Berlin für Olympia? Von wegen!

Umfragen sind ja immer so eine Sache. Sie sollen die Stimmung in der Bevölkerung zu einem bestimmten Thema aufzeigen, um Trends festzustellen, politisches Handeln voranzutreiben oder zu legitimieren. Das Problem dabei ist immer die Repräsentativität. Wie sollen ein paar Hundert Befragte die Stimmung in der gesamten Gesellschaft darstellen?

Genau deshalb habe ich auch ein großes Problem mit der Forsa-Umfrage zu den Olympischen Spielen, die gestern vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) veröffentlicht wurde (alle Zahlen gibt es hier). Darin heißt es, dass es 81% "der Berliner" und 82% "der Hamburger" generell begrüßen würden, "wenn wieder einmal Olympische Spiele in Deutschland stattfänden". Von "den Berlinern" sprechen sich 55% für eine Bewerbung ihrer Stadt und von "den Hamburgern" 64% für eine Bewerbung ihrer Stadt aus. Im Vergleich zu einer Umfrage im September letzten Jahres bedeute dies einen Anstieg von sieben bzw. elf Prozent.

0,04 Prozent der Berliner können sich eine Bewerbung Berlins um die Spiele vorstellen

Ganz schön positive Zahlen, denkt man an die Kritik an den Spielen und besonders den Gegenwind (Stichwort: Nolympia) in Berlin. Genau deshalb schreibe ich auch Berliner und Hamburger in Anführungszeichen, weil die Zahl der Befragten in beiden Städten jeweils bei 1.500 Menschen liegt. 1.500 Menschen sollen also die Stimmung in den beiden Städten widerspiegeln? Das sind genau 0,04 Prozent der Berliner bei einer Einwohnerzahl von 3.562.166. Und von diesen 0,04% interessieren sich laut Umfrage gerade mal nur 47% für die Berichterstattung über die Olympischen Spiele. Aus einem diffusen Gefühl heraus also finden Krethi und Plethi die Olympischen Spiele super, ohne sich überhaupt mal darüber informiert zu haben, was das für ihre Stadt und die Bürger bedeutet. Toll! Auf so einer "repräsentativen" Abstimmung fußt dann also politisches Handeln – und alle schreiben schön ab und bauschen die Umfrageergebnisse mehr auf, als sie es wert wären:

Den Vogel schießt dann aber noch folgender Umfragewert ab: Die Hälfte der Berliner Befragten glaube, dass ("unabhängig von der persönlichen Meinung des Befragten") die Mehrheit der Berliner für eine Bewerbung der Stadt um die Austragung der Olympischen Spiele ist. Mich würde ja mal interessieren, wie viele dieser 50%, also 750 Berliner, zu den 53% zählt, die kein Interesse an Hintergrundinformationen zu den Spielen haben.

Nun ja. Berlins Innen- und Sportsenator Frank Henkel freut sich jetzt natürlich riesig über diese wirklich aussagekräftigen Umfragewerte und ließ verlautbaren: "Der olympische Funke ist auf Berlin übergesprungen. Ich freue mich, dass die Begeisterung gewachsen ist." Nochmal zum Mitschreiben: Im September 2014 stimmten noch 705 Berliner für die Bewerbung Berlins für die Spiele, im Februar 2015 waren es schon 825. Von über 3.5 Millionen Berlinern. Der olympische Funke ist definitiv übergesprungen. Nicht.

Am 16. März verkündet der DOSB übrigens seine Empfehlung für den Austragungsort. Vor der Kandidatur soll es dann im September einen Bürgerentscheid in der bewerbenden Stadt geben, wie der RBB berichtet. Erst im Sommer 2017 wird dann der tatsächliche Ausrichter der Spiele 2024 bekanntgegeben.

Was ist mit Euch? Seid ihr für oder gegen die Olympischen Spiele in Berlin?


Nachtrag: Natürlich ist uns bewusst, dass das Stimmungsbild, das durch eine solche Umfrage gegeben wird, legitim ist, dennoch rechtfertigt es nicht die mediale Überhöhung, die gerade stattfindet. Besonders in Zeiten des Internets wäre eine Umfrage über dieses Medium (die Forsa-Umfrage fand größtenteils telefonisch statt) nicht nur zeitgemäßer, sondern könnte auch schneller eine viel größere Bevölkerungszahl erreichen und wäre schlussendlich aussagekräftiger.

Titelfoto: © Milena Zwerenz

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