Warum sexistische Werbung nervt und wir uns jetzt dagegen engagieren sollten
von Lisa Wiedemuth
Sex sells – darüber sind sich alle einig, egal ob wir nun, wie Astra so schön claimt, „Was dagegen?“ haben oder nicht. Klarer Fall: Wer mit nackter Haut wirbt, verkauft mehr. Kein Wunder also, dass wir tagtäglich mit überaus schönen und sicherlich fleißig retuschierten Körpern im Netz und auf der Straße konfrontiert werden. Während wir online getrost unseren Adblocker anschalten können, trifft Außenwerbung tatsächlich jeden. Bis zu 3000 Werbeflächen ziehen täglich an unserem Auge vorbei. Unvorstellbar? Es gibt noch etwas viel Unvorstellbareres: Sex doesn’t sell. Wie eine Studie 2015 herausfand, catchen die Werbebotschaften sicher unsere Aufmerksamkeit, aber das Produkt dahinter vergessen wir im nächsten Moment ganz schnell wieder. Das Unternehmen verfehlt also ganz klar seine Wirkung. Aber bei der Masse an Bildern und Botschaften, können wir nicht davon ausgehen, dass Werbung ganz und gar wirkungslos an uns vorbeifliegt.
Geht's noch oder gibt's noch?
Manche behaupten: Ist doch nur Werbung, spiegelt doch nur das wider, was wir insgeheim für wahr oder witzig halten. Dazu gehören eben auch Stereotype, einfache Rollenklischees, perfide Querverweise und Wortspiele. Wir können uns von davon mitnehmen lassen, lachen, abwinken, uns davon abgrenzen oder medienwirksam Bombing betreiben, aber reicht das?
In Friedrichshain existiert seit 2015 ein Verbot sexistischer und diskriminierender Werbung auf öffentlichen Werbeflächen. Eine Arbeitsgruppe aus der Bezirksverordnetenversammlung entwickelte einen Kriterienkatalog zur Erkennung von Stereotypen in der Werbung. Denn die Grenze zwischen Diskriminierung und Geschmacklosigkeit ist oftmals schmal und beweglich. „Unsere Kriterien können nicht in jedem Falle eindeutig angewendet werden. Aber es ist ein Versuch, der geholfen hat, eine Diskussion in Gang zu bringen!“, erklärt Sarah Jermutus, Vorsitzende des Ausschusses Frauen, Gleichstellung, Inklusion und Queer.
Die Grenze zwischen Diskriminierung und Geschmacklosigkeit ist oftmals schmal und beweglich.
Genau diese Diskussion versuche ich nun mit der Kampagne der Quartiermeister*in wieder neu zu entfachen. In den letzten Jahren hat sich trotz einzelner Vorstöße leider immer noch viel zu wenig verändert. Noch immer werden Frauen in der Werbung als zusammenhangslose Zierde zum Produkt oder Objekt der Begierde dargestellt. Während meiner Arbeit an dem Thema, braust mir meistens folgender Gegenwind zu. Erstens, es gibt Schlimmeres und keinen Menschen, der diese Bilder für voll nimmt. Und zweitens, politische Regulierungen sind grundsätzlich immer der falsche und freiheitsberaubende Weg.
Auf die erste Frage kann ich nur aus persönlicher Perspektive antworten. Seit 2014 arbeite ich bei der sozialen Biermarke Quartiermeister, jahrelang als einzige Frau. Schaue ich mir die Bierwerbungen der letzten Jahre an, dann habe ich das Gefühl, Hopfen und Malz sind wirklich verloren. Frauen werden dort zum großen Teil als Lust- oder Dekorationsobjekt zur Flasche präsentiert – als Ablagetisch (gern auch beim Sex), als Abholmagd, als Tatschscreen... ich könnte die Liste ewig weiterführen, aber hier lieber eine Anekdote aus dem Alltag. Auf unserem Stand beim Karneval der Kulturen in diesem Jahr wurde ich mit meinem Kollegen von einem jungen Mann folgendermaßen angesprochen: „Der Mann im Service, die Frau am Zapfhahn, bei euch läuft doch gehörig was falsch!“. Da war ich mir sicher, Ja, hier läuft gehörig was falsch. Stereotypen und Geschlechterklischees sind immernoch aktuell und Werbung trägt einen gehörigen Anteil daran.
Schaue ich mir die Bierwerbungen der letzten Jahre an, dann habe ich das Gefühl, Hopfen und Malz sind wirklich verloren.
Wir sind alle mündig, oder? Aber was ist mit Jugendlichen und Kindern?
Ich kann mich ewig darüber aufregen oder ich kann mich wehren! Beim Werberat zum Beispiel. Der ist nämlich der eigentliche Entscheidungsträger bei Diskriminierungsfällen. Geht ganz einfach: Beschwerde online stellen und das Gremium wird sich zeitnah mit der Werbung befassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mir Recht geben, ist verschwindend gering. Dass das „Selbstkontrollorgan“ etwas gegen die Werbung unternehmen wird, ist nahezu unmöglich. Die Sanktionen klingen so irrwitzig wie sie sind: Rügen. Werbeschaffende rügen öffentlich andere Werbeschaffende, die dann aufgrund der öffentlichen Empörung wahrscheinlich ihre Werbung einstellen. Kein Bußgeld, kein Verbot. Natürlich stellt sich nicht nur die Frage, wie neutral und unbefangen Menschen entscheiden, die selbst als Führungskräfte in der Branche bestens vernetzt sind und wie sie die Kulanz der Verbraucher*innen einschätzen. Das interne Konsument*innenleitbild geht von einem „durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher aus“. Ja, wir sind alle mündig, oder? Aber was ist mit Jugendlichen und Kindern?
Versteht mich nicht falsch! Ich habe nichts dagegen, wenn nackte Frauen für Unterwäsche werben. Natürlich würde ich mir eine Vielfalt der Körperbilder wünschen, aber mir ist selbst klar, dass ich das weder erwarten noch regulieren kann. Aber ich habe etwas dagegen, wenn nackte Frauenkörper für Produkte werben, die in keinem Zusammenhang zu ihrem Körper stehen. Wenn nackte Frauen als „Frischfleisch“ bezeichnet werden, um für Tierfutter zu werben. Wenn sie für Putzmittel gut genug sind, aber offensichtlich nicht in die Zielgruppe der Biertrinkenden gehören. Und solange der Werberat nicht selbst auf die Idee kommt, dagegen etwas zu unternehmen, unterstütze ich die Idee der politischen Regulierung.
Während wir online getrost unseren Adblocker anschalten können, trifft Außenwerbung tatsächlich jeden.
Vielleicht ist die ganze Diskussion bald gar kein Thema mehr. Zumindest in Berlin. Gerade hat sich die Initiative Berlin werbefrei gegründet, die nicht nur sexistische Werbung, sondern jegliche Werbung auf öffentlichen Flächen verbieten möchte. Der Gesetzesentwurf ist durch, nun werden Unterschriften gesammelt. Sollte es zu einem positiven Volksentscheid 2019 kommen, erscheint uns die Zahl der 3000 Werbeflächen einleuchtender. Genau in dem Moment wo sie einfach nicht mehr da sind! Vielleicht wird dann auch nicht mehr erwartet, dass ich als Frau maximal an einem Radler nuckele oder dafür da bin, das Bier aus dem Keller zu holen.