menschen, die von Armut betroffen sind, hat mich beeindruckt. Ich habe sehr unterschiedliche Menschen hier kennengelernt: Gäste und Brüder, Ehrenamtliche und Angestellte und auch Menschen, die hier Arbeit anstatt Strafe verrichten.
Bevor ich gehe, frage ich den Sozialarbeiter, Bernd Backhaus, wie man die Suppenküche ganz praktisch neben Sachspenden wie Hygieneartikel und Kleidung in ihrer Arbeit unterstützen kann. Er sagt die Gäste freuen sich, wenn z.B. jemand mal vorbeikommt, Musik macht oder sogar ein Theaterstück aufführt. Man kann aber auch gemeinsam, z.B. als Start-Up-Team einen sozialen Tag in der Suppenküche verbringen und bei der Essenszubereitung und Ausgabe helfen. Wenn du die Gäste in der Suppenküche glücklich machen willst, schreib einfach eine Mail an Bernd Backhaus unter [email protected]
Suppenküche Pankow | Wollankstraße 19, 13187 Berlin | Dienstag – Sonntag & Feiertags: 8.30–14.30 Uhr | Mehr Info