Ist mir scheißegal, ob ihr mich für arrogant haltet

© Hella Wittenberg

Lust auf ein Ratespiel? In einem Zimmer sitzen zwei Menschen. Beide wirken auf den ersten Blick völlig entspannt. Nach einer Weile fängt einer der beiden an, nervös mit dem Fuß zu wippen, beugt sich vor, holt Luft, um etwas zu sagen, überlegt es sich anders. Dann endlich die Überwindung: „Sag mal, bist du irgendwie sauer auf mich?“ – „Nein, wie kommst du darauf?“ – „Weil du so böse schaust.“

Preisfrage: Wer von den beiden hat ein Problem?

Ich wurde letzte Woche in die Kita zum Gespräch zitiert. Einige Eltern hatten entdeckt, dass ich Kolumnen schreibe, in denen ich mich über mein Leben als Single-Dad auslasse. Natürlich kommen da mitunter auch Kita-Geschichten aufs Tapet, die man als satirisch bezeichnen könnte. Ich wurde gebeten, Stellung zu beziehen. Zu der Frage, wie autobiographisch das Ganze ist. Und wie man meine leicht misanthropische Haltung mit meinem Posten als Elternvertreter vereinbaren soll.

Zum Verhör in der Kita

In solchen Dingen bin ich pragmatisch. Erstens mag ich immer, wenn etwas passiert. Und zweitens dachte ich, dass ich darüber bestimmt eine gute Kolumne schreiben kann. Doch wie sich herausstellte, ging es gar nicht um den Inhalt meiner zweifelhaften Ergüsse. Sondern um etwas Grundsätzliches, ein Thema, das mich verfolgt, seit ich denken kann.

"Du wirkst irgendwie, als könntest du uns nicht leiden."
Ich dachte, ich höre nicht richtig. Was ist das hier, Kindergarten? Ach ja, ist es wirklich.
"Du sagst immer nur kurz Hallo. Und du schaust, als ob du was gegen uns hättest."
Als umgänglicher Mensch versicherte ich den Eltern, dass ich keinen Groll gegen sie hege.
"Aha, keinen Groll, okay. Na, wenn du das sagst. Wirkt irgendwie anders."
"Hört zu", hab ich gerufen. "Nur weil meine Tochter hier in die Kita geht, bin ich doch nicht verpflichtet, soziale Kontakte zu euch zu pflegen. Ich sag's nochmal: Ich habe nichts gegen euch. Ihr seid mir einfach egal."

Der Schrei nach Liebe

Fraglich, ob diese Aussprache die Stimmung in der Kita dauerhaft verbessern wird. Aber wie soll man in so einer Situation reagieren? Ist es meine Aufgabe, mich mit diesem passiv aggressiven Bullshit zu befassen?

Ich weiß, das klingt jetzt wieder, als würde Clint hier seine private Vendetta führen. Deshalb ein paar Präzedenzfälle: Eine Bekannte von mir leitet einen Verlag. Sie ist der reizendste, umgänglichste Mensch auf der Welt. Aber alle Praktikanten und auch so mancher Autor schlottert vor ihrer vermeintlichen Bissigkeit. Sie selbst sieht das gelassen: "Ich hab halt ein Resting Bitch Face."

Meine Freundin Giulia ist Besitzerin eines Cafés in Neukölln, hat inzwischen etliche Angestellte. Ich kenne sie noch aus einer Zeit, als sie selbst unter Mindestlohn in den schäbigsten Kaschemmen geschuftet hat. Ich kann mir keine offenere, positivere Frau vorstellen. Und doch hat sie pausenlos Stress mit ihren Kellnern. Ich habe diese Typen mal beobachtet. 20-jährige Studenten, die noch immer in der ewig unmündigen Haltung verharren, ihre Chefin als Institution wahrzunehmen. Statt mal als den Menschen Giulia. Nur so bringen sie es fertig zu fragen: "Du hast es heute irgendwie auf mich abgesehen, oder?"

Das Recht auf ein Resting Bitch Face

Ich könnte ewig so weitermachen. Aber ich denke, der Punkt ist klar. Es ist immer die gleiche Strategie.

"Du wirkst angespannt. Bist du schlecht drauf?"

"Lächle doch mal."

"Du kommst gerade irgendwie arrogant rüber."

Niemals, niemals, niemals würde ich auf die Idee kommen, eine dieser übergriffigen Phrasen in den Mund zu nehmen. Wer so etwas sagt, hadert doch nur mit seiner eigenen Unsicherheit. Die er dann als Empathie verbrämt. Oder als Menschenkenntnis. Dabei tut er nichts anderes, als die Zielperson zu kompromittieren.

Denn wie soll man darauf reagieren? Man kann entweder zustimmen und sich der Einfachheit halber als Arsch abstempeln lassen. Oder man ergeht sich in endlosen Beteuerungen, dass alles in Ordnung sei. So oder so gerät man in die Defensive. Muss Deckung suchen vor den Vorwürfen wankelmütiger Duckmäuser. Ich habe manchmal den Eindruck, es genügt schon, entschlossen und zielstrebig durchs Leben zu gehen, um sich mit den Projektionen der Normalos befassen zu müssen. Denn genau das sind sie.

Ich habe es satt, mich am Durchschnitt orientieren zu müssen

In der Schule war ich für diese Normalos noch der Nerd, der versponnene Außenseiter. Sie haben mich belächelt. Weil ich mein Ding gemacht habe, statt ihrer Anerkennung hinterher zu rennen. Und heute, da meine jahrelangen Bemühungen mir die Möglichkeit beschert haben, hier und da etwas zu veröffentlichen, muss ich mich mit den gleichen Normalos befassen. Diesmal jedoch, weil sie auf der Strecke geblieben sind. Weil sie aus irgendeinem Grund annehmen, das Leben würde ihnen etwas schulden. Und weil sie deshalb all diejenigen in die Pflicht nehmen wollen, die sich selbst verwirklicht haben.

Aber wisst ihr was? Ich habe es satt, dass es gesellschaftlicher Konsens geworden ist, sich am Durchschnitt zu orientieren. Im Zweifelsfall halte ich mich lieber an die Falcos und Kinskis. Und ich nehme mir das unverschämte Recht heraus, direkt in die Sonne zu blicken. Statt mich von liebesbedürftigen Energievampiren runterziehen zu lassen. Deshalb lasst euch gesagt sein und merkt euch für immer: Das Recht auf ein Resting Bitch Face ist unantastbar.

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