Ich mag dich, Berlin

Ich mag es nicht, wenn Leute ihr Fahrrad mit in die U-Bahn bringen. Oder wenn sie so penetrant berlinern, dass sie unmöglich von hier sein können. Ich mag die Schlange im Bürgeramt nicht und den hysterischen Ton, wenn die nächste Nummer dran ist. Und warum, zum Teufel, ist der Berlin-Pass aus Pappe? Einmal das Bier drüber geschüttet und schon ist er hin. Ich mag Kiezfeste nicht und die Neubauten an der Bernauer Straße. Ich mag nicht, wenn jemand JUBI zum Kindl sagt. Und ich mag RS2 nicht oder 104 Punkt 6. Und Konnopke und Curry 36 und den Gemüsedöner daneben.

Ich kann Jogger nicht leiden. Und Touristen auf Segways. Oder wenn die BVG mich wegen irgendwas um Verständnis bittet. Ich mag's nicht, wenn Taxifahrer mich ungefragt voll quatschen. Oder behaupten, dass sie den Weg besser kennen als ich. Und ich mag Kuchenbasare in Prenzlberg nicht, oder dass Moabit ein In-Bezirk werden soll. Und wenn Türsteher sagen: „DER DA ist euer Freund? Dann endet der Abend hier heute für euch.“

Ich mag Spätis. Und den Slivovic-Aufguss in der Therme im Europa-Center. Ich mag Kräuter-Scharf-Salat alles. Ich mag's am 1. Mai mit Flip-Flops in Kreuzberg spazieren zu gehen. Ich mag Berghain und Pergamon. Ich mag die U8. Und ich mag dich.

Ich mag's nicht, wenn Hipster Sterni trinken, um mit dem Pöbel zu kokettieren. Oder wenn jemand stolz darauf ist, hier geboren zu sein. Ich mag die Helal-Läden nicht, die ihre Kurdenfeindlichkeit offen zur Schau stellen. Ich mag nicht, dass die Ausländerbehörde unauffindbar am Friedrich-Krause-Ufer versteckt ist. Euer Scheißladen wird fürs Helfen bezahlt, also helft auch und stellt verdammt nochmal Wegweiser auf – wenn möglich, in einer anderen Sprache als deutsch. Ich mag Musikanten in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht. Und ich mag Menschen nicht, die gern sagen: „Guten Tag, die Fahrausweise mal bitte.“

Ich mag den Berliner Winter. Und das Gefühl ihn wieder mal überstanden zu haben. Ich mag die Schweineohren beim Chinesen Müller Ecke Seestraße. Ich mag die Thais vom Fehrbelliner Platz, die sich mit ihren Garküchen an keinerlei Hygienevorschriften halten – obwohl das Hygieneamt direkt nebenan ist. Ich mag es, im Oberholz einen Menschen ohne Macbook zu sehen. Ich mag den Viktoriapark. Ich mag das Park Inn. Und ich mag dich.

Ich mag die gated communities nicht, die überall aus dem Boden schießen. Oder wenn jemand glaubt, der Simon-Dach-Kiez sei cool. Ich kann Berliner Pilsener nicht leiden. Und defekte Rolltreppen. Und ich mag die Musikstudenten nicht, die zur zweiten Hälfte umsonst in die Philharmonie dürfen und dann durch rhythmische Bewegungen zeigen müssen, wie sehr sie den Rachmaninov verinnerlicht haben. Geht arbeiten, ihr Penner!

© William Johnson

Ich mag Linden. Und Pappeln. Ich mag es, Sperrmüll und Pfand auf die Straße zu stellen. Ich mag den Schnapsgeruch, der sonntags früh aus den Kneipen wabert. Ich mag die Parkplatzsituation in der Urlaubszeit, wenn die Hälfte der Berliner bei ihren Eltern in Stuttgart und Tübingen sind. Ich mag das Feld in Tempelhof, UNSER FELD (Ich war nur dieses eine Mal wählen und hab gleich doppelt gewonnen: Die Bebauung wurde verhindert, und DIE PARTEI durfte ins Europaparlament ziehen). Ich mag es, vorm Reichstag zu trinken und am Potsdamer Platz. Und am Alex und Kotti und Schlesi und Teute. Ich mag es, Fremden den Weg zu erklären. Ich mag es, rauszufahren und wieder reinzukommen. Ich mag den verbrannten Rasen der Hasenheide. Ich mag die Hasen im Schillerpark. Ich mag dich. Ich mag dich. Und ich will nie mehr woanders leben.


Titelbild: © Leif Osthoff

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