Wie schlimm ist die Trennung für unser Kind?

© Rike Schäfer

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge erzählt er von seiner Trennung.

Und plötzlich ist alles anders. Als meine Freundin und ich vor vier Jahren beschlossen haben, ein Kind zu kriegen, ging das für mich mit einem Versprechen einher: Schluss mit dem Patchwork. Weil ihre Familienverhältnisse so unübersichtlich sind. Und sie bisweilen darunter gelitten hat. Ich wollte, dass wir einen reset im Stammbaum schaffen, dass unsere Tochter in einer klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation aufwächst.

Meine Freundin, schreib ich. Dabei ist sie jetzt gar nicht mehr meine Freundin. Ich muss erst noch einen neuen Terminus finden. Ex-Freundin? Kindsmutter? Die Mamacita von meiner Bambina? Sprache ist etwas Endgültiges. Sie weist den Dingen gnadenlos einen Platz zu. Wie auch immer ich die Mutter meiner Tochter in Zukunft nenne, wird jeder Außenstehende merken: Aha. Die sind nicht mehr zusammen.

Wir haben uns getrennt

Wir haben uns getrennt. Weil wir gemerkt haben, dass die Vater-Mutter-Kind-Konstellation überhaupt nicht unser Ding ist. Für eine Weile hat sie gut funktioniert. Aber im letzten Jahr haben sich bereits blinde Flecken in den Alltag geschlichen. Vermutlich wäre das die Zeit gewesen, um all unsere Energie in die Beziehung zu stecken. Aber ich war monatelang mit meinem neuen Roman beschäftigt und daher weit weniger aufmerksam, als die Situation es vielleicht erfordert hätte.

Im Sommer haben wir dann eine Reise gemacht, die uns zwischenzeitlich an unsere Grenzen gebracht hat. Ich habe hier davon erzählt. Plötzlich stand alles in Frage. Und als wir zurück in Berlin waren, haben wir uns damit auseinander gesetzt. Wollen wir noch ein zweites Kind? Wollen wir so weiter leben? Wollen wir überhaupt noch zusammen sein? Die Antwort war schmerzlich, aber eindeutig: Nein, wollen wir nicht.

Zum Glück sind wir gemeinsam zu diesem Schluss gekommen. Denn natürlich folgte daraus die Frage: Was ist mit unserer Tochter? Wie bringen wir ihr bei, dass Mama und Papa sich zwar noch lieb haben, aber nicht mehr so ganz? Und wie organisieren wir von nun an den Alltag?

Der erste Entschluss, den wir in diesem Moment gefällt haben, war gleichzeitig der beste: Wir reden mit niemandem über die Trennung, bis nicht alles geregelt ist. Hört sich hart an, aber wir waren der Meinung, dass das erst einmal unsere Sache ist und keinen was angeht. Während ich also anfing, nach einer Wohnung für mich zu suchen, während wir unseren alten Haushalt aufteilten und gemeinsam alles Nötige für die beiden neuen Haushalte besorgten, hielten wir dicht. Vor der Familie, vor unseren Freunden. Und auch vor unserer Tochter.

Dann habe ich eine Wohnung gefunden. Nicht weit von der Kita, in direkter Nähe zu meinem Arbeitsplatz. Dort haben wir uns auch mit dem Kind getroffen, um sie vorsichtig einzuweihen. Und ihr danach die Wohnung zu zeigen. Meine Tochter kommt gern zu mir auf die Arbeit. Wenn sie krank ist, zum Beispiel. Weil sie da fernsehen darf.

Ich also, mit kaltem Schweiß auf der Stirn:
„Weißt du, wo wir jetzt hingehen?“
Tochter: „Wohin denn?“
„In meine neue Wohnung. Es gibt nämlich ab jetzt eine Papa-Wohnung und eine Mama-Wohnung.“
„Hast du da auch ein Bett?“
„Ja. Und du schläfst dann auch manchmal bei mir. Du hast sogar ein eigenes Zimmer.“
„Und meine Mama?“
„Die bleibt in der alten Wohnung.“
„Gut.“
„Findest du das schön?“
„Ja. Darf ich jetzt Fernseher kucken?“
Und damit war das Thema vorerst erledigt.

Weil meine Ex-Freundin und ich beide voll berufstätig sind, ist meine Tochter daran gewöhnt, den Tag nur mit einem von uns zu verbringen. Eine echte Änderung kam für sie also erst, als sie begriffen hat, dass wir abends nicht mehr alle zusammen sind und morgens nicht mehr zusammen aufwachen. Als sie den zweiten Abend bei mir war, hat sie sich dann zum ersten Mal zu der neuen Situation geäußert.

Tochter: „Papa, ich bin ein bisschen traurig.“
Ich: „Ja? Warum denn?“
„Weil meine Mama in der alten Wohnung ist.“
„Willst du lieber, dass wir alle zusammen schlafen?“
„Ja.“

Natürlich hat mir das einen gehörigen Stich gegeben. Zumal ich nicht wirklich was dazu sagen kann. Außer, dass wir sie immer noch beide lieb haben. Und sie bald wieder zu ihrer Mama darf. Und dann wieder zu mir. Und so weiter.

Wir teilen uns das Kind halbwöchentlich. Nach drei Tagen wechseln wir uns ab. Dieser Rhythmus scheint für meine Tochter okay zu sein. Und erst seitdem auch wir uns mit dieser Regelung safe fühlen, haben wir die Trennung publik gemacht. Das war natürlich ein großes Hallo. Vor allem für die Familien. Aber genau da hat sich gezeigt, wie gut es war, die Sache erstmal für uns zu behalten. Dadurch, dass alles geregelt war und wir cool mit der neuen Situation waren, hatten wir genug Kraft um die Leute trösten, die nicht damit klar kommen.

Es ist jetzt zwei Monate her, dass wir uns getrennt haben. Erstaunlich, wie sehr sich das Leben in so kurzer Zeit von Grund auf verändern kann. Die Hälfte der Woche bin ich immer noch Papa. Und in dieser Zeit kann ich mich viel besser auf meine Tochter konzentrieren als früher. Natürlich gefällt ihr das. Und in der anderen Hälfte gehe ich steil. Verliere die Kontrolle. Tue all das, was mir in den letzten Jahren gefehlt hat.

Früher hatten die Leute im Durchschnitt vier Kinder. Heute haben die Kinder im Durchschnitt vier Eltern.

Auch die Mutter meiner Tochter ist glücklich. Wir treffen uns hier und da, um die Wochenabläufe zu planen. Springen auch mal außerplanmäßig ein, wenn der andere einen Termin hat. Dass wir so gut miteinander klar kommen, liegt gewiss daran, dass wir alle Entschlüsse gemeinsam getroffen haben. Und es spielt wohl auch eine Rolle, dass wir beide schon in neue Menschen verliebt sind.

Friede, Freude, Eierkuchen. Klingt fast so, als wollte ich hier dafür werben, dass Eltern sich trennen sollen. Das ist natürlich Quatsch. Ursprünglich wollten wir etwas anderes. Aber die Lage hat sich geändert. Und es ist für meine Tochter mit Sicherheit besser, getrennte, glückliche Eltern zu haben, als in einer erzwungenen Idylle zu leben, die zum Scheitern verurteilt ist. Letzten Endes bestätigen also auch wir den Trend: Früher hatten die Leute im Durchschnitt vier Kinder. Heute haben die Kinder im Durchschnitt vier Eltern.

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