Eine Chronologie der Ereignisse rund um Böhmermanns Erdogan-Schmähkritik

Es ist sein größter Coup seit dem gefälschten Mittelfinger von Yanis Varoufakis letztes Jahr: Jan Böhmermann hat sich für seine jüngste satirische Abhandlung den türkischen Staatschef Erdoğan ausgesucht und damit einen Sturm der Entrüstung losgetreten – nicht nur seitens des Politikers selbst, auch das ZDF als sein Arbeitgeber, das Auswärtige Amt und Angela Merkel sind mittlerweile an der Sache beteiligt. Aber der Reihe nach: Hier eine chronolgische Auflistung der Ereignisse in Sachen Erdogate. Wir updaten diese Liste. Zum aktuellen Stand einfach nach unten scrollen.

31. März 2016: In Reaktion auf den Satire-Song der NDR-Sendung extra3 mit dem Titel "Erdowie, Erdowo, Erdowahn", das seinerseits für eine Vorladung des deutschen Botschafters im türkischen Außenministerium gesorgt hatte, legt Böhmermann in seiner eigenen Sendung Neo Magazin Royal nach und verliest ein Gedicht mit dem Titel "Schmähkritik", in dem Erdoğan alles andere als gut wegkommt. Sein Ziel: Den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik aufzeigen.

(Update: Mittlerweile wurde das Video von Vimeo gelöscht, bei BILD findet es sich. Noch.)

1. April 2016: Es ist kein Aprilscherz, als das ZDF beschließt, den Beitrag aus der Sendung sowie deren Wiederholungen zu nehmen und Mitschnitte auf YouTube zu entfernen. Begründung: Die Parodie entspricht "nicht den Ansprüchen [...], die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt", teilt der Sender auf Twitter mit:

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Böhmermann reagierte darauf bei Facebook folgendermaßen:

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2. April 2016: In Bezugnahme auf türkische Medien berichtet der Tagesspiegel, dass das ZDF-Studio in Istanbul mit Eiern beworfen wurde. Die wütenden Werfer fordern eine öffentliche Entschuldigung.

3. April 2016: Angela Merkel telefoniert mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu, um über die politisch brisante Kraftausdruck-Kaskade von Problembär Böhmermann zu beraten.

Merhaba- Merhaba-

4. April 2016: In einer Bundespressekonferenz gibt Regierungssprecher Seibert bekannt, dass sich Angela Merkel von der Erdoğan-Parodie distanziert und den Inhalt des Gedichts als "bewusst verletzend" bewertet. Böhmermann postet unterdessen den Smiths-Song "The Boy with the Thorn in his Side" auf seiner Facebook-Seite.

6. April 2016: Die Staatsanwaltschaft in Mainz ermittelt gegen Böhmermann. So berichtet der Spiegel, dass "ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertreter ausländischer Staaten" aufgenommen wurde. Laut Strafgesetzbuch kann dies für Böhmermann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe enden.

Entschieden ist in dem Fall noch nichts, aber dass Jan Böhmermann tatsächlich mit einer Freiheitsstrafe rechnen muss, schätzen Experten für unwahrscheinlich ein. Eine saftige Geldstrafe scheint da schon realistischer. Und auch die türkische Justiz kann nicht einfach so den deutschen Satiriker verklagen – dazu muss erst die Bundesregierung die Ermächtigung erteilen. Es bleibt also spannend. Aber im Zweifelsfall hat Jan ja auch noch Polizei.

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Update 8. April 2016: Der heute stattfindenden Verleihung des Grimme-Preises im westfälischen Marl bleibt Böhmermann fern. Und ist trotzdem präsent: Er erhält einen Preis für die "Varoufake"-Satire um den griechischen Finanzminister und überraschend auch die "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschulverbandes. Als "Zeichen der Ermutigung", wie die Präsidentin des Verbandes verlauten ließ. Auf seiner Facebook-Seite kommentiert Böhmermann seine Abwesenheit so:

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10. April 2016:

Der Tagesspiegel berichtet, dass die Forderung nach Strafverfolgung aus der Türkei eingegangen ist. Die Bundesregierung will die eingegangene Verbalnote "sorgfältig prüfen".

Speaking of "sorgfältig": Der wöchentliche "Sanft und sorgfältig"-Podcast mit Olli Schulz bei Radio Eins entfällt diese Woche. Der Radiosender erklärt dazu auf seiner Website:

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11. April 2016:
Erdogan hat nun offiziell Strafantrag gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung gestellt. Der Spiegel berichtet, dass ein entsprechendes Schreiben bei der Staatsanwaltschaft Mainz am Montagabend eingegangen ist. 

12. April 2016: Nun, da die Bundesregierung die Forderung der Türkei nach strafrechtlicher Verfolgung prüft, stellt sich die Frage: Wie stehen Böhmermanns Chancen und was sind die rechtlichen Grundlagen? Der Spiegel gibt Überblick über relevante Paragraphen und Alexander Thiele vom Verfassungsblog geht sogar noch weiter: Er dekliniert den Fall Böhmermann exemplarisch durch und kommt zu dem Schluss, dass der Beitrag von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Am Nachmittag gibt das Neo Magazin Royale auf Facebook bekannt, dass die Sendung für Donnerstag aufgrund des Wirbels um Moderator Böhmermann nicht produziert wird:

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Nach Berichten der Welt hat die Polizei Köln bestätigt, dass Jan Böhmermann und seine Familie aufgrund von Bedrohungen aus der rechtsextremistischen türkischen Szene seit heute unter Polizeischutz stehen.

Unterdessen hat der Radiosender radiodeins für Sonntag einen Satire-Show-Talk mit dem Titel "Freiheit für Böhmermann!" im Tipi am Kanzleramt angekündigt, der danach auch im Radio zu hören sein wird.

13. April 2016: Das ZDF zeigt sich weiterhin solidarisch und postet auf Facebook dieses Bild:

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Immer mehr Prominente und öffentliche Personen solidarisieren sich mit Böhmermann: In einem offenen Brief in der aktuellen Ausgabe der ZEIT fordern unter anderem Klaas Heufer-Umlauf, Jan Josef Liefers, Katja Riemann und auch Yanis Varoufakis, dass die Debatte um das umstrittene Gedicht in den Feuilleton, nicht den Gerichtssaal gehöre.

14. April 2016: Was Jan Böhmermann tut? Nichts. Um 0 Uhr verstrich die Frist, bis zu der er die von Erdogans Anwalt geforderte Unterlassungserklärung hätte einreichen können. Hat er aber nicht – als Begründung gab seine Anwältin laut des Spiegel-Berichts an: "Es ist hierbei offensichtlich übersehen worden, dass das Gedicht nicht solitär verbreitet wurde, sondern in einer Gesamtdarstellung, über das, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht". Ein Gerichtsprozess wird dadurch nach Einschätzung der SZ wahrscheinlicher.

Erdogans Anwalt in dieser Sache, Michael-Hubertus von Sprenger, kommt allerdings im Interview im ZDF heute journal mit Klaus Kleber nicht gut weg: Von Sprenger windet sich 5 Minuten hilflos im Kreuzverhör mit dem schlagfertigen Kleber. Übrigens vertrat der Medien-Anwalt auch schon Holocaus-Leugner.

 

15. April 2016: Die Bundesregierung lässt das Strafverfahren gegen Böhmermann zu, das erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel heute in einer Pressekonferenz. Als Grundlage für diese Entscheidung nennt sie Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB). Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss demnach mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen Böhmermann sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.

16. April 2016: Böhmermann bekommt Rückendeckung von seinem Chef, dem ZDF-Intendanten Thomas Bellut. Dieser sagte dem Spiegel gegenüber, der Sender gehe mit ihm "durch alle rechtlichen Instanzen". Zuletzt war der Sender durch die Löschung der Sendung mit dem betrefflichen Skandal-Gedicht Böhmermanns in die Kritik geraten.

Und endlich meldet sich auch die Hauptperson selbst zu Wort: Böhmermann veröffentlich einen längeren Post auf Facebook und gibt darin eine Fernsehpause auf unbestimmte Zeit bekannt. Nach all der Aufregung ist dieser Schritt vor allem eins: Absolut verständlich. Viel Spaß und gute Erholdung beim Twerk&Travel in Nordkorea, Jan!

26.April 2016: Fast einen Monat nach Veröffentlichung des schicksalhaften Gedichts haben sich die Wogen ein wenig geglättet, aber ganz vom Tisch ist die Causa Böhmermann noch lange nicht:

Angela Merkel sagt Sorry: Nach ihrem "Okay" zur strafrechtlichen Verfolgung hat die Kanzlerin nun laut Spiegel-Bericht Fehler einräumt – wohlgemerkt aber nur im Bezug auf ihre Aussage, das Gedicht sei "bewusst verletzend". An der Richtigkeit ihrer Entscheidung hält sie nach wie vor fest.

Schulz und Böhermann sagen Ciao: Der seit drei Jahren jeden Sonntag ausgestrahlte Podcast "Sanft & Sorgfältig" von Olli Schulz und Jan Böhmermann wird eingestellt. Das gab radioeins-Chef Robert Skuppin am gestrigen Montag bekannt. Olli Schulz veröffentlichte dazu auf seiner Facebook-Seite einen gefühlvollen Abschiedpost, der so manch treuen Hörer zu Tränen gerührt haben dürfte:

Böhermann sagt Hello again: Böhmi is back! Nach der angekündigten Pause inklusive Twerk&Travel in Nordkorea wir das NEO Magazin Royale, nachdem die letzte Folge wegen #erdogate entfiel, am 12. Mai wieder auf Sendung gehen, das hat das ZDF gegenüber der FAZ bestätigt. Bleibt abzuwarten, wie Böhermann seine Rückkehr gestalten wird – mit viel Tam-Tam, gewohnt abgebrüht-ironisch oder gar mit einem Funken Reue? Wir werden sehen und stellen bis dahin schonmal das Popcorn kalt.

An dieser Stelle beenden wir die Chronologie. Aber wenn es spannende News in Sachen Böhermann gibt, findet ihr sie natürlich als reguläre Beiträge bei uns auf der Startseite.


Titelbild: © Vimeo, GIF © giphy, Merkel: swiss-lupe.blogspot.de, eigene Bearbeitung

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