Pioniere im Wedding: Die Moritz Bar feiert ihren fünften Geburtstag

© Lena Meyer

Kilian (l.) und Lukas Flade sind die Gründer der Moritz Bar

Selbst nach fünf Jahren finden sich noch Spuren der Vorbesitzer. Der Getränkekeller sieht noch heute aus wie ein Aquarium, Wände und Decke sind in Blau gehalten, Fische schwimmen entlang der Seiten, Luftblasen steigen auf. Doch die meisten Gäste ahnen nicht, über welchem Erbe sie ihr Bier trinken, ihren Cocktail schlürfen oder in mancher Nacht sogar wild tanzen – fünf Jahre sind schließlich eine lange Zeit und die Moritz Bar ist längst eine Institution, die die verruchte Vergangenheit des Ortes mit ihrem bunten Glanz überschattet.

Kaum einer kennt noch den Namen der dubiosen Bar Delfin, die früher in der Adolfstraße zu finden war. Zwei Jahre stand der Laden nach einer Razzia und der anschließenden Schließung des zwielichtigen Etablissements leer. Eines Tages entdeckten die Brüder Lukas und Kilian Flade das Objekt in der gefühlt menschenleeren Straße im Herzen des Wedding. Gott sei Dank, muss man rückblickend sagen, andernfalls wäre die Gegend wohl noch heute No-go-Area – nicht in dem Sinne, dass man dort nicht unbehelligt herumlaufen könnte, sondern weil es schlicht keinen Grund gäbe, durch die zuvor trostlosen Straßen zu ziehen.

Früher gab es nur wenige versteckte Bars, ansonsten ausschließlich Eckkneipen. Durch die zahlreichen Neueröffnungen hat der Wedding an Persönlichkeit gewonnen.
Lukas Flade

Lukas und Kilian haben Pionierarbeit geleistet. Bevor die Würzburger Brüder ihren Traum von der eigenen Bar realisierten, sah es im Wedding zugegebenermaßen mau aus. "Früher gab es nur wenige versteckte Bars, in die junge Menschen gerne gegangen sind, ansonsten ausschließlich Eckkneipen, die ihre Renaissance noch vor sich hatten", sagt Lukas. "Früher ist niemand zum Ausgehen in den Wedding gefahren. Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch die vielen Neueröffnungen hat der Bezirk an Persönlichkeit gewonnen."

Heute kommen auch mal Gäste aus Charlottenburg. Der Wedding ist gekommen. Doch anders, als die Menschen dachten und worüber sie bis heute witzeln – nicht mit dem typischen Ausverkauf der Stadt wie man ihn in Prenzlauer Berg erlebt hat, sondern durch kleine Unternehmer wie die Brüder, die ihren Traum kontinuierlich verwirklicht haben und dafür auch steinige Wege gehen mussten.

Die Moritz Bar während des Umbaus. Insgesamt ein halbes Jahr haben Kilian und Lukas Flade an ihrem Traumort gewerkelt

Eine Bar in einem Kiez zu eröffnen, der ziemlich runtergekommen aussieht und irgendwie auch heute noch ein bisschen tot wirkt, war ziemlich tollkühn. "Uns hat geholfen, dass wir keine Erwartungen hatten", sagt Kilian. "Wir sind vielleicht auch ein wenig blauäugig an die Sache herangegangen, doch am Ende ist alles gut geworden." Das ist es tatsächlich, auch wenn nicht alle Tage rosig aussahen. Die Eröffnungsparty war ein grandioser Erfolg. Darauf folgten Wochen, in denen Lukas und Kilian täglich mehrere Stunden allein hinterm Tresen hockten. Nur ab und an verirrte sich ein Freund in die Moritz Bar. Zugleich war der Arbeitsaufwand riesig. "Eine Bar ist wie eine Beziehung, man muss es lieben, auch wenn es manchmal anstrengend ist", sagt Lukas rückblickend.

Gaypride gab es im Wedding noch weniger als gute Bars, das war völliges Niemandsland.
Kilian Flade

Doch mit der Zeit kamen die Gäste. Auf einmal entdeckten die Menschen aus dem Kiez die Bar für sich. Die Erwartungen stiegen. Der Betrieb professionalisierte sich. Lukas und Kilian fingen an, mit Cocktails zu experimentieren, das namensgleiche "Moritz"-Bier aus Barcelona zu importieren und ihr eigenes Tonic herzustellen. Tonic spielt auch eine wichtige Rolle beim "Gay Monday", einer bis heute bestehenden Popmusik-Reihe, bei der es einen Gin-Tonic 2for1-Deal gibt.

Überhaupt nahm die Bar einen schwul-lesbischen Schwerpunkt an, was auch nach außen getragen wird: Seit Sommer 2015 leuchtet auf dem Rollo eine Regenbogenfahne. "Gaypride gab es im Wedding noch weniger als gute Bars, das war völliges Niemandsland", sagt Kilian. Heute ist das anders. Mittlerweile gibt es mit "Gimme Moritz" sogar eine Party, die alle zwei Monate im Humboldthain Club stattfindet und neben Popmusik auch immer eine Show der beiden mitveranstaltenden Drag Queens Anna Klatsche und Victoria Bacon bietet.

Die Moritz Bar lockt heute mit zahlreichen Reihen: Neben dem "Gay Monday" mit Gin Tonic 2for1 finden regelmäßig Public Screenings etwa von "RuPaul’s Drag Race" (freitags ab 20 Uhr) oder das "Popquiz" statt

Zwischenzeitlich haben Lukas und Kilian versucht, mit dem Moritz am Park einen Ableger in Moabit zu installieren oder mit Zizis Café eine orientalische Küche zu bieten, die Mitarbeiterzahl wuchs und es wurde sogar IHK-zertifiziert ausgebildet. Die beide Läden sind mittlerweile Geschichte, geblieben ist nur die Moritz Bar und ihr Kernteam bestehend aus Kilian, Lukas und drei Barkeepern. "Wir haben etwas ausprobiert und es nie bereut. Bei allem, was auch immer man angeht, sollte Spaß dabei sein, auch wenn man sich stets neu erfinden muss", sagt Lukas. "Trotz all des Drucks der Selbstständigkeit haben wir es heute geschafft, uns ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das gesund ist, was bei Unternehmern, die hauptsächlich nachts arbeiten, keine Selbstverständlichkeit ist", ergänzt Kilian.

Die Moritz Bar ist eine Erfolgsgeschichte mitten im Wedding, von zwei Brüdern, die bei Null angefangen haben. Und diese Erfolgsgeschichte soll noch weitergehen. "Die Bar ist ein Abenteuer, das noch kein Ende aufzeigt", sagt Kilian. Doch zunächst wird auf die letzten fünf Jahre zurückgeblickt und natürlich angestoßen. Dann werden auch wieder zahlreiche Besucher über den Fischen im blau getünchten Keller tanzen, den wirklich niemand vermisst.

Moritz Bar | Adolfstraße 17, 13347 Berlin | täglich ab 19 Uhr | Geburtstagsparty: 10.03.2018, ab 19 Uhr | mehr Infos

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