11 gute Vorsätze für Berlin 2017

© Matze Hielscher

Die Tage zwischen den Jahren sind der richtige Zeitpunkt, um unkontrolliert zu essen, zu trinken und sich eine Weile lang nur auf die schönen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Sie sind aber auch der richtige Zeitpunkt, um sich vom Sofa aufzuraffen, das Glitzerkonfetti aus den ungewaschenen Haaren zu schütteln und darüber nachzudenken, was wir gerne im kommenden Jahr verändern würden. Hier sind 11 gute Vorsätze für Berlin im Jahr 2017.

1. Gelebte Toleranz: Lasst das Meckern sein.

Berlin gefällt sich als tolerante und weltoffene Metropole, in der sich Menschen aus aller Welt zuhause fühlen. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: die Alteingesessenen meckern über die Neu-Berliner, die Westler über die Ostler, die deutschen Zugezogenen über die Zugezogenen aus Spanien, der Schweiz oder den USA und alle zusammen über die nervigen Touristen. Das neue Jahr ist ein prima Anlass, die Meckerei endlich sein zu lassen. Es ist an der Zeit, dass wir kapieren, dass, wenn wir Toleranz und Weltoffenheit propagieren, diese auch zeigen sollten - selbst gegenüber dem süddeutschen Ehepaar, das eine Viertelstunde braucht, um einen Fahrschein am BVG-Automaten zu lösen oder der englischen Reisegruppe, die den Radweg auf der Warschauer Brücke blockiert, um Fotos vom Berghain zu schießen.

2. Refugees raus aus den Turnhallen

Obwohl der Senat geplant hatte, bis Ende des Jahres sämtliche Turnhallen in Berlin räumen zu lassen und den dort gestrandeten Menschen eine bessere Wohnsituation zu ermöglichen, leben im Dezember 2017 noch gut 3000 Geflüchtete in zu Notunterkünften umfunktionierten Sporthallen. Ohne Privatsphäre, ohne die Möglichkeit zu kochen oder in Ruhe zu lernen und mittlerweile mit immer weniger Hoffnung, in dieser Stadt irgendwann ein menschenwürdiges Leben führen zu können. 2017 ist die Regierung in der Pflicht, ihr Wahlversprechen einzulösen und den Menschen endlich alternativen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dies gilt übrigens nicht nur für die Geflüchteten in den Turnhallen, sondern auch für die in den Hangars des Flughafen Tempelhof.

3. Mehr Liebe

Landläufig ist Berlin nicht als die Stadt der Liebe, sondern eher als die Hauptstadt der Ewigsingles bekannt. Wilde Knutschereien in der U-Bahn, öffentliche Heiratsanträge im Einkaufszentrum und Flugzeuge, die weiße Kerosinherzen in den Himmel malen – alles Fehlanzeige. Dabei gibt es auf der Welt nichts, das in dunklen Zeiten mehr für einen Lichtblick sorgen kann als ein bisschen zwischenmenschliche Zärtlichkeit. Also, ihr trostlosen Ritter*innen auf dem Tinder-Pfad, legt eure Smartphones beiseite und flirtet, was das Zeug hält, beim Bäcker, an der Ampel oder am Pfandautomaten. Haltet Händchen und reißt euch am hellichten Tag die Kleider vom Leib – eure Liebe wird allen ein leuchtendes Beispiel sein.

4. Denkt an die Nichtraucher

Berlin ist dreckig und unangepasst, die Kippe gehört dazu wie die Kotzelachen morgens in der U8. Wer es geschafft hat aufzuhören oder sich ohnehin nie für Raucherhusten und nikotingelbe Finger begeistern konnte, hat es hier schwer. Die meisten Bars sind so dicht verqualmt, dass von Passivrauchen keine Rede mehr sein kann, während man am nächsten Morgen überlegt, ob man den guten Mantel in die Reinigung geben oder lieber gleich wegschmeißen soll. Deshalb liebe Gastrotreibende: Denkt im neuen Jahr auch mal an die Nichtraucher – heißt sie willkommen und sorgt dafür, dass sie sich nicht wie uncoole Spießer fühlen.

5. Bessere Musik in der U-Bahn

Dass der Herrgott nicht jeden mit musikalischemTalent belohnt, der sich verzweifelt an einer ungestimmten Akkustikgitarre abmüht, bis seinen unfreiwilligen Zuhörern Tränen des Zorns in den Augen stehen, beweist immer wieder eine Fahrt mit der U1. Alle, die sich berufen fühlen, die Menschheit zu unterhalten, finden sich hier zusammen und sorgen dafür, dass die Mundwinkel der Pendler mit jedem Akkord noch weiter nach unten wandern, bis ein Lächeln der Erleichterung ihre müden Gesichter irgendwann für einen kurzen Moment erstrahlen lässt – und zwar genau in dem Moment, in dem der engagierte Musikant den Wagen wieder verlässt. Liebe Musiker auf der U1, wir wissen ihr meint es nicht absichtlich böse mit den Menschen, deshalb lernt bitte spielen, bevor ihr das nächste Mal eine U-Bahn besteigt.

6. Mietpreisbremse, wo bist du?

Die Wohnnungssuche in Berlin gleicht einem Höllenparcours. So mancher bleibt dabei auf der Strecke und zieht lieber nach Mariendorf oder Friedenau, anstatt sich mit 50 anderen Bewerbern um eine unsanierte Einraumwohnung in Neukölln zu prügeln. Hat man nach langem, harten Kampf tatsächlich eine Wohnung ergattert, darf man sich mit dubiosen Immobilienfirmen und Staffelmieten herumschlagen. Wohnen in Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg ist zu einem Luxus verkommen, für den schon mal die Hälfte des Gehalts draufgehen kann. Deshalb wünschen wir uns im neuen Jahr Vermieter mit Herz und eine funktionierende Mietpreisbremse, die sich nicht durch ein paar überflüssige Schönheitsreparaturen einfach aushebeln lässt.

7. Dealer-Etikette

Berlin braucht viele Sachen nicht. Eine neue Shoppingmall, zum Beispiel. Was die Stadt tatsächlich braucht: Nützliche Tipps, wie wir als verantwortungsvolle Bürger mit anderen Formen des Konsums besser umgehen können. Fliegende Händler und übermotivierte Straßenverkäufer bringen Anwohner und Passanten im Dunstkreis von Kotti, Görli oder Hasenheide immer wieder in die zwischenmenschliche Bredouille. Gute Manieren werden hier schnell falsch verstanden, wenn ein freundlich erwidertes Hallo schnell als „Ja, ich möchte Drogen kaufen!“ interpretiert wird. Berlin braucht eine Dealer-Etikette, damit endlich Schluss ist mit Verwirrung und Ignoranz. Missverständnisse würden sich zum Beispiel dadurch vermeiden lassen, dass Konsumenten und Käufer illegaler Substanzen leuchtende Pins (wahlweise mit einem Symbol der favorisierten Droge) gut sichtbar an ihrer Jacke befestigen, damit Dealer und Kunden endlich leichter zueinander finden. Alle anderen können derweil friedlich ihres Weges gehen.

8. W-lan für alle und überall

In vergangenen Jahr hat sich die Stadt redlich bemüht ihr öffentliches W-lan-Netz auszubauen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Städten, in denen man ohne Probleme im Park am Laptop arbeiten und dabei kostenfrei auf das Internet zugreifen kann, hat Berlin allerdings noch eine Menge aufzuholen. Erfreulicherweise ist die Zahl der U-Bahnhöfe mit Wifi-Hotspots in den letzten Monaten erheblich gestiegen. Hoffen wir, dass die S-Bahn im neuen Jahr nachziehen wird.

9. Mehr Radwege

In ganz Deutschland ist Berlin die Stadt mit der geringsten PKW-Dichte. Mit einem Ausbau der Radwege tat sich die Regierung bislang trozdem schwer und investierte lieber hunderte Millionen in den Ausbau der A100. Der neue Senat plant, die Situation zu verbessern, an allen Hauptstraßen mindestens zwei Meter breite Radstreifen einzurichten und Kreuzungen für Radfahrer sicherer zu machen. Wir träumen derweil immer noch von der Radbahn zwischen Warschauer Straße und Bahnhof Zoo.

10. Optimismus siegt

Die Nachrichtenlage hat uns im Jahr 2016 ordentlich die Laune versaut. Umso wichtiger ist es, sich zwei Dinge unmissverständlich klar zu machen. Erstens, dass früher nicht alles besser war, und zweitens, dass Pessimismus noch nie dabei geholfen hat, die Welt besser zu machen. Gerade in bedrohlichen Zeiten sollten wir rausgehen und das Leben feiern – auch wenn es sich manchmal anfühlt wie ein Tanz auf dem Vulkan. Welche Stadt könnte das besser verstehen als Berlin.

11. Sommer, bitte

Für alle untröstlichen Melancholiker mag ein stürmischer Juli oder ein verregneter August durchaus einen gewissen düsteren Charme versprühen, aber machen wir uns nichts vor: Die meisten von uns hat der Berliner Sommer in den letzten zwei Jahren bitter enttäuscht. Da weder die Politik noch wir selbst Einfluss auf das Wetter nehmen können, bleibt dieser Vorsatz ein frommer Wunsch und eine inständige Bitte gen Himmel, uns dieses mal nicht metereologisch im Regen stehen zu lassen. Nehmen wir uns Punkt 10 zu Herzen und freuen wir uns schon jetzt auf tagelange Open Airs, laue Abende am Landwehrkanal und darauf, die ganze Nacht vor dem Späti zu philosophieren und den billigen Schnapps dabei nicht aus dem Grund trinken, dass wir uns aufwärmen müssen, sondern weil wir uns aus freiem Stücken dafür entschieden haben.

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