Berlingeschehen – Von dem Versuch den BVG-Ticketficker auszutricksen

Schienenersatzverkehr, Zugausfall, Fahrpreiserhöhung – die BVG kann schon nerven. Manche verschrobenen Menschen behaupten aber, als chronischer Schwarzfahrer hätte ich gar nicht das Recht, mich zu beschweren. Dabei zahle ich ja. Nur eben unregelmäßig. Neuerdings sogar sechzig Euro.

Letzte Woche war es wieder soweit: "Guten Tag, die Fahrausweise zur Kontrolle mal bitte."
"Ich werd wohl die nächste mit aussteigen", sag ich.
Der Ticketficker nickt kurz und schaut dann, ob er noch mehr Kopfprämien einstreichen kann. Ich lese weiter in meiner Zeitschrift. Plötzlich hält mir ein Skater-Typ aus dem Vierer gegenüber seine Fahrkarte hin.

"Meinst du wirklich?", frag ich.
"Klar, nimm schon." – "Na, gut."
Ungefähr zwanzig Fahrgäste beobachten nun, was ich tun werde. Als wir Osloer halten, kommt der Kontrollmann zu mir: "Können wir dann?"
"Ach, jetzt hab ich die Karte doch noch gefunden", sag ich und grinse ein bisschen.
"Die hat Ihnen irgendwer zugesteckt!"
"Ach was, keine Spur."
"Warum haben Sie dann gesagt, dass Sie mit aussteigen?"
"Das weiß ich doch jetzt nicht mehr."

Ich finde die Situation ziemlich albern. Andererseits soll er ruhig was tun für sein Geld.

"Das ist nicht Ihr Fahrschein!", schreit er.
"Fragen Sie doch die Leute. Hat hier jemand gesehen, dass ich ’n Ticket gekriegt hab?" – "Nein", sagt der Skater.
"Nein", sagt ein Mütterchen.
"Nein", rufen zwei zwölfjährige Drogenkuriere.
Die Adern am Kontrollatzen-Hals schwellen an: "Ist ja klar, dass hier alle zusammen halten!" "Brauchst du Hilfe?", werde ich von einigen Union-Ultras gefragt.
"Nein, nein. Nur eine fehlgeleitete Animosität."

Wir fahren derweil schon weiter, was blöd ist, weil ich Osloer umsteigen wollte.

"Sie kommen also nicht mit?"
Ich schüttle den Kopf.
"Tarek!", ruft er triumphierend nach seinem Kollegen. "Sagst du dem Fahrer nächste Station, dass er nicht weiter fahren soll! Dann müssen jetzt eben alle warten."
Ein Rentner lässt demonstrativ seine Zeitung sinken. "Wir sind hier doch nicht im Kindergarten. Lassen Sie den Jungen in Ruhe."
"Wissen Sie, dass... wegen Schwarzfahrern wie ihm... müssen ehrlich zahlende Fahrgäste wie Sie..." – "Ach, machen Sie sich nicht lächerlich."

Der Zug hält. Und fährt kurz darauf weiter. Tarek bleibt ratlos auf dem Bahnsteig zurück. Ein paar Passagiere beginnen zu lachen.

"Steig nicht aus!", ruft eine Gruppe von Teenagern, als ich mich zu einer der Türen bewege. Aber ich will schließlich nicht bis Wittenau fahren. Außerdem hat mein Freund die Bullen gerufen. Irgendjemand beginnt scherzhaft zu klatschen. Und steckt damit den ganzen Waggon an. Zum ersten Mal in meinem Leben wohne ich einer positiven, spontanen Massenbewegung bei und bin sogar ihr Auslöser.

Ich werfe noch einen Blick in die Runde, zwinkere dem Skater zu, der nun ohne Ticket weiter fahren muss. Dann lege ich mein Schicksal vertrauensvoll in die Hände der Wachtmeister. Sie sehen mürrisch aus. Da krieg ich bestimmt wieder Post vom Polizeipräsidenten.


Titelbild: © rbb-online

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