Vor dem Maxim Gorki Theater werden gerade Geflüchtete gefressen

© Ute Langkafel
Das ZPS sucht ab sofort verzweifelte Flüchtlinge, die bereit sind, sich öffentlich fressen zu lassen.

Eine schwarze, vergitterte Arena, darin vier Tiger und ein Mann in einem Imperator-Kostüm. Auf einem schwarzen Banner darüber: "Flüchtlinge fressen – Not und Spiele". Vor dem Maxim Gorki Theater in Mitte spielen sich etwas ungewohnte Szenen ab, die man eher in einem Film über das Römische Reich mit Brad Pitt in der Hauptrolle vermutet als 2016 in Berlin. Das, was sich hier abspielt, changiert irgendwo zwischen bitterem Ernst und zynischer Realitätsabbildung.

© Charlott Tornow
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Was soll die Aktion?

Die Aktion stammt von dem Zentrum für Politische Schönheit, die gern mit aufsehenerregenden Aktionen die Ecken von Politik und Geschichte beleuchtet, die sonst ganz gerne unbeleuchtet bleiben. In diesem Fall die EU-Richtlinie 2001/51/EG, die hohe Strafen für Fluggesellschaften vorsieht, die Flüchtlinge ohne geltendes EU-Visa transportieren. Sprich: Die Geflüchteten müssen mit dem Boot übers Mittelmeer, weil sie schlichtweg nicht fliegen dürfen. Gorki-Theaterkolumnistin Mely Kiyak kommentiert: "Nun ist es aber so. Kommen die Flüchtlinge mit dem Boot oder zu Fuß ohne gültige Aufenthaltspapiere an, wird niemand bestraft. Das lässt nur einen Schluss zu. Man spekuliert darauf, dass nicht alle ankommen, die sich auf den Weg machen."

Mit ihrer Aktion prangern die Künstler die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik an und stellen die EU und die Bundesregierung als moderne römische Imperatoren dar, die die Menschen auf der Flucht in einen unsinnigen Überlebenskampf zwingen.

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Warum sind in den Käfigen Tiger gefangen und was hat mit der EU-Richtlinine zu tun?

Die Arena vor dem Gorki ist nur ein Teil der Aktion. Das Zentrum behauptet auf seiner Website, einen Flug mit 100 syrischen Flüchtlingen von der Türkei nach Deutschland organisiert zu haben. Die Forderungen an die Bundesregierung: Der Bundestag soll das Aufenthaltsgesetz um § 63 Abs. 3 kürzen, damit am 28.06. die Passagiermaschine "Joachim 1" nach Berlin fliegen kann. Sollte die Regierung dies nicht tun oder keine Stellung dazu einnehmen, würde das Zentrum in der "Art eines römischen Imperators über Leben und Tod der ersten 100 Passagiere verfügen" und Geflüchtete an die Tiger verfüttern.

Wir bieten Menschen in ihrer Verzweiflung die Möglichkeit, für ein höheres Ziel zu sterben. Zu diesem Zweck haben wir in die Mitte Berlins eine Arena gebaut.
© Charlott Tornow
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Dürfen die das eigentlich?

Laut Tagesspiegel, sagte eine Sprecherin des Gorki-Theaters, dass das Theater vor dem Aufbau eine Sondererlaubnis vom Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks Mitte habe. Und auch sonst habe mal alle wichtigen Genehmigungen eingeholt, sagte man mir auf Nachfrage beim Infostand hinter der Arena.

Nichtsdestotrotz hat das Bezirksamt der Aktion am Dienstag die Erlaubnis entzogen, berichtet der rbb. Begründung: Im Antrag sei von einer Informationsveranstaltung zum Grundgesetz die Rede gewesen. Es handele sich aber um eine beabsichtigte politische Provokation. Seit wann sind Informationen nicht auch provokant?

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Wie lange geht das noch?

Das Zentrum denkt gar nicht daran, die Arena abzubauen. Noch bis zum 28. Juni ist diese daher täglich von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Jeden Abend wird weiterhin 18.45 Uhr vor dem Theater "Not und Spiele – Die Show" präsentiert. Ab 19.30 Uhr kann im Garten des Gorkis mit anderen Gästen über die Aktion diskutiert werden.

Wie hat die Politik bisher darauf reagiert?

Das Bundesinnenministerium hat sich, wohl wie vom Zentrum erwartet, kritisch zu der Aktion geäußert.

Es handelt sich um eine geschmacklose Inszenierung, die auf dem Rücken der Schutzbedürftigen ausgetragen werden soll.
© Charlott Tornow

Es gibt aber natürlich auch Unterstützer der Aktion. Die Schauspielerin May Skaf sagte, dass sie sich öffentlich fressen lassen würde, wenn der Bundestag den Paragraphen nicht streicht.

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Meinen die das ernst?

Nein, natürlich werden keine Menschen gefressen. Auch keine Tiger. Hier geht es um reine Provokation der Politik und ihrer Strukturen. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte André Leopold vom ZfPS:

Wir wollen nur das eine: Den Menschen für einen kleinen Augenblick den Appetit verderben.
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