11 Wege, wie ihr Menschen mit Depressionen wirklich unterstützen könnt
Weil in Deutschland rund 11% der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben an Depressionen oder einer depressiven Phase leiden und die Dunkelziffer noch viel höher ist, kommen hier 11 Wege, wie ihr jemandem besser verstehen könnt, der an Depressionen leidet, wie ihr selbst damit besser umgehen könnt und welche Dinge so gar nicht helfen – und welche umso mehr:
1. Ernstnehmen
In Deutschland sterben jährlich über 10.000 Menschen durch Suizid, das sind mehr als durch Verkehr, Drogen, Mord und AIDS zusammen. Depressionen sind dabei eine der häufigsten Ursachen. Diese Zahl allein sollte klarmachen: Depressionen sind keine schlechte Laune, denn deswegen würde sich niemand das Leben nehmen. Die Krankheit als solche anzuerkennen, mit all ihren Risiken und Begleiterscheinungen sowie den Heilungsmöglichkeiten ist der erste wichtige Schritt, sich Betroffenen respektvoll anzunähern.
2. Sich informieren
Weil sich Depressionen für jeden anders anfühlen und es für Nichtbetroffene kaum nachfühlbar ist, hilft es, sich zunächst über die medizinischen Entstehungsgründe zu informieren und persönliche Berichte zu lesen oder direkt nachzufragen. Je klarer die individuelle Depression beschrieben ist, desto leichter finden Außenstehende Anknüpfpunkte für ihre Unterstützung. Gute Informationen findet ihr zum Beispiel hier und hier. In Romanform erzählen Kathrin Weßling in "Drüberleben" und Jana Seelig in "Minusgefühle" ihre persönliche Geschichte.
3. Nachfragen
Zwischen Depressiven und ihrer Außenwelt klafft oft eine tiefe Kommunikationslücke: Betroffene schämen sich für ihre Krankheit mit all ihren unangenehmen Begleiterscheinungen und sind demnach gehemmt, davon zu erzählen oder sogar um Hilfe zu bitten. An dieser Stelle können Freunde und Familie große Unterstützung leisten, indem sie proaktiv, aber sensibel Nachfragen stellen. Was brauchst du gerade? Wie fühlt es sich an? Was müsste jetzt passieren, damit es dir besser geht?
4. Zuhören
Wo Nachfragen der erste wichtige Schritt ist, ist unvoreingenommenes, geduldiges Zuhören der nächste. Und zwar auch dann, wenn das, was der oder die Betroffene erzählt, alle Grenzen der Logik und eigenen Wahrnehmung sprengt – ihre Welt- und Selbstsicht ist nicht ausgedacht und kein Mittel zur Aufmerksamkeitsgewinnung, es fühlt sich wirklich so an. Das zu akzeptieren fällt schwer, aber wer ihre Perspektive stets verneint, stößt Depressive nur noch weiter in die Spirale aus Schuldgefühlen, weil sie die Dinge so "falsch" sehen, aber gleichzeitig nicht anders können.
5. Geduldig bleiben
Depressionen sind, Überraschung, kein Schnupfen der nach zehn Tagen vorbei ist, auch wenn sich die Anzahl der verbrauchten Taschentücher oft ähnelt. Die Fortschritte und Lernprozesse, die Depressive vollziehen, verlaufen mal schneller oder langsamer, es gibt Rückschläge, Höhenflüge und dazwischen viele, viele Wiederholungen und Gespräche, die sich inhaltlich ähneln. Genau an dieser Stelle ist Ausdauer und Geduld essentiell, denn auch wenn der belohnende, sichtbare Erfolg für Außenstehende erstmal ausbleibt, wird mit jeder neuen Auseinandersetzung die Depression ein wenig bewältigbarer.
6. Nicht verurteilen
Das erstickende Schamgefühl, das Depressionen mit sich bringen, ist eine lähmende Emotion, zugleich sind die Antennen für Verurteilung von außen besonders geschärft. Deshalb gilt es, jede Art von Verurteilung, Abwertung und Schuldzuweisung zu vermeiden, auch wenn man sich als Nichtbetroffener vollkommen im Recht und klaren Blickes dabei fühlt.
7. Kluge Lebensratschläge verkneifen
"Das Gegenteil von gut ist gut gemeint" sangen schon Kettcar und gut gemeinte Ratschläge sind mitunter das erste, was Depressive von ihrer Umwelt zu hören bekommen. Weil ihre Krankheit aber keinen rationalen Regeln folgt, sind die leider absolut wirkungslos. Sie sorgen eher noch für Distanz und Rückzug, weil es sich einigermaßen doof anfühlt, wenn dem eigenen komplexen Innenleben ein schlauer Kalenderspruch entgegengehalten wird in der Annahme, es würde schon helfen. Dinge wie "Lass dich mal nicht so hängen", "Ich war neulich auch traurig", "Pessimusmus hilft jetzt auch nicht weiter" oder "Du hast einfach zu viel Zeit zum Nachdenken" können ersatzlos aus dem Repertoire gestrichen werden.
8. Helfen, wo Hilfe gewünscht ist
Das Bedürfnis und Maß der konkreten, praktischen Hilfe, die sich der oder die Betroffene wünscht, ist genauso individuell verschieden, wie Depressionen selbst. Zu viel Bemutterung und Einmischung kann sich für Depressive schnell übergriffig und nach "Du bist allein nicht lebensfähig" anfühlen, an anderer Stelle wird vielleicht heimlich auf Unterstützung gehofft, aber die Hemmschwelle ist zu groß, um danach zu bitten. Auch hier gilt: Fragen hilft. Und wenn gar keine Hilfe gewünscht ist, sollte das genauso akzeptiert werden.
9. Mut machen und motivieren
Motivieren, motivieren, motivieren: Ohne konstante Ermutigung von außen ist es während einer Depression fast unmöglich, sich selbst davon zu überzeugen, dass man den Weg aus der Düsternis schaffen kann. Motivation kann übrigens auch heißen, den oder die Depressive mit kritischen Fragen dazu herauszufordern, die eigene Krankheit immer wieder neu zu reflektieren. Oder dabei zu ermutigen, doch nochmal einen anderen Therapeuten zu suchen, der besser zu einem passt. Oder dem oder der Betroffenen das obige, sehr großartige Video von Neil Hilborn zu schicken, der es geschafft hat, sich mit seiner Erkrankung und all ihren symptomatischen Auswüchsen anzufreunden (!).
10. Sich selbst nicht vergessen
So wichtig es ist, für den den oder die Depressive da zu sein, so wichtig ist es, sich dabei nicht selbst zu vergessen. Nicht nur, weil man geschwächt und ausgelaugt nicht mehr gut helfen kann, sondern auch, weil ein positives Beispiel an Selbstfürsorge im direkten Umfeld für Depressive ein guter Einfluss und Vorbild sein kann.
11. Die Klappe halten und fest in den Arm nehmen
Weil das manchmal mehr hilft, als alles andere zusammen. Punkt.