Warum vergeht die Zeit eigentlich so schnell?

Ich habe – wie wahrscheinlich jeder von uns – ein zwiespältiges Verhältnis zur Zeit. Manchmal scheint sie überhaupt nicht zu vergehen, besonders in Situationen, in denen ich warten muss. In sterilen Arztpraxen zum Beispiel oder bei ungeliebten Tätigkeiten, die wertvolle Zeit in Anspruch nehmen, die ich lieber mit Hobbys und anderen spaßigeren Dingen verbringen würden.

Meistens jedoch vergeht die Zeit wie im Flug. Im Arbeitsalltag ist das besonders verheerend, wenn ein eine Arbeitswoche plötzlich schon wieder vergangen ist und das Wochenende mit spannenden Dingen gefüllt werden will (überhaupt ist doch die Relation Arbeitswoche und Wochenende unfair!); gestern noch genoss ich die Sonne im Sommerurlaub, plötzlich muss ich schon wieder Weihnachtsgeschenke besorgen. Dagegen plätscherte meine Studienzeit in zäher Formvollendung nur so dahin, weil ich sie zwischen Vorlesungen und Seminaren mit Treffen und Plaudereien und Ausflügen und Quatsch füllen konnte. Ich hatte fast den ganzen Tag Zeit groß zu träumen. Von den vielen Möglichkeiten, die ich hatte und die sich mir boten.

Je älter wir werden, desto weniger Zeit verbleibt

macauly

Träumen ist unser Antrieb, es befeuert unsere Kreativität. Besser zu sein. Mehr zu erreichen, mehr zu sehen. Aber: „Mit der zunehmenden Zahl an Alternativen verschlechtert sich das Verhältnis der ‚realisierten‘ zu den ‚realisierbaren‘ Möglichkeiten“, schreiben die Autoren des spannenden Webspecials „Wie wir ticken“ der S.Z. Was sie meinen: Je mehr Möglichkeiten und – nicht unerheblich – je mehr monetäre Mittel man hat, um Träume zu verwirklichen (z.B. Reisen), desto größeren Druck verspüren wir, alle Möglichkeiten, Träume und Wünsche zu realisieren. Aber die Zeit fehlt natürlich und je älter wir werden, desto weniger Zeit verbleibt. Wir sind uns unserer Sterblichkeit bewusst und wollen die Zeit so sinnvoll und erlebnisreich wie möglich verbringen (wobei ich bei dem Gedanken an meine eigene Sterblichkeit, zunächst mal in akute Schockstarre falle und zu gar nichts mehr fähig. Womöglich etwas kontraproduktiv.).

Warum die Zeit schneller vergeht, je älter wir werden, erklärt auch das tolle Webprojekte von Maximilian Kleiner "Why time flies". Er erklärt das Vergehen der Zeit anhand einer 1897 aufgestellten Theorie des französischen Philosophen Paul Janet. Nach seiner Theorie entspricht eine Woche einem Viertel unseres Lebens, wenn wir einen Monat alt sind. Im Alter von einem Jahr, beträgt eine Woche bereits 1/50 unseres Lebens. Wenn wir 10 Jahre alt sind, entspricht ein Jahr bereits nur noch 20% unseres Lebens. Und wenn wir 50 Jahre alt sind, wird ein Jahr 1/50 unseres Lebens sein. Und so weiter.

Bildschirmfoto 2015-07-29 um 12.07.36
Bildschirmfoto 2015-07-29 um 12.04.54

Und was können wir jetzt dagegen tun? Eigentlich nichts, außer die alte Lebensratgeberweisheit zu befolgen und unser Leben in vollen Zügen zu genießen. Das heißt, nicht nur die schönen Momente, die wir mit Freunden, unserer Familie oder unserem Partner erleben, sondern auch diejenigen, die wir als nervig, unnötig, zeitraubend empfinden. Warten im Arztzimmer zum Beispiel oder Einkaufen im Supermarkt. Anstatt uns darauf zu fokussieren, dass die Wartezeit verschwendete Zeit ist, könnten wir immer ein Buch dabei tragen, uns Gedanken um unsere Zukunft machen, Pläne schmieden oder einfach Leute beobachten. Das Leben hält eigentlich immer Neues und Aufregendes bereit, man muss nur gewillt sein, es zu sehen und zu erleben. Auch wenn es nicht den Ansprüchen an ein Abenteuer erfüllt.


Titelfoto: © Sonja Langford/Unsplash
Gif: © giphy.com
Fotos: "Why time flies"

Zurück zur Startseite