“Wer einsam bleibt, ist selber Schuld!” - 11 Begegnungen beim Speeddating

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“Wer einsam bleibt, ist selber Schuld!” lautet der freche Werbespruch der Speed-Dating-Agentur, die mich eingeladen hat. Da erwischen sie mich genau an meinem wunden Punkt. Ich bin zwar nicht auf akuter Suche nach einem Partner, aber wenn ich eines nicht sein möchte, dann doch “selber Schuld” an meinem Unglück!

Meine Freundin A. wartet bereits auf mich, ich habe sie überredet, mich zu begleiten. Ich bin erstmal ein paar Stationen in die falsche Richtung gefahren und deshalb zu spät. Jetzt bin ich nervös. A. geht es ähnlich. Ihre Aufregung lässt mich meine eigene aber kurz vergessen. Wir haben doch nichts zu verlieren. Der Vorteil von Speeddatings ist, dass man gleich weiß, ob man sich sympathisch ist. Sind wir eher so wie Igel und Schlauchboot oder Suppe und Gabel, verschwenden wir zumindest nur 7 Minuten und keinen ganzen Abend. Nachteil: Ich kann keine Vorauswahl treffen, klar.

Zunächst müssen wir unsere Spitznamen aufschreiben, damit wir den anderen später online "matchen" können. Ich habe keine Lust auf die Standard-Fragen. Wo kommst du her? Was machst du beruflich? Was sind deine Hobbys? Ich will ein echtes Gespräch führen. Zum Glück bin ich vorbereitet in die nächste Stunde gegangen. Eisbrecher-Fragen. Zum Teil geklaut von den 36 Fragen zum Verlieben, zum Teil selbst gesponnen. Mal sehen, wie sie funktionieren.

Date 1: Was macht dich so richtig glücklich?

Mein Gegenüber guckt mich erschrocken an. Ein bisschen wie ein angefahrenes Reh. Große Bambi-Augen. Damit hat er nicht gerechnet. Er muss überlegen. Freizeit, Hobbys, Reisen. Na es geht doch, jetzt haben wir ein Thema. Und die 7 Minuten sind schnell vorbei. Wir werden uns nicht wieder sehen, aber es war zumindest nicht schrecklich.

Dates 2: Wärst du gerne berühmt und wenn ja wofür?

Er lacht. Er muss kurz überlegen, ist sich dann aber relativ schnell sicher: Er wäre gerne ein berühmter Sportler. Vielleicht ein Beach-Volleyballer. Das kann ich verstehen. Diese Beachvolleyballer*innen sind schon ganz schön hot. Aber die haben auch verdammt wenig an. Er lacht wieder. Das Gespräch läuft.

Date 3: Gibt es etwas, das du schon immer einmal machen wolltest, aber noch nie getan hast?

Date Nummer 3 gerät etwas ins Schleudern. Er überlegt. Er ist vom Typ her am ehesten, was ich beim Speeddating erwartet hätte. Er wirkt nämlich, als wäre er zu schüchtern Frauen anzusprechen. "Paragliding, das heißt doch so?" Bei ihm klingt das wie ein nicht erfüllbarer Traum. Das kann man auch in den Alpen machen, dafür muss man nicht weit weg, merke ich an. Plötzlich scheint der Traum für ihn nicht mehr so fern zu sein. Er gibt zu, dass er am Abhang stehend vermutlich Angst hätte. Glonk Glonk, das erlösende Bierglas.

Date 4: Was würden deine Freunde sagen, während sie über dich lästern?

Date 4 ist begeistert. Mal eine andere Frage. Und oh, die ist echt gut. Er will wahrheitsgemäß antworten, das sehe ich. Vermutlich würden sie sich darüber lustig machen, dass er sich über Kleinigkeiten aufregt. Wenn etwas nicht funktioniert, brüllt er es an. In erster Linie Gegenstände. Das kann ich verstehen. Ich rede auch mit technischen Geräten, obschon ich versuche, dabei nicht zu doll zu schimpfen, um sie nicht gegen mich aufzubringen. Wir lachen ein bisschen über unsere Schwächen. Das funktioniert. Aber leider ist da chemisch von meiner Seite so gar nichts los.

Date 5: Was würdest du machen, wenn du nicht scheitern könntest?

Damit habe ich Date 5 wohl überfordert. Zu intim? Er fragt: Beruflich? Beruflich zum Beispiel. Er überlegt. Er möchte seine Berufswahl nicht anzweifeln, sagt er. Er macht, was er macht, das sei okay so. Aber er möchte dann doch überlegen. Er kann ja nicht scheitern… Schließlich entscheidet er sich für das Bewirten einer einsamen Insel. Kann ich nachvollziehen. Er bekommt kein Like von mir. Aber vielleicht hat ihn zumindest die Frage inspiriert.

© Lisa Budzynski

Date 6: ...

Er beginnt direkt zu quatschen. Ich brauche keine Eisbrecher-Frage. Das ist auch gut.

Date 7: Wollen wir eine Runde lustiges Beruferaten spielen?

Offensichtlich wirke ich wie eine Ärztin oder eine Lehrerin. Mit beidem kann ich gut leben. Date 7 ist leider etwas unheimlich. Er fragt mich, was ich wiege. Ich antworte wahrheitsgemäß. Er beschwert sich, dass die anderen Frauen nicht geantwortet hätten. Er würde ja gerade fasten, da werde er so schön kreativ. Er kommt mir etwas zu dünn vor, um jetzt auch noch zu fasten. Aber ok. Die komischen Menschen gibt es offenbar dann doch auch beim Speeddating.

Date 8: Was glaubst du, haben wir gemeinsam?

Wir lachen beide gerne und sind offen für Neues. Das stimmt. Aber ich fürchte sonst nicht so wirklich viel. Aber das Eis ist gebrochen und die 7 Minuten vergehen wie im Flug.

Date 9: Wenn du dich jetzt entscheiden müsstest, soll dann für den Rest deines Lebens lieber dein Oberkörper oder dein Unterkörper in Fischgestalt sein?

Ich bin so witzig. Er lacht nicht. Ok, ich bin doch nicht so witzig. Fail.

Date 10: Wollen wir ein peinliches Geheimnis teilen?

Er hat sich als Junge mal beim Klauen eines Schmuddelhefts erwischen lassen. Das ist wirklich witzig. Und Eis ist nach so einer Geschichte überhaupt keines mehr da.

Date 11: Wir könnten uns nur anschauen, anstatt zu sprechen?!

(Es waren nur 7 Dates angekündigt. Dass jetzt ausgerechnet 11 Männer anwesend sind, ist Zufall. Ich schwöre.) Abgefahren, was das auslösen kann. Er ist leider so gar nicht mein Typ und auch etwas zu jung, aber während ich ihm so in die blauen Augen schaue, habe ich kurz den Impuls ihn einfach zu küssen. Dann beginnen wir doch noch zu sprechen. Die Magie ist weg. Er lästert über die anderen Teilnehmerinnen. Das ist irgendwie gemein. Ich sei sein Highlight. Er kriegt trotzdem kein Like.

Danach:

Für mich haben alle Fragen funktioniert. Es hat sich zwar komisch angefühlt, sie quasi auswendig gelernt aufzusagen, aber so sind mir 11 Mal die gleichen langweiligen Gespräche erspart geblieben. Um herauszufinden, wie gut die Fragen bei den Dates angekommen sind, müsste ich eigentlich alle 11 Männer liken und schauen, ob wir ein Match haben. Aber das möchte ich nicht. Ein bisschen neugierig bin ich dann aber doch. Meine beiden Favoriten bekommen also Likes von mir. Und ich habe zwei Matches. Ob ich mich bei den beiden melden werde? Ich glaube eher nicht. Ich hatte zufällig vor ein paar Tagen ein wirklich schönes Dating-App-Rendezvous (nein, nicht Tinder). Vielleicht ist doch nicht selber schuld, wer alleine bleibt, sondern einfach nur glücklich, wer den Löffel zur Suppe findet.

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