ARTVERGNÜGEN #11 - EIN NEW YORK SPECIAL

Zwischen dieser und der letzten Art Vergnügen-Ausgabe liegen meinerseits zwei Wochen Urlaub in New York. Währenddessen habe ich Berlin hinter mir gelassen und mich bereitwillig dem Big Apple hingegeben. Entsprechend gibt es heute keine lokalen Ausstellungstipps, sondern eine Auswahl meiner zahlreichen Best Of's besuchter Ausstellungen, neu entdeckter und schon lange verehrter Künstler in New York.

Tom Sachs bei Park Avenue Armory
Meiner städtischen Missorientierung verdanke ich den zufälligen Fund der Park Avenue Armory. 1861 wurde das mächtige Gebäude als militärisches Institut und Social Club der Nationalgarde unter Präsident Lincoln errichtet und in den letzten Jahren von den Architekten von Herzig & de Meuron renoviert. Auch ohne Ausstellung stockt mir beim Anblick der Atem. Die Innenverkleidung aus dunklem Holz, beleuchtet durch Kronleuchter, Teppichboden und ornamentale Deckenmalereien locken vollkommen auf die falsche Fährte: in der 5.000 Quadratmeter großen Drill Hall hat Künstler Tom Sachs eine Mars-Landschaft bzw.ein lunares Trainingslager errichtet. Mitte Mai launchte Sachs zeitgleich mit der Eröffnung des SPACE PROGRAM:MARS bei 032c NIKECraft, seine entsprechend inspirierte und anmutende Kollektion, für astronautische Hochleistung in klimatischen Extremsituationen; zu finden auch im etwas anderen Museumsshop in New York.
Dort flitzen die Assistenten in weißen Einteilern auf Rollschuhen und Skateboards an mir vorbei. Es wird geschweißt, gehämmert und indoktriniert. SPACE PROGRAM: MARS bereitet  auf die Eroberung außeridischer Umgebungen vor. Regelmäßig fliegt das Team ab Richtung Mars. Da auf dem Weg dorthin einiges schief gehen kann, findet ihr überlebensnotwendiges Lehrmaterial zum Space Camp hier und zur richtigen Kehrtechnik hier. Ein Abenteuerspielplatz.

Hier noch der Trailer.

Park Avenue Armory: 643 Park Avenue, New York, NY 10065, SPACE PROGRAMME:MARS bis 17. Juni 2012

Janet Cardiff/ George Bures Miller im MoMA PS1
Wer das Glück hat ein paar Sommertage in New York zu verbringen, verpasst zwar das MARS PROGRAM bekommt aber im August eine gute Alternative geboten. Janet Cardiff und ihr Langzeit-Companion George Bures Miller ziehen nämlich mit The Murder of Crows in die historischen Hallen. Für die treuen Art Vergnügen-Leser ist meine Cardiff Fanschaft seit der achten Ausgabe kein Geheimnis mehr. Und da die Installations-Künstlerin allgemein so omnipräsent scheint wie die grüne Cafe-Kette, lieferte sie uns natürlich auch den schönsten Soundtrack unseres New York-Trips. The Forty Part Motet, ihr aktuelles Projekt im MoMA PS1, ist eine räumlich-akustische Inszenierung für 40 Lautsprecher und ebenso viele Stimmen. Im Zentrum des Raumes, umringt von den Boxen, entfaltet sich die Kraft des Chors als befinde man sich im Zuschauerraum. Unmittelbar vor einem der Lautsprecher scheint man Teil des Chores zu werden. Wow.Wow.Wow.

Lara Favaretto: Just Knocked Out im MoMA PS1
Ventilatoren ausgesetzt, steht Konfetti nicht mehr für jecke Heiterkeit sondern die permanente Möglichkeit des Verlusts. Temporäre Monumente nennt Favaretto ihre Installationen. Das inhaltliche Konzept ist letztlich trauriger als der Anblick, der nämlich richtig Spaß macht. Man möchte sich einfach nur in das Konfettibett fallen lassen.

MoMA PS1: 22-25 Jackson Ave./46th Ave., Long Island City, NY 11101
Lara Favaretto noch bis 10.September 2012
The Forty Mortet Piece längerfristig


Cindy Sherman im MoMA
Keine Kür ohne Pflicht. Am Ende einer solchen Reise, wo links und rechts der Verlockungen verfallen wurde, findet man sich immer noch vor einer viel zu langen To Do-Liste. Aber das MoMA, so die Meinung aller, ist, und das kann ich nun bestätigen, ein Muss. Was soll ich sagen: in diesem Tempel findet man sie alle, und momentan sogar Cindy Sherman, Königin der Maskerade. Das Gute an Cindy Sherman ist ihr Status. Der nämlich kürt sie dazu, Ende des Jahres das Deutsche Guggenheim in die Schließung zu begleiten. Und noch besser ist, dass ich die Vielfalt und Kreativität Ihrer Fotografien zu Unrecht bei Weitem unterschätzt, sie stets auf die Clown Porträts und andere karnevalesk-grellen Maskeraden reduziert habe und nun eines besseren belehrt wurde. Sherman legt eine beeindruckende One-Woman-Show auf's Parkett. Ausgenommen einer Phase Ende der 80er, als sie sich als Subjekt aus ihren Fotografien zurückzog, ist Sherman sowohl Fotografin als auch Model. Genial ist ein starkes Wort, aber: ihre Wandelbarkeit, ihre Mission, diese Ausstellung sind nunmal genial. Nach drei Stunden MoMA-Marathon zwingt mich ihre historische Porträt-Serie erstmals in die Knie aka auf eine der schwarzen Ledercouchen, um jedes Detail zu scannen und gleichzeitig den imposanten Gesamteindruck wirken zu lassen. Ich verlasse die Ausstellung voll Hochachtung für diese Frau. Die Show in Berlin wird definitiv nicht so umfangreich wie diese, bisher größte übrigens, was aber nicht heißt, dass sie verpasst werden soll. Haltet die Augen auf.

MoMA: 11 West 53rd Street, New York, NY 10019
Cindy Sherman noch bis 11.Juni 2012

Stanya Khan im New Museum
"How can you hug if you don't have arms? It's every clam's conundrum. Or maybe it's not a problem at all. Maybe wanting is so spent, we're past yearning. So says the sea anemone, stuck eternally to a rock and sighing with relief: "Well, at least I don't have to worry about putting my foot in my mouth."

Allein schon wegen seiner Architektur aus gestapelten, scheinbar fluoreszierenden, weißen Boxen, war das New Museum für mich ein Muss. Und da man in New York keinen Aussichtspunkt auslassen sollte, beginnt die Tour auf dem Dach, mit fast 360 Grad Rundblick über Manhattan und darüber hinaus. In dem schmalen Treppenhaus stoße ich später auf die Illustrationen von Stanya Khan und denke stilistisch (simple Strichzeichnungen) und inhaltich (brillianter Sarkasmus) an David Shrigley. Das Video Happy Song for You iist allerdings noch ein wenig brut-/radikaler. Khan ist eine hervorragende Geschichtenerzählerin, unter Einsatz obskurer Fantasie-Charakteren und passgenauem Soundtrack. Erinnert ihr euch eigentlich noch an die Apfelspardose, bei der sich der Wurm das Geldstück holt? Solltet ihr bei Gelegenheit Khan's Video zu Gesicht bekommen, versteht ihr meinen Flashback. Bis es soweit ist findet ihr auf dieser Website einen Hinweis.

Nathalie Djurberg, The Parade: Nathalie Djurberg with Music by Hans Berg” im Studio 213/ New Museum
Nathalie Djurberg's Knetfiguren-Animationsfilme sind für sich schon wahre Albträume. Für die 360 Grad- Beklemmung hat die Schwedin nun erstmalig ihre Figuren vom Bildschirm in den Galerie-Raum geholt: eine Horde angriffslustiger Vögel bereiten ein Hitchcock'sches Setting für jene Geschichten, die uns das animialistische unserer eigenen Spezies vor Augen hält. Schaurig.

New Museum: 231 Bowery, New York, NY 10002
The Parade noch bis 26. August 2012, Stanya Kahn unbekannt

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