Bei der Berlin Film Society finden die besten nicht gezeigten Filme ein Zuhause

© Sara Herrlander | Berlin Film Society

Einfach mal machen. Das sagt sich so leicht. Wie kompliziert das ist, merkt man manchmal erst bei einem Abendessen, wenn nach zwei oder drei Gläsern Rotwein plötzlich die heimlichen Träume auf den Tisch kommen. Fast jeder im Freundeskreis hat einen Plan B, um die Flucht aus dem alltäglichen Hamsterrad-Alltag hinzubekommen und der Montag- bis Freitag-Arbeitswelt zu entkommen. Anne würde gerne ein eigenes Restaurant eröffnen, Lisa mit der Transsibirischen Eisenbahn abhauen und darüber ein Buch schreiben, Moritz will einen VW-Bus kaufen, ausbauen und eigentlich jeden Tag surfen. Aber was ist eigentlich, wenn man einfach mal macht? Wenn man die ganzen Gedanken, Ängste und Eltern zum Schweigen bringt und die Dinge einfach mal anfängt?

Genau das hat Berlin Film Society-Gründer Jack Howard gemacht. Jack und sein Team haben eine Community für Filmliebhaber aufgebaut, um all die Filme zu zeigen, die toll sind, aber es meistens eben nicht ins Kinoprogramm schaffen. Bei den Events der Berlin Film Society gibt es Filme, die beim Sundance Festival oder in Cannes für Wirbel gesorgt haben (wie der Horrorfilm “Raw”). Es gibt ganze Filmnächte, die sich um ein Thema drehen, wie die X Confessions-Filmnacht mit Erika Lust, bei der im Sisyphos mit Performances, Screenings und Diskussion Pornographie in der Filmwelt neu diskutiert und gedacht wurde. Gezeigt wird alles, was mit Filmkultur zu tun hat, so gibt es auch immer wieder vergessene Klassiker zu sehen, wie beispielsweise Stanley Kubricks Kalter Krieg-Satire “Dr. Strangelove”, der im September gezeigt wird. Ich habe Jack gefragt, wie es ist, seinen eigenen Filmtraum zu verwirklichen und was er bis jetzt dabei gelernt hat

Jack Howard

Wie bist du auf die Idee gekommen, die Berlin Film Society zu gründen?
Mir ist aufgefallen, dass in Deutschland eine große Lücke existiert zwischen tollen Filmen, die produziert werden und den Filmen, die es dann ins Kino schaffen. Das habe ich als Chance für uns gesehen, spannende, unbekannte Filme einem größeren und interessierten Publikum zu zeigen. Mir war es außerdem wichtig, Events zu veranstalten, die die unterschiedlichsten Menschen zusammen bringen. In Berlin bewegt sich jeder am Ende doch immer in seinem Kiez in einem ähnlichen Freundeskreis und die soziale Durchmischung ist nicht groß. Das wollte ich mit der Berlin Film Society aufbrechen. Wir wollen Räume schaffen, in denen man beim Reden über Filme Menschen kennenlernt, die einem sonst nicht über den Weg laufen würden.

Welchen Einfluss hat Berlin auf die Film Society, ihr tragt die Stadt ja im Namen? 
Anders als London, wo alles einfach sehr teuer ist, kann man in Berlin als Gründer oder Mensch mit Idee rumexperimentieren, weil es einen nicht sofort in den Ruin treibt. Ich habe außerdem das Gefühl, dass hier viele Leute wirklich offen für neues sind. Man liest ja immer über die wilden 20er Jahre in Berlin und die ganzen hedonistischen Zeiten, ich finde die spürt man heute noch.

Als wie progressiv empfindest Du die Berliner Film-Szene?
In den letzten Jahren hat sich da einiges getan! Mit WOLF und Il Kino in Neukölln oder dem Eiszeit in Kreuzberg gibt es jetzt wieder Programmkinos, um die sich kleine Filmliebhaber-Communitys bilden. Außerdem ist die Berlinale am Anfang des Jahres natürlich immer ein Event, dass den Filmhunger der Berliner am Anfang des Jahres zeigt. Als Programmmacher ist es unsere Aufgabe, den Schwung, den ein Festival wie die Berlinale bringt, über das Jahr mit interessanten Events weiter zu tragen.

Man liest ja immer über die wilden 20er Jahre in Berlin und die ganzen hedonistischen Zeiten, ich finde die spürt man heute noch.
Jack Howard
© Sara Herrlander | Berlin Film Society
© Sara Herrlander | Berlin Film Society

Wie entscheidet ihr, welcher Film ins Programm kommt?
Ehrlich gesagt, haben wir da kein Einheitsrezept. Natürlich beobachten wir, welche Filme international Aufmerksamkeit bekommen, aber uns geht es auch immer darum, ob ein Film zur Location und zum Kontext, in dem wir ihn zeigen, passt. Ich persönlich habe eine große Liebe für Dokumentarfilme, da bauen wir gerade, unterstützt durch die Bertha Foundation, das Programm auch weiter aus.

Was ist bisher die größte Herausforderung gewesen?
Wir sind leider nicht staatlich gefördert und bekommen keine Unterstützung, deshalb haben wir einfach immer chronisch sehr wenig Geld und sind darauf angewiesen, dass Leute aus Überzeugung für uns arbeiten oder für unser Berlin Film Journal schreiben. Wenn man mal ein Screening organisiert und merkt, was für ein Schneeballeffekt dahinter steckt, wenn man eine Location finden und Projektoren und Lautsprecher organisieren muss, kann das schon eine ganz schöne Herausforderung werden.

Welche Zukunft erträumst Du dir für die Berlin Film Society in der Stadt? 
Ich würde mir wünschen, dass wir Filme einkaufen und verleihen können und das wir ein Budget haben, um Filme zu fördern. Für Deutsche Filme gibt es da gute Möglichkeiten, aber für internationale Filmschaffende gibt es kaum Angebote in der Stadt. Ich träume davon, dass wir der nächsten Generation an Filmemachern, das Leben erleichtern und so nachhaltig die Berliner Filmszene stärker machen.

Zu guter letzt, hast du eigentlich einen heimlichen “guilty pleasure”-Film, den du immer wieder schaust?
Home Alone at Christmas, jedes Jahr immer wieder. “And keep the change, you filthy animal!” Dieser Film hat mir wahrscheinlich auch die wichtigste Lebensweisheit beigebracht: Streite dich niemals mit deiner Familie vor Weihnachten, sonst lassen sie dich ganz alleine zuhause.

Wir haben Berlins Punk-Lebensart angewandt und versuchen so frei und wild wie möglich zu bleiben, um keine dieser statischen Institutionen zu werden.
Jack Howard

Mit der Open Air Summer Film Series zeigt die Berlin Film Society in Kooperation mit den Berliner Union Film Studios den ganzen Sommer über interessante Filme, die ihr sonst noch nicht im Programmkino gesehen habt. Als nächstes gibt es am 11. August mit "Author: The JT LeRoy Story" einen wahnsinnigen Dokumentarfilm zu sehen, der auf dem Sundance Festival Premiere gefeiert hat.

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