Nicht nur der Deutschrap hat ein Antisemitismusproblem, wir alle haben eins

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Wer in der vergangenen Woche nicht unter einem Stein gelebt hat, wird die Diskussion um die Echo-Verleihung mitbekommen haben. Die Kurzfassung: Am 12. April wurde der vermeintlich wichtigste deutsche Musikpreis verliehen, der nicht die künstlerische Qualität zum Maßstab nimmt, sondern Verkaufszahlen und Chartplatzierungen honoriert. So kam es dann auch, dass die Rapper Kollegah und Farid Bang mit ihrem Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ in der Kategorie "Hip-Hop/Urban National" gewannen, ein Album, das sich durch antisemitische Textzeilen wie "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" auszeichnet.

Warum sich das Echo-Gremium, das aus zahlreichen Vertretern der Musikindustrie besteht, nicht von vornherein gegen die Nominierung eines umstrittenen Albums gestellt hat und somit Rassismus toleriert und ihm eine Bühne bietet, sei jetzt mal dahin gestellt. Bereits an dem Abend kritisierte Tote-Hose-Frontmann Campino die Auszeichnung als einer der Ersten. Seitdem haben zahlreiche Künstler ihre Echos zurückgegeben und sich von dem seit jeher fragwürdigen Preis distanziert, für den schon 2014 die Rechtsrock-Band Frei.Wild nominiert wurde, die selbst ein Antisemitismus-Problem zu haben scheint.

Der Respekt ist verloren gegangen

Dass die Diskussion immer weitere Kreise zieht, zeigt jetzt auch das Ende des Rap-Battle-Formats "Rap am Mittwoch". Seit Jahren ist die Veranstaltung ein Grundpfeiler im Berliner Rap-Game und zudem in ganz Deutschland bekannt. Der jüdische Rapper Jonni Kalmanovich aka Ben Salomo gründete RAM 1999 in der ufa-Fabrik. Mit Unterbrechungen etablierte sich das Format und ist seit 2012 mit dem Bi Nuu als festem Veranstaltungsort die "realste Cypher Deutschlands". Die MCs müssen beweisen, wie gut sie im direkten Vergleich wirklich sind. Jeden Monat konnte man so Gutes, Mist, Ernsthaftes, Lustiges, Egales und viel Nachwuchs erleben, der sich die Worte aus dem Leib spittet, stolpert oder holpert. Wie genau beim Rap am Mittwoch gebattlerapt wird, ist durch Die Regeln der Battlemania gekennzeichnet. An oberster Stelle stand immer: Respekt.

Und genau den vermisst Salomo so sehr, dass es RAM im Mai zum letzten Mal geben wird, wie er dem Online-Magazin Watson mitteilte. "Ich will mit der deutschen Rap-Szene nichts mehr zu tun haben", sagt Ben Salomo. Die Deutschrap-Szene sei ähnlich antisemitisch wie Rechtsrock, "nur ist sich Deutschrap dem Antisemitismus-Problem nicht bewusst". Er habe sich die letzten Jahre immer wieder gegen Antisemitismus und für Aufklärung eingesetzt, "aber ich bin gegenüber der Anzahl an sehr populären Rappern machtlos, die ihren Antisemitismus durch Texte oder in Musikvideos zeigen, privat oder backstage".

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Ich bin gegenüber der Anzahl an sehr populären Rappern machtlos, die ihren Antisemitismus durch Texte oder in Musikvideos zeigen.
Ben Salomo

Wie populär Antisemitismus und Judenhass gerade sind, zeigt nicht nur die Zahl der Anhänger der rechten Partei AfD im Allgemeinen, sondern auch die steigende Zahl der Angriffen gegenüber Juden. Zuletzt ist in Berlin ein Syrer mit einem Gürtel auf einen Israeli losgegangen. Und auch an Berliner Schulen häufen sich die Beleidigungen und Angriffe auf Juden.

Dass sich jemand wie Salomo machtlos fühlt, ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, die zwar immer wieder Zusammenhalt predigt, aber nichts unternimmt. Was können wir also tun? Keine Platten mehr von umstrittenen Künstlern kaufen und sie unter dem Deckmantel der Kunst und der Meinungsfreiheit feiern zum Beispiel. Nicht wegschauen. Den Mund aufmachen und etwas tun für jene Menschen, die verbal oder physisch angegriffen werden. Eigentlich ist es ziemlich einfach.

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