11 Dinge, die ihr in Chemnitz immer machen könnt

Jan Kummer ist sowas wie der heimliche Bürgermeister von Chemnitz. Zu DDR-Zeiten spielte er in der Avantgarde-Band AG Geige, hat den beliebten Club Atomino gegründet und kennt die Stadt so gut wie kein zweiter. Uns zeigt er seine Lieblingsorte in Chemnitz und beweist, dass die Stadt doch nicht so langweilig ist, wie viele denken.

In Chemnitz wird ein sächsischer Dialekt gesprochen, der Einflüsse aus dem Vorerzgebirgischen aufweist. Dieser spezielle Zungenschlag wirkt auf Auswärtige abstoßend und furchterregend. Der Dialekt, eine sozialistische Vergangenheit als Karl-Marx-Stadt, sowie eine lange Industriemetropolen-Tradition werden von Auswärtigen meist als wenig sexy empfunden. Den internationalen Jetset, Event-Reisende und gut verdienende Menschen, z. B. aus Schwaben und Bayern, zieht es deshalb eher in andere Städte. Gentrifizierung ist hier tatsächlich noch ein Fremdwort. Bierbikes und Segways gibt es in Chemnitz nicht, Touristen sind nur selten anzutreffen.

Ich verreise nur sehr ungern, aber manchmal, wenn ich viel Zeit habe, schlüpfe ich in die Rolle eines Ortsfremden und erkunde meine Heimatstadt. Ich spare so Hotel und Reisekosten, reise dafür aber sehr bequem und unterhaltsam – und ich bin immer wieder schwer begeistert von Chemnitz. Hier meine persönlichen Ausflugstipps.

© Ernesto Uhlmann

1
Kaffee trinken im Jugendstilparadies

Mein Tag als Tourist beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück auf dem Kassberg. Das ist das angeblich weltgrößte, mindestens europagrößte, jedenfalls Deutschlands bedeutendstes Jugendstilviertel. Hier im Café „Emmas Onkel“ esse ich selbst gebackene Torten und Kuchen und trinke hervorragenden Kaffee. Ein Blick in die gleich nebenan befindliche Papeterie Haamit lohnt sich immer, nicht nur, wenn man exquisites Einwickelpapier für Emmas Kuchen benötigt.

2
Durch die Wildnis streifen

Immer noch innerhalb der Stadtgrenzen findet sich ein spektakulärer Urwald. Der Fuchsberg bietet die perfekte Kulisse für einen Westernfilm. Ruinen, Canyons, Wasserlöcher, Teufelsbrücken – alles vorhanden. Die Einheimischen nutzen das Areal wesentlich unspektakulärer: Sie gehen spazieren, sammeln Pilze und baden heimlich in den Steinbruchseen.

© Ernesto Uhlmann

3
Schnappschuss am Monsterkopf

Die Osterinsel in der Südsee ist bekannt wegen ihrer berühmten Steinköpfe. Chemnitz hat das Karl-Marx-Monument. Ein Foto vor dem riesigen Bronzekopf ist ein Muss für alle Besucher. Gerüchteweise vermag der Schädel, falls die Stadt in Not gerät, Feuer oder auch Geld zu speien.

4
Kunst schauen in der Galerie Borssenanger

Kunst zu kaufen oder wenigstens anzuschauen soll ja momentan schwer beliebt sein. Ich empfehle die wunderschöne Galerie Borssenanger. In der Räumlichkeit befand sich früher der Speisesaal der Hauptpost, danach einige Zeit der Club Atomino und nun kann man sich hier an guter, aktueller Kunst erfreuen. Die Toiletten dort sind übrigens auch einen Besuch wert. Unverändert vom Vormieter übernommen, sind sie ein buntes Kabinett der unkommerziellen Wandgestaltung. Graffitos, Aufkleber und Tags künden vom Stand des Nachtlebens vor über zehn Jahren.

© Ernesto Uhlmann

5
Auf dem Schlossteich mit dem Schwanentretboot fahren

Zum gepflegten Herumlungern laden die Wiesen rings um den Schlossteich ein. Wer will, kann sich einen großen Plastikschwan ausleihen und damit das Gewässer erkunden. Das Gondeln mit so einem Gefährt sieht sehr majestätisch aus und ich frage mich oft, warum Plastikschwäne nicht als Karosse für Elektroautos angeboten werden.

6
Im Chemnitzer Untergrund

Die Stadt sieht auch von unten ganz passabel aus. Die Felsendome ist ein uraltes Bergwerk, in dem Kalkstein abgebaut, Munition hergestellt und Bier gelagert wurde. Heute kann man hier heiraten, Höhlentauchen oder sich von einer, manchmal unfreiwillig komischen Licht- und Tonshow begeistern lassen. Von einem der Gewölbe führt übrigens eine hölzerne Klappe direkt hinter den Tresen, der über dem Bergwerk befindlichen Ausflugsgaststätte. Manchmal denke ich darüber nach, was ein findiger Wirt mit so einer praktischen Verbindung in die Unterwelt alles anstellen könnte.

© Ernesto Uhlmann

7
Im Kosmonautenzentrum den Orbit erkunden

Seit 1964 befindet sich auf dem Schlossberg das Kosmonautenzentrum. Generationen von Einwohnern haben sich hier per Blitzkurs zum Kosmonauten ausbilden lassen. Ein simulierter Flug in einem schön patinierten Raumschiff-Cockpit aus den 70er Jahren ist der Höhepunkt eines jeden Besuches. Angesichts dieser optimalen Bedingungen fragt man sich, wieso die internationale Raumfahrt nicht längst von Chemnitzern dominiert wird. Vielleicht liegt es daran, dass das Kosmonautenzentrum von Kindern betrieben wird. Ernst blickende Minderjährige in Erwachsenen-Uniformen sind übrigens auch bei der Parkeisenbahn tätig, die ganz in der Nähe ihre Runden dreht.

8
Softeis essen und Tiere streicheln bei Frollein Sommer

Bei Frollein Sommer kann man Softeis genießen, Limonade und Kaffee trinken. Das ist schön, aber nicht sonderlich spektakulär. Was dieses Straßencafé auszeichnet, ist ein bezauberndes Freiluftgehege für Kaninchen und Meerschweine. Gern sitze ich hier und schaue den freundlichen Tieren bei ihren sinnlosen Tätigkeiten zu.

© Ernesto Uhlmann

9
Die Halle für alle

Wenn der Chemnitzer seine Wohnung preisgünstig und originell einrichten möchte, führt eigentlich kein Weg an den SBS-Hallen vorbei. Ein Trödel-Paradies von enormer Größe. Eigentlich könnte ich hier den ganzen Tag beim Stöbern verbringen. Als unruhiger Tourist muss ich aber weiter, zum nächsten Highlight.

10
Filme schauen im Clubkino Siegmar

Plüschdrehsessel, Teppichbelag, goldene Vorhänge und Cocktailtische, das klingt nach einem schwülen Nachtclub. Hier befindet sich aber das Clubkino Siegmar. Dort, im gemütlich knarrenden Sessel für einen moderaten Preis, einen anspruchsvollen Film zu sehen gehört seit Jahrzehnten zur Chemnitzer Folklore. Im Dachgeschoss befindet sich nebenbei gesagt die Chemnitzer Filmwerkstatt, ein Hotspot der sächsischen Independent-Filmkultur.

© Ernesto Uhlmann

11
Ausgehen im Atomino

Einen ereignissreichen Tag beendet man gerne im Club Atomino. Der Laden befindet sich an zentralster Lage, im Keller des Kulturkaufhauses Tietz. Konzerte, Partys, Lesungen, Spiel und Sport, das Club-Programm ist charmant und vielfältig. Hier trifft man stets nette Menschen vor und hinter dem gewaltigen Bartresen. Wenn einem mal nicht nach Kommunikation zumute ist, konzentriert man sich auf die Ornament-Tapete und taucht ab in eine ideale atomare Welt.

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