Was muss man tun, um ins Berghain zu kommen?

© Benjamin Hiller

Bestimmt habt ihr diesen Moment alle schon mal erlebt: Ihr steht seit einer Stunde in der Schlange vorm Berghain, wart die ganze Zeit peinlich darauf bedacht, abgebrüht und trotzdem partyfreudig zu wirken. Jetzt seid ihr endlich an der Reihe, begrüßt den Türsteher, schaut ihm dabei kurz in die Augen und tut dann wieder so, als würde euch das alles nichts angehen. An sich eine gute Strategie. Doch nicht an diesem Abend.

Wenn der Türsteher euch wegschickt

„Beim nächsten Mal wieder“, sagt der Türsteher und entlässt euch mit einer Bewegung seines Kinns in die Richtung, aus der ihr gekommen seid. Es bleibt euch nichts anderes übrig, als die Zähne zusammen zu beißen und unter den teilnahmslosen Blicken der Warteschlange den walk of shame anzutreten.

Ich weiß genau, wie man sich in diesem Augenblick fühlt. Hab es oft genug selbst erlebt. Vielleicht bin ich da auch zu empfindlich. Aber es ist dann, als wäre meine Persönlichkeit, mein ganzes Wesen durchleuchtet und für ungenügend befunden worden. Dieser Effekt steigert sich natürlich, wenn man Drogen genommen hat und die eigene Stimmung noch mehr von äußeren Reizen abhängig ist.

Es ist dann, als wäre meine Persönlichkeit, mein ganzes Wesen durchleuchtet und für ungenügend befunden worden.

An dieser Stelle hat man drei Möglichkeiten: Man kann akzeptieren, dass man uncool ist und es für immer bleiben wird. Man kann versuchen, cool zu werden, indem man das vermeintlich Coole kopiert. Diese Möglichkeit scheinen die meisten zu wählen. Nur so kann ich mir erklären, warum 90% der Clubgänger gleich aussehen und sich gleich verhalten.

Coolness kann man auch vortäuschen

Aber ich mag am liebsten diese Herangehensweise: Man kann akzeptieren, dass man uncool ist, aber man zeigt es niemandem. Funktioniert erstaunlich gut. Ich weiß, dass ich in den Clubs eigentlich nichts verloren habe. Ich bin Schriftsteller, ein einzelgängerischer Beobachtertyp. Doch lasst mich vorwegnehmen: Ich war zwar in meinem Leben erst sechsmal im Berghain. Aber ich hab auch nur sechsmal versucht reinzukommen.

Wie ich das gemacht habe? Beobachten. Wen lassen die Türsteher rein? Wen weisen sie ab? Vor allem hab ich mir meine eigenen Fehlschläge ins Gedächtnis gerufen. Und eingesehen: Es war immer mein Fehler, wenn ich abgelehnt wurde. Weil ich zu leutselig war. Zu unterwürfig. Oder weil ich im Gegenteil ausgestrahlt habe, wie lächerlich ich das Ganze finde. Versteht mich nicht falsch. Es IST lächerlich. Aber diese Wahrheit muss man tief in sich begraben, wenn man bei dem Spiel mitspielen will.

Ich war zwar in meinem Leben erst sechsmal im Berghain. Aber ich hab auch nur sechsmal versucht reinzukommen.

Und dann einfach üben gehen. Fangt an den leichtesten Türen an. Zum Beispiel in der Griessmühle. Oder im Golden Gate. Da muss man sich schon sehr blöde anstellen, um nicht reinzukommen. Ist mir selbstverständlich auch schon passiert. Aber egal. Runterschlucken und weitermachen. Fördert die eigene Demut und schärft den Stil. Dann klappt es bald auch im Kater oder Sisyphos.

Beobachten, demütig sein, und immer wieder probieren

Meine Berghain-Nächte kamen alle spontan. Ich wusste an diesen Abenden einfach: Heute komme ich rein. Warum auch nicht? Die suchen Leute wie mich. Sie brauchen mich. Nicht weil ich cool bin. Bin ich nicht. Aber ich strahle eine innere Notwendigkeit aus. Die Gewissheit, dass ich in diesem Moment ein unverzichtbarer Bestandteil des großen Ganzen bin.

Meine Besuche im Berghain waren jedes Mal toll. Und ich bin mir sicher, das lag vor allem daran, weil ich an diesen Abenden bereit war, mein bestes zur Party beizusteuern: meine Persönlichkeit. Was auch immer das heißen mag. An anderen Abenden wäre ich, aus welchen Gründen auch immer, nur halbherzig bei der Sache gewesen. Hätte nur empfangen, statt auch mal zu senden. Hart ausgedrückt: Ich wäre ein Energievampir gewesen. Und die Aufgabe der Türsteher ist es nun mal, die zu erkennen und wegzuschicken. Für Energievampire gibt es das Matrix.

Für Energievampire gibt es das Matrix

Und ich hab natürlich auch einen Tipp, wie ihr euch für erlittene Abweisungen rächen könnt. Man muss es mit der Demut ja nicht übertreiben. Eine persönliche Erinnerung: Kater Blau, Silvester, einhundert Meter Schlange. Die Türsteher schicken sämtliche Leute weg. Und ausgerechnet uns winken sie durch, obwohl wir zu siebt (!) sind. Wir gehen zur Kasse, sehen, dass der Eintritt 20 Euro kostet, drehen um und sagen beim Rausgehen zu den Türstehern: „Nein, danke. Beim nächsten Mal wieder.“

Ich strahle eine innere Notwendigkeit aus. Die Gewissheit, dass ich in diesem Moment ein unverzichtbarer Bestandteil des großen Ganzen bin.
Zurück zur Startseite