Warum das Berghain-Klo einer der besten Orte der Welt ist

Ich hasse meine Mitmenschen nicht. Aber ich fühl mich besser, wenn keine da sind. Natürlich gibt es auch Ausnahmen.
In der Sauna zum Beispiel. Wenn der Aufguss kommt und mich mit seinen Schlieren aus dem Hades beleckt, macht es mir überhaupt nichts aus, zwischen all den nackten, speckigen Leibern zu sitzen. Links und rechts drängelt haarige Haut, der Schweiß vom Hintermann plätschert auf meinen Rücken – überhaupt kein Problem. Vermutlich weil der Aufguss so eine existentielle Erfahrung ist. Gemeinsam zu leiden verbindet. So ähnlich geht es mir eigentlich nur an einem einzigen anderen Ort: Auf den Berghain-Toiletten.

Es ist immer voll. Die Leute trinken Wasser, stehen quatschend beisammen, kaufen ein, konsumieren ihre Einkäufe in den Kabinen. Der eine oder die andere pullert vielleicht sogar mal. Die Wände sind beschlagen vom Dunst aus einer Milliarde von Poren. Und alle Anwesenden sind irgendwie nett zu mir.
Das ist schön, obwohl ich weiß, dass ich eigentlich bei ihnen durchfallen würde. Sie denken nur, ich sei cool, weil ich es irgendwie an den Türstehern vorbei geschafft habe. Das ist schließlich das Bequeme an der Einlasspolitik. Man muss die anderen nicht scannen. Das wurde schon vom Wachpersonal erledigt.

 

Wenn ich im Berghain bin, tanze ich von acht Stunden vielleicht eine.

Wenn ich im Berghain bin, tanze ich von acht Stunden vielleicht eine. Hin und wieder trifft man mich an der Theke. Natürlich ist es schön, wenn in der Panne-Bar die Jalousien aufgehen. Aber meistens kriege ich das nicht mit: Ich bin auf dem Klo. Denn dort kommt es sogar vor, dass die Doping-Verkäufer mich überschwänglich behandeln. Das ist mir bisher in keinem anderen Club passiert.
Neulich nahm mich einer mit in seine Kabine – überhaupt, diese Kabinen! Man ist nur durch eine hauchdünne Stahlplatte vom Inferno getrennt und doch ist es da drin so kommod und privat. Stundenlang könnte ich da sitzen. Einmal hab ich mich mit einer Lady die ganze Nacht eingesperrt. Sie war, wie ich, kein Kind von Traurigkeit. Wir haben geplaudert, ein bisschen geknutscht, und geschwitzt wie die Blöden. Himmlisch.

Jedenfalls bittet mich dieser junge Checker in sein Boudoir. Er ist vielleicht fünfundzwanzig, in seinen Augen ist Vollmond.
„Was willst’n?“, fragt er.
„Was hast’n?“, frag ich.
Er zeigt mir seine Auswahl und ich entscheide mich für das, was er auch genommen hat. Und dann geht er nicht. Sondern erzählt mir von seiner Freundin, hört gar nicht mehr auf. Laberflash. Sowas liebe ich. Normalerweise sind die Brüder immer dermaßen abgebrüht. Nur hier nicht. Wir befinden uns in internationalem Gewässer.

 

Ich bin auf dem Klo. Denn dort kommt es sogar vor, dass die Doping-Verkäufer mich überschwänglich behandeln.

Und wenn ich doch mal tanzen war und schweißtriefend zu den Waschbecken gehe, mir den eiskalten Strahl über Nacken und Handgelenke laufen lasse, wenn ich dann vollkommen derangiert bin, merke ich, dass hier wirklich alles egal ist. Weil so viele sich genauso benehmen. Wir sind wie die Wilden. Vollkommen meschugge. Entfesselt.

Manchmal blicke ich dann meinem Nebenmann in die Augen, rot geädert, als würde auch er gerade vom Aufguss kommen, und sehe die gleiche Erkenntnis: Wir sind der singende, tanzende Abschaum der Welt. Und das ist okay.
In solchen Momenten kann ich meine Mitmenschen beinahe leiden.

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