Spielst du nur oder kommunizierst du so? – Fragen, die ich mir stelle, wenn er nicht schreibt

© Hella Wittenberg

In seiner Kolumne “Romeo und Julius” erzählt Autor Julius Geschichten von seiner Suche nach der Liebe in Berlin. Von schrägen Dates, gebrochenen und geheilten Herzen und der schimmernden Hoffnung, dass es den einen Romeo da draußen geben muss. Das ist Episode 6.

„Fass’ doch bitte noch mal für mich in einem kurzen Recap zusammen, was die Husky-Augen angeht.“, sagt meine Freundin Maxi, als wir auf der Terrasse meines Elternhauses in der bayrischen Heimat beim Riesling zusammensitzen. „Also“, atme ich langsam ein, um Luft für ein schnelles „Was bisher geschah“ zu holen. „Seit zwei Monaten date ich die Husky-Augen. Und ich mag sie wirklich gerne und ich mag den Typen, dem sie gehören, wirklich gerne“, starte ich. „Er ist schlau und groß und bodenständig und lässig und sowieso gut. Aber die Kommunikation mit ihm, die war über den letzten Monat, seit dem er auf Reisen ist, naja, nicht so gut, schwierig eigentlich. Nicht an den Tagen, an denen wir uns zwischen den einzelnen Trips gesehen haben, sondern in der Zeit, in der wir nur digital kommuniziert haben."

„Warum ist die schwierig? Schreibt ihr nicht?“, will Maxi wissen. „Doch, über Whatsapp, aber wir schreiben eben wenig. Beziehungsweise...“, korrigiere ich, „er antwortet wenig. Entweder macht er das super früh morgens oder sehr spät abends, und dann meldet er sich auch mal ein paar Tage nicht.“

„Und du könntest ihm wahrscheinlich alle 5 Minuten schreiben?“

„Ja. Wenn ich jemanden gut finde, dann kann ich fast durchgängig schreiben, vor allem, wenn man sich gerade kennenlernt.“ „Okay, das nervt.“, atmet Maxi durch. „Weil es noch so früh ist und wir uns noch zu wenig kennen.“, ergänze ich. „Ich kann ihn noch nicht wirklich einschätzen und weiß nicht, warum er nicht mehr schreibt. Ob er noch die Regeln befolgt und sich damit rar und interessant machen will oder ob er die Spannung und das Katz-und-Maus-Spiel noch braucht.“ Maxi streckt ihr Glas zum Anstoßen in meine Richtung, weil sie merkt, dass ich mich in Rage rede. „Dann erst mal auf uns!“, sagt sie ruhig und schaut mich schmunzelnd an. „Auf uns“, nicke ich und unsere Gläser klirren.

Die Ersatz-Akkus

Wenn es um Kommunikation geht, stehen Maxi und ich auf derselben Frequenz. Wir beide reden viel und gerne in Gilmore-Girls-Geschwindigkeit, wir erzählen mit Begeisterung Geschichten und wir beide brauchen dafür gute Sparringpartner. Ihren Sparringpartner hat Maxi vor einem Jahr in ihrem Freund gefunden und irgendwie scheint sie zwei Gläser später das Gefühl zu haben, das auch beweisen zu müssen. Während ich auf das unendliche schwarze Nichts meines iPhone-Screens starre, liest sie die letzten Nachrichten ihres Mannes vor. Für drei Tage Dockville wäre alles vorbereitet, sagt sie. Sein Smartphone sei voll aufgeladen und zwei Ersatz-Akkus befänden sich zusätzlich in seinem Carhartt-Backpack, schreibt er. Obendrauf gibt es überbelichtete Bilder, verwackelte Videos und betrunkene Anrufe als Kommunikationsversprechen. „Urgh“, denke ich und möchte mich vor lauter Zuckerguss am liebsten übergeben. Stattdessen frage ich sie, wie ihr Studium läuft, und als sie von ihren ersten Semestern erzählt, merke ich, dass mich ihre Cuteness weniger stört, ich bin vielmehr neidisch auf die gewollte Abhängigkeit, die sie als Pärchen genießen.

Um Mitternacht schaue ich Maxi etwas ratlos an. „Denkst du, das wird besser?“, frage ich beim Verabschieden an der Eingangstür. „Ich glaube, ihr seid einfach unterschiedliche Typen. Du schreibst gern und brauchst das. Er macht und braucht es weniger. Ob das besser wird, weiß ich nicht.“

SMS wie zu Zeiten von Nokia 3310

Mit Maxis Worten im Hinterkopf und einem Interview mit Robert Pattinson in Stephen Colberts Late-Night-Show im Blick halten mich in dieser Nacht zwei Fragen vom Einschlafen ab: Warum bringt eigentlich niemand männlichen Stars bei, dass sie ihr Sakko aufknöpfen müssen, bevor sie sich auf die Fernseh-Couches niederlassen? Und: "Spielst du nur oder kommunizierst du so?"

Vier Tage später sitze ich wieder im Zug von Aschaffenburg nach Berlin. Aus meinem trotzigen Genervtsein ist über die letzten Tage Unsicherheit geworden, denn unsere Kommunikation hat sich weiter minimalisiert. Sein Datenvolumen ist aufgebraucht und so schreiben wir jetzt nur noch SMS wie zu Zeiten von Nokia 3310. Das kann eigentlich einen gewissen Charme haben, aber seine Nachrichten haben immer einen „Hey, Julius“-Anfang und ein „Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht!“-Ende. Es sind Nachrichten, die man eher von älteren Menschen bekommt, die Brieffloskeln auch im digitalen Zeitalter nicht ablegen können. Nachrichten, auf die man nur in ihrer Gesamtheit eingehen kann und die keinen Schreibfluss oder Chat zu lassen. Genau diese Altherren-Konversation bombt eine ganze Reihe an Zweifeln los, die wie eine „Vielleicht“-Lawine auf meinen Fensterplatz hereinbricht. „Vielleicht ist er einfach weniger interessiert als ich“, zweifle ich. Vielleicht denkt er nicht an mich. Vielleicht kann er ganz ohne ein „Uns“. Vielleicht. Vielleicht.

Meine Exfreunde, die Streuner

„Du warst doch bestimmt schon auf der Vodafone-Seite und hast nachgeschaut, wie du ihm neues Datenvolumen schenken kannst, oder?“, fragt Vivien grinsend, als ich ihr am Tag darauf im Restaurant Dudu von meinem Dilemma erzähle. „Ganz so schlimm ist es nicht“, lache ich. „Naja, fast.“

„Aber Vivien“, frage ich sie schließlich. „Warum erwarte ich eigentlich immer das Schlimmste? Warum sehe ich nicht, dass er ja mit mir plant und dass er mich sehen möchte. Warum fokussiere ich mich nur auf das, was fehlt?“

„Na, wegen der Streuner. Die haben dich verunsichert.“, sagt sie abgeklärt und für eine Sekunde verstehe ich gar nicht, was sie meint. Bis mir in den Kopf schießt, dass meine Exfreunde die Streuner sind. „Da zog sich bisher schon ein roter Faden durch“, geht sie weiter. „Das stimmt wahrscheinlich“, denke ich und drehe meinen Kopf zur Seite. Ich habe ein Muster bei Männern, kein optisches, aber von ihrer Art her. Irgendwie habe ich in der Vergangenheit immer Typen gesucht oder einfach gefunden, die ich aufpäppeln konnte. Männer, die unglücklich in ihrem Job waren oder nicht geoutet, die weniger Stil hatten oder gar nicht wussten, wer sie sind. Und ich habe ihnen gerne gezeigt, was oder wer sie alles sein können. Ich habe das gerne gemacht und ich war dankbar, dass sie mit mir zusammen waren, weil die Streuner nicht wussten, wie gut sie aussahen und wie cool sie waren. Sie haben sich gefreut, wenn ich ihnen neue Dinge gezeigt habe und sie waren gerne bei mir. Bis zu dem Punkt, an dem sie keine Streuner mehr waren, sondern gut vermittelbar. Bis sie selbst wussten, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Dann habe ich sie zu sehr bemuttert und eingeengt, war zu viel da, habe zu viel geschrieben und sie waren nicht bereit für diese Abhängigkeit. Dann haben sie sich ein neues Zuhause gesucht, jetzt in der richtigen Jeans und mit einem Partner mit Sixpack, aber einem, der mehr Leine lassen wollte.

„Aber vielleicht brichst du das 'Schema Julius' jetzt.“, rückt Vivien meinen Kopf wieder gerade, als die Sushi-Platte vor uns gestellt wird. „Du meinst Schema Julius – lateinisch für einseitig?“

„Nein. Denk einfach mal nicht an die Vergangenheit und sabotier' die aktuelle Sache nicht. Und am wichtigsten: Achte darauf, dass es auch für dich okay ist. Du kannst diese Aufmerksamkeit, die du gibst, auch für dich einfordern.“

Ich will keine Teilnehmerurkunde mehr sein. Ich will, dass man mein Aufpäppeln mag und mich ebenso aufpäppelt und ich will, dass er mir schreiben möchte.

Als ich am Abend alleine auf dem Sofa liege, merke ich, dass mir schwindelig wird und ich bekomme Bauchkrämpfe. Die letzten Tage schlagen mir auf den Magen. Sie hat schon Recht, denke ich im Fiebertraum. Ich will keine Teilnehmerurkunde mehr sein. Ich will, dass man mein Aufpäppeln mag und mich ebenso aufpäppelt und ich will, dass er mir schreiben möchte. Erstmal reicht dafür ein kleiner SMS-Brief, in dem er mir gute Besserung wünscht, aber später – da möchte ich zwei Ersatz-Akkus.

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