Knutschen Berliner zu wenig?

© Robert Doisneau

Heute ist Welttag des Kusses. Natürlich wird da allerorts zu mehr Küssen und Knutschen aufgerufen – weil es so gesund ist und Spaß macht und überhaupt. Wenn ich mich so auf den Straßen Berlins umsehe, stelle ich allerdings ernüchtert fest: Hier knutscht fast keiner. Höchst selten sieht man sich innig küssende Paare, selbst in Clubs sind die an der Wand stehenden Zungenakrobaten fast gänzlich verschwunden. Zuletzt hörte ich sogar die Aussage, Knutschen sei langweilig.

Ist die öffentliche Knutscherei out?

Ernsthaft? Langweilig? Ich bin geneigt zu sagen, wer Küssen langweilig findet, hat noch keinen guten Kuss erlebt, denn da fällt selbst dem letzten Stoiker das Buch aus der Hand. Sind wir mit der Reizüberflutung schon so weit, dass ein fremdes Paar Lippen als alleinige Beschäftigung nicht mehr ausreicht? Ist das öffentliche Zuneigungsbekenntnis in Form einer kleinen Knutscherei gänzlich out geworden?

Zyniker würden vielleicht sagen: In Berlin knutscht man nicht lange herum, man kommt einfach gleich zur Sache. Spricht ja auch nichts dagegen und es passt durchaus zur Stadt, dem hohen Lebenstempo und den Berlinern, die heute hier und morgen schon wieder ganz woanders sind. Trotzdem glaube ich, dass öffentliches Knutschen in Zeiten wie diesen noch wichtiger ist als sonst: Als Zeichen für die Nähe zwischen Menschen, egal welches Geschlecht sie haben, wie alt sie sind oder woher sie kommen.

Knutschen als Protest mit der Zunge! Spucke als Kleber für die zerbröselnde Gesellschaft! 

Dabei ist es mir völlig egal, ob sich die Küssenden schon seit 30 Jahren oder erst seit 30 Minuten kennen, ob sie ein Leben lang oder nur die Nacht miteinander verbringen werden: Das Bild von küssenden Menschen ist eines, das mich glücklich macht – zumindest, solange ich nicht allzu genau hinschaue. Habt ihr mal die Unterseite einer Zunge gesehen? Nicht hübsch.

Jedenfalls. Nehmt den heutigen Tag zum Anlass, um mal wieder eine Runde Küsse zu verteilen. Knutschen als Protest mit der Zunge! Spucke als Kleber für die zerbröselnde Gesellschaft! Und wer noch Nachhilfe braucht, bitte sehr:

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