Warum steht ein unbekanntes Mahnmal unter Denkmalschutz?

© Max Müller

Das „Parlament der Bäume“ liegt ziemlich versteckt. Als Adresse für Ben Wagins Kunstinstallation des Wendejahres wird der Schiffbauerdamm angegeben, der das nördliche Ufer der Spree am Bahnhof Friedrichstraße säumt. An dieser Adresse liegen nicht nur zahlreiche, vor allem von Touristen frequentierte Restaurants, sondern auch das Berliner Ensemble. Etwas weiter die Straße runter wird es sofort ruhiger, am letzten Haus der Straße findet sich noch die sogenannte Reichtumsuhr, die das Nettovermögen der deutschen Bevölkerung der öffentlichen Verschuldung gegenüberstellt. Das Mauer-Mahnmal hingegen ist nirgends auszumachen.

Das verwundert überhaupt nicht. In unserer Redaktion kannte niemand das Mahnmal, erst recht war noch keiner von uns vor Ort. Eine Viertelstunde irre ich durch die Gegend. Dann gebe ich mich geschlagen und lasse mich vom Handy navigieren. Das führt mich weg von der Straße und direkt ins Regierungsviertel, vorbei an Kanzleramt und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Hinter der Bundestags-Bibliothek finde ich endlich den kleinen Garten, der seit diesem Montag unter Denkmalschutz steht.

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Die Grünen forderten schon lange die dauerhafte Archivierung des letzten Mauerstücks im Regierungsviertel, das Wagin gemeinsam mit der Künstlergruppe „Die Baumpaten“ gestaltete. Auch Politiker und US-Stars wie der Schauspieler Michael Douglas beteiligten sich am Kunstprojekt. Eine Tafel informiert darüber, dass die Stätte zum Andenken der 258 Mauertoten errichtet wurde und mittlerweile dem „Garten der Gerechten unter den Völkern“ aus der Shoah-Gedenkstätte ähnelt.

Das kann nur konzeptuell gemeint sein. Tatsächlich ist die Vegetation weitaus weniger fruchtbar, als es die Ankündigung verspricht. Vielleicht liegt es aber auch nur an der Jahreszeit. Herbstblätter bedecken den gesamten Boden. Zu sehen ist an diesem Ort, der neben Mauerelementen, Bäumen und Pflanzen noch kleine Holz- und Steinskulpturen umfasst, niemand. Nicht einmal Touristen verirren sich hierher. War es wirklich nötig, diese Fläche, die nur nach Voranmeldung in einer Gruppe von mindestens zehn Personen begehbar ist, zu erhalten?

Es ist gut, dass dieser Ort nun unter Denkmalschutz steht.
Klaus Lederer, Berliner Kultursenator

„Es ist gut, dass dieser Ort nun unter Denkmalschutz steht.“, sagt der Berliner Kultursenator Klaus Lederer diplomatisch. Tatsächlich ist es schön zu sehen, dass auch kleine Gedenkstätten geachtet werden, wo es doch selbst den bekannteren mitunter an den Kragen geht: Das beste Beispiel ist die East Side Gallery, die nicht nur unter Schmierereien leidet, sondern auch durch die Mediaspree-Bauten immer weiter durchlöchert wird.

© Max Müller

Allein, der Ort könnte leichter zugänglich gemacht und besser gepflegt sein. Der Yad-Vashem-Vergleich relativiert sich mit Blick auf die Hebräisch-sprachige Tafel, die, wie ihre Pendants aus aller Welt, den Eingangsbereich umgeben: Die israelische Flagge wurde von Vandalisten bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt. Würden diese Änderungen umgesetzt und zugleich die Popularität des Ortes erhöht, wäre das "Parlament der Bäume" nicht umsonst zum Denkmal avanciert.

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