Wie erkenne ich eigentlich echte Berliner?

© Hella Wittenberg

Ich bin kein Berliner. Aber ich liebe Berlin. Gut möglich, dass ich deshalb seit 13 Jahren hier wohne. Ich habe die Stadt aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln erlebt. Zuerst als Zivi in einem Neuköllner Hospiz, dann als Currywurstverkäufer auf etlichen Wochenmärkten. Ich habe Höhenluft geschnuppert, als ich für Film- und Theaterproduktionen gearbeitet habe (und dabei einer 87-jährigen Legende assistierte, die noch von Bert Brecht persönlich inszeniert wurde). Und ich durfte als Koch die tiefsten Drogensümpfe des Gastro-Daseins ausloten.

Natürlich hat man als Zugezogener trotzdem die Schnauze zu halten. Und sich nicht in irgendeiner Form über diese Stadt zu äußern. Allerdings laufen mir genug Menschen über den Weg, die erst jetzt nach Berlin ziehen. Und mich dieselben Dinge fragen, die ich bei meiner Ankunft wissen wollte. Zum Beispiel: Gibt es überhaupt noch echte Berliner? Und wenn ja, wo findet man die?

Als Zugezogener hat man die Schnauze zu halten

Ein echter Berliner ist jemand, der hier geboren wurde. Am besten waren die Eltern auch schon Berliner. Und die Großeltern. Und noch besser ist es, wenn man sich direkt auf einen Vorfahren berufen kann, der hier mit der Mayflower angekommen ist.

Viel schwieriger ist die Frage, was das echte Berlin ist? Ich habe einen Bekannten, der seit 50 Jahren in einer dörflichen Straße in Dahlem wohnt. Er blickt voller Häme nach Kreuzberg und Friedrichshain, zu all den Hipstern und Zugezogenen, die so tun, als wäre der Wahnsinn am Schlesischen Tor das wahre Berlin. Darüber kann er nur lachen, denn er weiß: Das wahre Berlin ist seine dörfliche Straße in Dahlem. Auch wenn da pro Tag nur zweimal eine Pferdedroschke vorbeikommt.

Ist Dahlem mehr Berlin als Kreuzberg?

Wo findet man echte Berliner? Muss man dazu in urige Eckkneipen gehen? Aber wie soll man sie dann erkennen? Ist der Dialekt ein Indiz? Hier muss ich ganz klar verneinen. Ich kenne keinen einzigen Westberliner, der in der Öffentlichkeit Dialekt spricht. Natürlich beherrschen sie ihn, aber sie vermeiden ihn im Alltag. Meiner Meinung nach sprechen Westberliner das glasklarste Deutsch, nicht etwa Hannoveraner.

Dagegen berlinern fast alle meiner in Ostberlin geborenen Bekannten durchaus. Doch ich behaupte, dass sie im Pool der Dialektsprechenden eine absolute Minderheit bilden. Denn am krassesten (und penetrantesten) berlinern die Zugezogenen aus dem Brandenburger Speckgürtel. Und diejenigen aus „Westdeutschland“, die unbedingt beweisen wollen, wie toll sie sich hier integriert haben. In ihrer Eigentumswohnung.

Am krassesten berlinern die Zugezogenen aus dem Speckgürtel

Der Dialekt gibt demnach keinen Aufschluss über die Herkunft. Wie also echte Berliner erkennen? Mein Tipp: Postet etwas über Berlin in den Sozialen Medien. Eine Alltagsbeobachtung oder die Empfehlung eines tollen Restaurants. Ihr könnt sicher sein, dass sich augenblicklich der ein oder andere Ur-Berliner zu Wort meldet, um euch freundlich darauf hinzuweisen, dass ihr die Fresse halten und in euer Kuhkaff zurückkehren sollt. Zwick einem Schwein ins Ohr und es quiekt dir was vor.

Klar, auf die Art geht ihr die Sache mit der Brechstange an. Außerdem kann man so nur diejenigen Berliner aufscheuchen, die stolz darauf sind, hier geboren zu sein. Und wie alle Menschen, die sich übermäßig mit ihrer Herkunft identifizieren, sind sie vergleichsweise unentspannt.

Dabei ist es doch genau das, was Berlin ausmacht: Die Abgeklärtheit gegenüber allem, was so vorgeht. Sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Deshalb hört zum Schluss diese Weisheit: Die wahren Berliner sind meistens die, die am wenigsten Wind um sich machen.

Die wahren Berliner sind meistens die, die am wenigsten Wind um sich machen.
Zurück zur Startseite