Gangbang im 265er – Mein Morgen im BVG-Bus

© Felix Kayser

Ein bunter, aufrechter Pfau, ein gemütlicher, gänzlich entspannter Pandabär, eine auf sanften Pfoten schleichende Katze. Jedem Morgen wohnt ein neuer Zauber inne, jeder Sonnenaufgang birgt neue Möglichkeiten. Chancen, genau das zu sein, was man sein möchte. Den Tag voller Elan und mit entspannter Anmut zu beginnen. Wie der Pfau, wie der Panda oder wie die Katze. Nur einmal eines dieser Gewinnertiere sein, das wäre es. Doch dann öffnet sich die Tür des Linienbusses und man ist wieder das, was man gestern war und was man auch morgen sein wird: eine Sardine in der Büchse.

Die Sardine in dieser Geschichte bin ich. Meine persönliche Büchse wahlweise die Busse 165 oder 265. Meine Strecke, die zwischen Treptower Park und Schlesisches Tor. Jeden Morgen zur Arbeit, Tag ein, Tag aus. Meistens ist der Bus zu voll, meistens zu spät – und immer, wirklich immer steht irgendjemand im gelben Warnbereich und blockiert die Tür. Dabei ist es doch ganz einfach: Das ist Feuer, Baby, Feuer! Das ist der Ernstfall für den wir in der Schule „Der Boden ist aus Lava“ eingeübt haben…

Meistens ist der Bus zu voll, meistens zu spät – und immer, wirklich immer steht irgendjemand im gelben Warnbereich und blockiert die Tür.

Am Treptower Park türmen sich die Menschen

Office-Kreuzberg wächst, die Start-ups sprießen aus dem Boden und die Medien-Lemminge wollen pünktlich um/so gegen/ab 10 Uhr von ihren Penthouse-Wohngemeinschaften ins Creative-Meeting gebracht werden. Diesen Andrang scheint die Verkehrsplanung der BVG allerdings bisher nicht auf dem Schirm zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass hier morgens nur alle zehn Minuten ein Bus fährt. Am Treptower Park türmen sich die Menschen. Es existieren nicht einmal genügend Stefanie-Giesinger-Instagram-Storys, um diese langen Wartezeiten zu überbrücken. Hier müsste alle zwei Minuten ein Doppeldecker durchrauschen. Ach was sage ich, ein Triple-Decker – und wenn auch der nicht reicht, sollten direkt auf dem Dach nach indischem Vorbild Plätze geschaffen werden. Dann wird die Boulder-Einheit zum Start in den Tag absolviert. Mit gehörig Fahrtwind im Haar, einer Hand am Bus gekrallt und der anderen am Orangen-Chia-Smoothie, kommt man gleich super aufgewärmt und fit ins Büro.

Sicher einen Platz finden hingegen immer die WhatsApp-Verbaldurchfaller, die morgens ihren Freunden schon ihren geplanten Tagesablauf in die Sprachnachricht reihern. Meistens aber müssen sogar Eltern mit Kinderwagen auf den nächsten Bus warten, weil der ankommende zu voll ist. Senioren versuchen es gar nicht erst. Erst vor ein paar Tagen habe ich miterlebt, wie eine gesamte spanische Schulklasse vom Busfahrer im feinsten „ihr kommt hier nicht rein“ Berghain-Berlinerisch abgelehnt wurde. Es gab einfach keinen Platz mehr für die gestrandeten Touristen. Man male sich nur mal aus, was passieren würde, wenn sich diese Engpässe im öffentlichen Personennahverkehr erst einmal bis nach Madrid oder Barcelona herumsprechen. Dann war es das aber ganz schnell mit dem muy bueno Berlín-Hype. Zum Glück funktionieren Tegel und Schönefeld weiterhin einwandfrei.

Mitunter müssen sogar Eltern mit Kinderwagen auf den nächsten Bus warten, weil der ankommende zu voll ist. Senioren versuchen es gar nicht erst.

Gangbang im 265er

Da an der Lage vorerst vermutlich wenig zu ändern ist und Berlin im Verkehr weitaus größere Probleme zu lösen hat als meine morgendliche Bussituation, habe ich mich längst damit abgefunden. Ich versüße mir die Zeit auf dem Weg zur Arbeit daher mit anregenden Fantasien. Dann wird aus der 265 das KitKat und aus den Reisenden der größte Gangbang der Stadt. Der Busfahrer legt irgendwas zwischen Tech-Trance und Minimal auf, die gelben Stangen dienen ausschließlich dem Poledance und die Haltegurte feinsten Fesselspielen. Durchgenudelt fühlt man sich nach der Fahrt meistens eh. So lässt es sich zwar nicht entspannt und voller Anmut in den Tag starten – aber doch immerhin vergnügt.

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