"Berlin ist weit weg von tot." – Tech-Open-Air-Gründer Nikolas Woischnik über die Berliner Startup-Szene

© Charlott Tornow

Festival, Open Air und Technologie-Event in einem: Das Tech Open Air ist mit seinem interdisziplinären Konzept zwischen Talks, Podiumsdiskussionen, Unternehmensevents, Kunst-Installationen und Musik-Performances eine ganz neue Form der Konferenz – und heißt deshalb nicht umsonst "Unconference". Am 16. und 17. Juli trifft sich wieder die nationale und internationale Startup-Szene, um die gesellschaftlichen Transformationen durch Technik auszuloten. Wir haben vorher mit dem Gründer Nikolas Woischnik über den Wandel durch Technik und die Berliner Startup-Szene gesprochen.

Wie hoch ist dein eigener Nerdfaktor auf einer Skala von 1 bis 10?
Ach, ich würde sagen, was reine Technik angeht, eine 7. Ich bin wahrscheinlich ein größerer Foodnerd.

Woher kommt dein Interesse für Technik?
Das Interesse, was mit Startups zu machen, kam vor dem Tech Open Air noch, weil ich ja vorher bei Startups und mit Venture Capital gearbeitet habe. Das Interesse kam dann eher über Inhalte. Bei meinem ersten Job war ich viel unterwegs und hab viel im Ausland gearbeitet. Auf meinem Blog habe ich dann die ganzen Travel-Erlebnisse festgehalten. Das war wirklich früh, vor 10 Jahren. Und damals war es so, wenn man mehr über Bloggen wissen wollte, wie man bloggt und sich mehr mit der Bloggosphäre auseinander setzen wollte, dann kam man zwangsläufig an Tech-Blogs, weil es nicht viele andere Blogger gab und nicht wie heute 1000 Blogs für jeden Teilbereich unserer Gesellschaft. Und die meisten Blogs waren halt Startup- und Tech-Blogs und so bin ich wirklich an Technologie- und Startup-Leben gekommen.

Wenn du jemandem mit deinem Wissen richtig beeindrucken möchtest, was würdest du erzählen?
Dann würde ich wahrscheinlich mit irgendeinem Halbwissen daherkommen. Was mich wirklich interessiert, worüber auch nicht so viele Leute Bescheid wissen, ist das Thema Singulariät, Futurism und Transhumanisums. Das ist, glaube ich, immer eine ganz gute Story.

Was ist dein Lieblingstechblog?
Ich steuere kaum noch Blogs an, sondern lasse alles durch soziale Filter, Facebook, Twitter oder sogar E-Mails filtern. Ich lese das, was mich erreicht. Ich geh nicht mehr auf Blogs, um zu sehen, was es Neues gibt, sondern Inhalte werden in meinen Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder geteilt und was da an die Oberfläche kommt, das lese ich, und das sind dann ganz verschiedene Blogs. Ob das gut ist oder nicht, darüber kann man sicher lange diskutieren. Aber es ist eine neue Art, Inhalte aufzunehmen.

Das Wallstreet Journal meinte, dass das Tech Open Air ein „interessantes Experiment“ sei. Was ist am TOA interessant und was ein Experiment?

Ich glaube, das sind die gleichen Sachen. Also, die Sachen, die es interessant machen, sind auch die experimentellen. Die Bereiche, die uns unterscheiden, interessant machen und experimentell sind, sind zum einen die Interdisziplinarität. Wir sind zwar ein Technologie-Event, aber interdisziplinär, weil für uns Technologie der gemeinsame Nenner ist, der jeden Winkel der Gesellschaft tranformiert. Und wir wollen eine Plattform und einen Dialog zwischen den einzelnen Stakeholdern der Gesellschaft, die von Technologie beeinflusst werden, schaffen: die Musik, die Kunst, die Wissenschaft, aber auch die Politik, der Mittelstand, die Industrie. Technologie nimmt sich ja eine Industrie nach der nächsten und stellt sie auf den Kopf. Zum anderen wollen wir keine Marketing- oder Firmenpräsentationen. Das sind oft Informationen, die auch auf anderen Events formalig preisgegeben werden. Wir sagen immer: Sprecht am besten über etwas, was nicht googlebar ist.

Wie wollt ihr mit dem Tech Open Air die Startup-Szene zusammenbringen?
Es waren im letzten Jahr wirklich einige dabei, die haben Mitarbeiter, Mitgründer, Investoren und verschiedene andere Partner auf dem TOA kennengelernt. Es gibt ja ganz verschiedene Zielsetzungen, warum eine Firma ein Satellite-Event macht, zum Beispiel für den Recruiting-Bereich, um sich potenziellen Arbeitgebern zu öffnen, Kundenpflege zu machen oder auch intern für das Team ein tolles Event auf die Beine zu stellen.

Wann gibt es in Berlin eigentlich ein wirklich erfolgreiches Startup bzw. wann verdient die Berliner Startup-Szene endlich Geld?
Naja, verdienen tut sie schon Geld, aber profitabel Geld verdienen, das tun wenige. Also ein Datum kann ich dir nicht geben, aber die Szene ist auf einem guten Weg. Dass es halt länger dauert, als es sich die Medienlandschaft wünscht, das ist nun mal so im Technologiegeschäft. Wenn man sich das große Vorbild Amerika zu Augen führt, ist es nicht anders. Die großen, jetzt erfolgreichen und hochprofitablen Firmen wie Facebook und Google sind teilweise auch ohne Businessplan gestartet und haben zu Beginn viel Geld gelassen. Große, transformative Produkte, die sich weltweit bewährt haben, haben oftmals Jahre gebraucht, um profitabel zu wirtschaften. Deswegen sollte man der Berliner Startup-Szene ein bisschen Zeit geben, um zu gucken, ob auch solche Produkte aus Berlin hervorkommen. Und die Anzeichen sind gut.

Welche 3 Tipps würdest du Startups geben, um erfolgreich zu sein?
Tipp Nummer 1: Follow your heart. Man sollte wirklich das machen, was man aus Leidenschaft macht, denn selbst wenn es dann nicht erfolgreich sein sollte – denn die Chance, dass es nicht erfolgreich wird, ist ja sehr hoch, fast bei 70 bis 90% –, dann hat man sich zumindest im Falle des Falles mit Dingen beschäftigt, die einen auch persönlich weitergebracht haben.

Tipp Nummer 2: Sich sehr genau überlegen, mit wem man gründet. Es ist ein langer Prozess und emotionaler Rollercoaster und den möchte man mit den richtigen Leuten teilen. Und dann kann das einen auch Kraft, Unterstützung und Energie geben. Wenn das aber doch nicht die richtigen waren, dann macht das das Ganze noch komplizierter.

Tipp Nummer 3: All or nothing. Ich glaube, es ist wirklich wichtig, sich 100% auf eine Sache zu konzentrieren. Es gibt wenige Richard Bransons, die 10 Unternehmen gleichzeitig managen können und das auch erfolgreich. Man verzettelt sich einfach sehr leicht.

Was glaubst du denn, wie man innovativ ist und sich gleichzeitig an der Zielgruppe orientiert?
Man muss das Problem, das man lösen möchte, wirklich sehr genau verstehen. Einer der Gründe, warum viel Startups nicht funktionieren, ist, dass sie kein wirklich großes Problem lösen, dass sie eben nur von sich und ihren Problemen ausgehen. Dann muss man sich fragen, ob es wirklich genug Leute gibt, die das gleiche Problem haben und ob das Problem groß genug ist, dass Leute für die Lösung Geld ausgeben würden. Und innovativ sein, heißt, kreativ zu sein, kreativ zu denken und sich von vielem inspirieren zu lassen, neugierig zu sein und sich auf völlig andere Disziplinen und Menschen einzulassen, weil man nie weiß, wie eine Verknüpfung zustanden kommen könnte.

Du hast ja gesagt, dass die amerikanische Szene Vorreiter ist, was kann aber die amerikansiche Szene von der deutschen Startup-Szene lernen?
Internationalisierung. Deutsche Startups, gerade im E-Commerce-Bereich, sind sehr gut und sehr schnell bei der Internationalisierung, einfach auch aus der Not heraus. Wenn man in Deutschland erfolgreich ist, muss man sehr schnell in sehr viele, unterschiedliche Märkte gehen. Hier haben wir dutzende Sprachen und in Amerika nur eine, und diese ganze Komplexität ist etwas, dass deutsche Unternehmen einfach besser und in einem sehr frühen Stadium verstehen. Amerikanische Unternehmen sind da meistens nicht so effizient wie die deutschen.

Einige internationale Medien haben Berlin ja mittlerweile wieder als out erklärt. Was hälst du dagegen?
Ach, die sind halt auf der Suche nach der neuen Schlagzeile. So funktioniert Journalismus, das ist auch gut so und das mag ja auch ein Weckruf sein und sicherlich ist die Entwicklung hier ein bisschen langsamer, als sich das viele in der Szene erhofft haben – der berühmte Börsengang, von dem alle sprechen und den sich die Medien so erhoffen –, aber das ist alles weit weg von tot.

Tech Open Air – (c) Charlott Tornow

Tech Open Air
16. – 17.07.2014
Alte Teppichfabrik, Alt-Stralau 4, 10245 Berlin

16.07. Konferenz in der Teppichfabrik. Alle Sprecher findet ihr hier.
17.07. Satellite Events in ganz Berlin, die von vielen verschiedenen Firmen veranstaltet werden

Die letzten Tickets könnt ihr euch hier sichern.

Zurück zur Startseite