"Einfach mal eine Position einzunehmen, ist wichtiger denn je." – Johnny Häusler im Interview

© Charlott Tornow

Am Donnerstag ging die bisher größte re:publica zu Ende. 3 Tage Reden, Workshops und Talks unter dem Motto "Into the Wild" und den Themen Netzüberwachung, Verantwortung und Kontrolle. Gleich am 1. Tag sorgte David Hasselhoff mit seinem Auftritt für Aufregung: unnötige Ablenkung vom eigentlich Ansinnen der re:publica oder intelligenter PR-Coup? Ich treffe mich mit re:publica-Gründer Johnny Häusler am 2. Tag. Er ist trotz des ganzen Trubels auf der Konferenz relativ entspannt. Mit Zigarette in der Hand wartet er in der Sonne, bis ich ihn, noch während ich mit ihm telefoniere, endlich finde. Wir setzen uns fast am Ausgang unter die U-Bahn-Gleise, das ist noch einer der ruhigeren Plätze auf der re:publica. Wir reden über die Überwachung und Freiheit im Netz, Weltveränderer, natürlich David Hasselhoff – und Katzen.

re:publica 2014

Was ist dein Highlight bisher?

Johnny Häusler: Das ist immer ganz schwierig zu sagen. Ich habe den Eindruck, dass man Leuten unrecht tut, weil ganz viele Workshops und in den kleineren Sälen ganz viele spannende Sachen passieren, die ich leider immer erst hinterher mitkriege, so geht’s mir leider immer jedes Jahr. Und die Frage ist halt, wie man Highlights einordnet. Ich war gestern total zufrieden, dass mein Talk irgendwann vorbei war, weil das auch immer eine Aufregung ist. Und ich glaube, die Leute hatten auch Spaß. Dann hatten wir diesen ganzen Rummel um (David; Anm. d. Red.) Hasselhoff, dass sich plötzlich auch Medien für diese Themen interessieren. Ich war ja am Anfang superskeptisch – „Hasselhoff, was soll der denn auf der re:publica?“ –, aber im Nachhinein hab ich gedacht, dass das auch schon sinnvoll ist, weil dann halt Medien ankommen, die sich vorher dafür überhaupt nicht interessiert haben und über das Thema Freiheit im Internet und was das eigentlich bedeutet berichten. Ich fand das schon einen cleveren Schachzug von F-Secure, sich da so einen Promi an die Seite zu stellen. Und wie man gesehen hat, waren ja dann auch 3000 Leute da, wo du halt echt so denkst, am Ende wollen sie den doch alle sehen und sei es nur, um hinterher darüber lästern zu können.

Aber so ganz unproblematisch ist das doch nicht. Der Talk von Sascha Lobo, der ja wichtige Themen anspricht – und das ist ja auch das Motto der re:publica –, was geschieht mit unseren Medien, wie werden wir in unserer Freiheit eingegrenzt, gerät dann medial etwas in den Hintergrund, weil dann jemand wie Hasselhoff kommt. Du hast es gerade gesagt, du findest es eigentlich gut, weil sich dann vielleicht auch Mainstream-Medien für das Thema interessieren. Aber am Ende lesen doch alle nur wieder die eine Überschrift, nämlich, dass Hasselhoff da war. Wie siehst du das?

Nee, das ist zum Glück nicht so. Also, na klar machen die jetzt keine detaillierte Analyse der NSA-Überwachung, das ist schon klar. Aber da steht immerhin, auf welcher Art von Konferenz er war und warum er da war. Also, das hat er ja auch in den Interviews bei der Pressekonferenz immer wieder betont. Wobei man jetzt überhaupt nicht weiß, ob das Lippenbekenntnisse sind, wofür er Geld kriegt und als PR-Figur agiert, oder eben nicht. Mag ich aber nicht beurteilen. Aber es steht schon immer dabei: „Setzt sich ein für Menschenrechte und Freiheit im Internet“. Das dauert ja alles ewig, bis man die Themen durchkriegt und Sascha (Lobo; Anm. d. Red.) hat ja auch davon gesprochen, dass wir neue Narrative brauchen, also, wie kriegt man das eigentlich gut erzählt. Ich bin einfach davon überzeugt, und da hatte Sascha gestern auch recht, als er gesagt hat: Es geht nicht um das Internet, sondern es geht um die ganze Welt. Es geht nicht um die Überwachung im Internet, sondern es geht um die Überwachung der Welt. Das muss man sich eigentlich mal selber vor Augen führen: In dem Moment, wo du dich beobachtet fühlst, verhälst du dich anders. Und wenn sich die ganze Welt beobachtet fühlt, wird sich die ganze Welt verändern. Und ich glaube nicht zum Besseren. Und dagegen muss man kämpfen.

Du hattest die Frage gestern in deinem Talk gestellt: WTF is wrong with people?

Ich weiß es echt nicht. Ich finde, dass es so viele Ansätze gibt, wo ich mich wirklich frage, wie es eigentlich dazu gekommen ist. Also zum Beispiel auch der Begriff Gutmensch, bei dem ich nicht wirklich weiß, was damit gemeint ist. Also, die Leute, die immer versuchen, das Richtige zu machen und dabei aber total nerven und auch nicht immer das Richtige machen. Im Grunde genommen, dass das so ein Schimpfwort geworden ist. Und ich finde, dass sich sich so ein Zynismus breit macht. Wenn Leute auch nur versuchen, irgendwas an der Welt zu verbessern, dann steht man da eigentlich so ein bisschen zynisch und Nase rümpfend drüber – „Schwachmat“, „Gutmensch“, was es alles für Schimpfwörter gibt. Und nach wie vor finde ich diesen Zynismus total scheiße. Ich komme aus einer Punk-Rock-Generation und ich bin mit Musik aufgewachsen, die das durchaus ernst gemeint hat. Und wenn mir jemand erzählen will, dass das keine Auswirkungen hat, dann spinnt der, weil mich diese ganzen Bands beeinflusst haben, die haben mein Leben geprägt. Es gibt immer noch Dinge, die ich nicht für Geld tue, ich hab schon massiv Geld abgelehnt, ich schreibe auf Spreeblick nach wie vor keine bezahlten Artikel und und und. Es gibt einfach ein paar Grundprinzipien und natürlich, je älter man wird, gehst du immer mehr Kompromisse ein. Du hast einfach Verantwortung für die Familie und so weiter. Und du musst immer wieder abwägen, was okay ist und was nicht. Ich glaube, es gibt tatsächlich eine Menge Leute, die sich ernsthaft und aus Leidenschaft und mit bestem Gewissen Gedanken machen und ja, die Dinge verändern wollen, und dann da mit Zynismus drüber zu stehen und was von Gutmenschen zu reden, finde ich echt ekelhaft.

Über wen sprichst du da? Einzelne Menschen, die Medien, die Gesamtgesellschaft?

Ich glaube, das ist so eine Grundstimmung, so eine Grundhaltung. Man macht sich ja inzwischen schon lächerlich, wenn man für oder gegen etwas ist. Das Einfachste ist ja, wenn du dich überall so durchschlängelst und eigentlich gar nichts toll findest. Ich fand zum Beispiel bei der Eröffnung gestern, wenn sich jemand wie Björn Böhning, der der Chef der Senatskanzlei ist, hinstellt und als Mensch, der für die Politik dasteht, wenn der sagt, „Ich fordere sie auf und bitte sie, sich gegen die staatliche Überwachung im Internet zu wehren“, dann ist das, egal, ob er das ernst meint oder aus populistischen Gründen sagt, weil er auf der re:publica ist – dann ist das trotzdem eine Schlagzeile, dass sich auch mal eine Politik hinstellen und sagen kann, „auch wir glauben nicht, dass es richtig ist, wenn es staatliche Überwachung gibt“. Aber da passiert nichts, sondern es wird halt über Hasselhoff geschrieben. Aber sich einfach mal klar und deutlich auf eine Seite zu stellen und zu sagen, „passt auf Leute, den Scheiß mach ich nicht mit“ – weil, das funktioniert ja auch im Kleinen. Auch wenn wir zum Beispiel über das Thema Sexismus reden, kannst du auch in einer Stammtischrunde oder mit Kumpels mal sagen: „Alter, die Sprüche höre ich mir nicht mehr an, hab ich kein Bock drauf.“ Einfach mal eine Position einzunehmen, ist, glaube ich, wichtiger denn je. Dieses „war alles nicht so gemeint, hab dich mal nicht so“ – da kann ich nicht mehr drauf.

Also einfach kleine Schritte. Und da bist du dann sicher auch bei Sascha Lobo, der dann ebenso neue Begriffe einführen will und sagt, verwendet die bei Twitter, verwendet die bei Google und bei Facebook?

Also, ich finde die von ihm geforderte Radikalität kann man schon machen. Ob die der Sache weiterhilft, weiß ich noch nicht. Ich glaube, das ist, wie er ja auch selber festgestellt hat, ohne Politik nicht möglich und Politik ist einfach ein irrsinnig langsamer Prozess. Für Menschen wie Sascha, die gern auch mal was ausprobieren, ist Politik auch einfach irrsinnig anstrengend. Du brauchst drei Jahre, bevor sich da auch nur irgendwas ein kleines Bisschen bewegt. Finde ich auch frustrierend, weshalb ich auch zum Beispiel keine Politik mache. Aber ich bin natürlich froh, dass es andere Leute machen und andere Leute da irgendwie ein dickeres Fell haben als ich.

Ich will nochmal auf deine Rede zurückkommen. Du meintest, dass es auf der re:publica 350 Sessions gibt, 349 davon sind gut. Warum denkst du, dass deine Rede nicht gut ist?

(Lacht) Nein, nein. Das war ein doofer Witz. Ich wollte den eigentlich auch noch erklären, hab’s dann aber sein gelassen. Wenn man sowas sagt, dann kriegt man hinterher mindestens drei Mails von Leuten, die gedacht haben, ich meine sie. Und ich meinte natürlich gar keinen, ich hab das nur gesagt als doofen Witz, damit man denkt „Wieso denn?“.

Also, einfach nur, um die Leute herauszufordern?

Genau, um Verwirrung zu stiften. Ich finde, Verwirrung stiften müsste man viel mehr. Also, die Yes-Man machen das ja toll vor, was man so machen kann. Und so ein bisschen Sand ins Getriebe streuen und das gelingt mir nicht ansatzweise so wie den Yes-Man. Oder man geht den anderen Weg, wie Sascha total unzynisch da ranzugehen und Tacheles zu reden. Ich persönlich hab da immer so ein bisschen Probleme mit diesem „Ihr müsst“. Da finde ich immer ein bisschen schwierig, aber grundsätzlich, dass er das relativ witzfrei gehalten hat, hat schon einen guten Ansatz.

re:publica 2014

Was ist an Hunden besser als an Katzen?

(Lacht) Ich liebe Katzen ja auch. Ich war früher auch eher Katzentyp. Und zwar bin ich nicht so ein guter Erzieher. Das können meine Söhne bestätigen. Ich bin eigentlich nicht so scharf darauf, in Hierarchien zu leben, wo ich Leuten sage, was sie zu tun haben. Ich kann das auch nicht gut. Und deswegen war ich auch immer eher ein Katzenmensch, weil duHunde du erziehen musst und Katzen machen sowieso, was sie wollen. Das ist, warum Katzenmenschen Katzen so lieben. Gleichzeitig haben Katzen so eine gewisse Arroganz, die kümmern sich echt einen Dreck. Und Hunde können echte Freunde sein, Hunde können echt Kumpels sein und sind außerdem wahnsinnig witzig. Katzen können auch lustig sein, aber Hunde haben oft so eine unfreiwillige Art von Komik, die ich echt extrem schätze. Und wir hatten halt 15 Jahre lang einen Hund und obwohl der mir immer tierisch auf den Keks gegangen war, weil er immer so gekläfft hat, hab ich den doch echt richtig lieben gelernt und der war Teil der Familie, was so eine Katze, glaube ich, niemals wirklich wird. Aber ey, wir reden über Tiere. Alles Leben ist natürlich großartig und toll und lustig.

Wann bekommt Spreeblick ein Redesign?

Haha, gute Frage. Ich habe tätsächlich schon angefangen. Ich glaube, ich werde da einfach ein anderes Theme draufsetzen. Ich selber bin nicht gut genug, um wirklich ein eigenes Design zu machen. Ich kann auch nicht dafür bezahlen. Das Schlimme ist, ich hätte jetzt auch schon Schwierigkeiten dabei, ein Konzept zu schreiben. Ich glaube, ich werde das eher so als Kacheldesign machen, dass man so mehrere Sachen gleichzeitig sieht, weil ich auch selber nicht mehr so viel auf Spreeblick mache. Ich suche da noch ein bisschen. Eigentlich wollte ich es zu re:publica schon neu machen, aber das hab ich nicht geschafft.

Danke, Johnny!

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Über die Rede von Sascha Lobo hat sich auch Matze Gedanken gemacht.

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