Undercut bis ins Grab? Männer, sucht euch endlich eine neue Frisur!

© Robert King | Unsplash

"Warum denn bitte Männerfrisuren?", fragt sich vielleicht der eine oder die andere. Es handelt sich hierbei um ein unterschätztes Problem. Es geht nämlich nicht wie sonst um Bob, Pony, Spitzen, Spliss oder Stufenschnitt. Auch das Färben spielt kaum eine Rolle, Schuppen dafür schon, glaubt man der Werbung.

Jedenfalls, als Kind sollen die Haare vor allem praktisch sein, kurz und leicht zu pflegen. In der Pubertät rebellieren dann die meisten eine Weile gegen diese Pragmatik und lassen sprießen, was zu lange verstümmelt wurde. Deshalb lächeln einem auf den Klassenfotos der Mittelstufe nicht wenige Jungs gequält entgegen, bei dem Versuch, ihre Zahnspangen und ihren Mundgeruch hinter einem Vorhang aus Haaren zu verbergen. Alles was nach dieser Zeit kommt, nach der bewussten Emanzipation vom kindlichen Kurzhaarschnitt, dem darauf folgenden aufrührerischen Wildwuchs, ist Moden unterworfen.

Ist das das Schicksal unserer Generation? Undercut bis ins Grab?

Zu meiner Zeit waren es Tonnen von möglichst extra starkem Beton-Gel, das die Haare wie Klingen vom Kopf abstehen ließ. Nach dem Zivildienst dann war ich in London und kaufte mir enge Hosen und weite Sakkos und ging zum Friseur. Seitdem sind Jahre vergangen, doch hält sich die Frisur hartnäckig: Der Ukuola (Unten kurz, oben lang). Es gibt ihn in allerlei Abwandlungen, doch haben sie alle eins gemein, die Seiten werden kurz geschnitten oder sogar rasiert, genauso wie der Nacken. Oben auf dem Kopf bleiben die Haare länger. Das ist an sich nichts neues, eine ganze Generation junger Männer ist im Dritten Reich so blond unter Fahnen marschiert.

Es gibt dabei mehrere Abstufungen und Varianten der immer gleichen Frisur. So lässt sich am Längenunterschied zwischen Seiten- und Oberhaar ganz gut der Bildungshintergrund des Trägers erkennen. Generell könnte man sagen, je geringer die Differenz, desto intellektueller, je schärfer die Konturen, desto einfältiger der Kunde. Eine einfache Gleichung. Es geht da um wenige Millimeter. Wo hört der Undercut auf, wo fängt die Glattrasur an? Eindeutig wird es, wenn sie sich wie ihre Fußballidole, Rückennummern oder sonstigen Unsinn in ihre Haare rasieren lassen. Andere wieder tragen über den gekürzten Flanken stolz ihre möglichst zufällig wallenden Matten und sehen aus, als würden sie alle zwei Minuten ein Gedicht oder einen nachdenklichen Songtext schreiben.

Ukuoala oder Okuula?

Das Dilemma sind die Ohren. Haare, die über die Ohren wachsen, sehen irgendwie debil aus, kindlich, unmännlich. Wer hat uns das erzählt? Wie wäre es mal mit Mut, mit Innovation? Wo ist die Avantgarde, wo sind die Trendsetter? Das ist immerhin Berlin hier. Wie wäre es mit Okuula (oben kurz, unten lang) zum Beispiel? Oder mit einer Mönchsfrisur, nicht wie 2010 auf den Laufstegen, sondern diesmal richtig, mit Tonsur? Oder wieder mal Pilzköpfe, Pferdeschwanz? Es ist so schwer geworden sich mit seiner Frisur von etwas abzugrenzen, weil es keine Grenzen mehr gibt, die nicht schon vor Generationen ausgereizt worden sind. Ok, manche tragen wieder Vokuhila, aber das sind wirklich nur sehr wenige Verzweifelte, die Geschmacklosigkeit mit Ironie verwechselt haben. Eine Zeit lang haben sich die gepflegten Langbärte auch gedacht, es könnte cool sein, sich die Haare hinten in einem kleinen Schwänzchen zusammenzubinden und mit Schürze um den tätowierten Oberkörper Kaffee mit Milchschaum zu verkaufen.

Ok, manche tragen wieder Vokuhila, aber das sind wirklich nur sehr wenige Verzweifelte, die Geschmacklosigkeit mit Ironie verwechselt haben.

Schwierig erscheint es, fast unmöglich, vom Undercut wegzukommen. Jedes Mal gehe ich mit dem festen Vorhaben zum Friseur, diesmal etwas anderes zu versuchen oder die Haare einfach wachsen zu lassen. Jetzt wagst du mal was, jetzt riskierst du was! Doch schon nach der Kopfmassage spricht es aus mir: „Die Seiten bitte kurz und oben schön lang.“ Und jedes mal wieder verlasse ich den Friseur mit einem neuen Ukuola. Seit acht Jahren schon. Ist das das Schicksal unserer Generation? Undercut bis ins Grab?

Einmal allerdings, habe ich mir die Haare einfach abrasiert. Man sieht auch andere ab und zu, die es satt hatten, die sich im Suff von einem Freund kahl rasiert haben lassen. Zum Glück wachsen sie ja doch immer wieder nach, oben.

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