Wie Berlin aus der historischen East Side Gallery ein Konsumparadies gemacht hat

© Charlott Tornow

Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie wir vor zehn Jahren gegen die Mediaspree protestiert haben? Wir wir vor der o2 World standen und gegen die Eröffnung anbrüllten? Wie wir auf Schlauchbooten über die Spree fuhren, um für einen freien Uferstreifen von 50 Metern, den Verzicht auf Hochhausbebauung und gegen eine neue Autobrücke demonstrierten? Wart ihr vor Kurzem mal zwischen Ostbahnhof und Warschauer Straße unterwegs und habt gesehen, was aus Mediaspree geworden ist?

Es ist der wahr gewordene Investorentraum. Bürotürme, Hotels, Eigentumswohnungen, eine Riesenkonzerthalle und demnächst ein Einkaufszentrum mit noch mehr Büroräumen und Hotels. Nur eine Station entfernt von dem nächsten Einkaufszentrum. Die Spreebrache direkt an der Mühlenstraße war einst das Hoffnungskind unter den Stadtentwicklungsutopisten, die sich für Berlin eine schöne Zukunft ausgemalt haben, ein Ort, an dem Kreative zusammenkommen, an dem man bezahlbar wohnen kann. Ein Ort, der wirklich aufgewertet wird und nicht das, was sich vom Geld geblendete Stadtplaner und Investoren unter Aufwertung vorstellen. Denn, was befürchtet wurde, damals, vor zehn Jahren, ist heute Wirklichkeit: Die "Aufwertung" des Areals hat nicht zu mehr Kultur geführt. Das ganze Gebiet ist einfach nur tot, zubetoniert. Wer, außer der Arbeitnehmer, die in der Vertriebszentrale von Mercedes-Benz oder im Zalando-Hauptquartier arbeiten, soll hier einkaufen gehen und eine "gute Zeit" haben?

© Charlott Tornow
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Achso ja, die Touristen, die die Warschauer Brücke verstopfen und die East Side Gallery als neues Instagram-Profilbild benutzen. #funtimes Die East Side Gallery ist ja, ähnlich wie das Holocaust-Denkmal, nur noch Hintergrundkulisse für Urlaubsfotos, als wirklich ein Ort des Gedenkens und vor allem Nachdenkens. Während jeder noch so hässliche U-Bahnhof in Berlin unter Denkmalschutz steht, wird am längsten noch verbliebenen und vor allem bekanntesten Mauerstreifen munter abgerissen und zusammengeflickt. Das erfolgreiche Bürgerbegehren von 2008, das unter anderem ja auch forderte, dass keine Hochhäuser am Spreeufer gebaut werden dürfen, war damals nicht bindend. Die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sicherte den Investoren Planungssicherheit zu.

Als 2013 das erste Stück aus der Mauer gerissen wurden, um Platz für den Bau des Wohnturms "Living Levels" zu machen, kamen Tausende Demonstranten, unter ihren David Hasselhoff. Heute hat man schon gar nicht mehr die Kraft gegen weitere Projekte wie ein neues Luxushotel zu protestieren. Es ändert sich ja eh nichts. Demnächst zieht wieder die "Tanzdemo" durch die Stadt, organisiert und begleitet von vielen großen Berliner Clubs. So sehr ich daran glauben möchte, dass die Berliner Politik sich nach dem Willen der Bevölkerung richtet, was eine Demokratie schließlich ausmacht, so sehr schwindet die Hoffnung bei jedem neuen Bauprojekt, das Konsum anstatt Kultur fördert.

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