MODEVERGNÜGEN #45 – Berlin, deine Modekinder #2: Auf dem Weihnachtsmarkt mit Kai von Starstyling
Starstyling, das mag in manchen Ohren erstmal wie eine zweitklassige Vorortsfriseurstube klingen. Nach meinem Treffen mit Kai Seifried weiß ich nun, warum das gar nicht so schlimm ist. Ich habe erfahren, dass er seinen Weihnachtsbaum nicht wie Harald Glööckler schmückt, warum Sarah Connor eigentlich 'ne ziemlich kesse Braut ist und was die asiatische Britney Spears mit Starstyling am Hut hat.
Dritter Advent. Schneematschregensuppe in der Alten Schönhauser Straße in Mitte. Ich warte vor dem Atelier und schiebe etwas nervös meinen Reißverschluss an der Jacke hoch und runter. Beim googeln fand ich düstere Bilder des Designerduos von Starstyling. Ernsthafte Interviews, in denen es um avantgardistische Schnitte und die Auseinandersetzung von Kunst und Mode in fast 10 Jahren Designergeschichte geht. Wird Kai sehr genervt sein, dass wir ihn am heiligen Sonntag zu einem Interview quälen und ihm dann auch noch vorschlagen, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen? Er wird schon Humor haben, denke ich, immerhin steht Starstyling für fröhliche Farbenpracht, Extravaganz und schillernde Kreationen. Pünktlich schreitet er von der Straße auf mich zu. Wir begrüßen uns herzlich. Er klingelt, es summt, wir stehen im beeindruckend bunten, aber verdächtig geordneten Atelier. Factoryathmosphäre knallt mir entgegen.
Hast du extra aufgeräumt?
Ne, das muss so sein sonst würden wir hier alle ersticken. Bei 10 Leuten sollte schon alles an seinem Platz sein, damit man vernünftig arbeiten kann. Wird eh immer enger – bald laufen wir geduckt hier durch.
Ich bekomme eine Führung durch die Räume. Vor uns trabt Jessica Nussbaum, Atelierhund und Namensgeberin für die AW11-12 Kollektion. Hier wird geplottet, da zugeschnitten, dort genäht und hier drüben gesiebdruckt - das ist das eigentliche Business aus dem ich komme. Kai zeigt mir geduldig die Ständer der Musterstücke und die Kollektionen der letzten Saison. Auf einem großen Arbeitstisch liegen tausend aneinandergereihte handbemalte Fransen in Regenbogenfarben. Er rümpft die Nase etwas bei den Silberfransen an einem Oberteil der aktuellen Kollektion namens „Egal“.
Magst du das nicht?
Mhh, naja ne, diese Dinger sind echt nicht so mein Ding, aber man muss ja zum Glück nicht alles selbst mögen oder?
Wer trägt das? (Ich deute auf ein bodenlanges schwarzes Cape mit Aufdruck)
Cape ist ein schwieriges Thema – mmh vielleicht die Leute, die nach Venedig fahren? Dracula?
Katja Schlegel huscht kurz an uns vorbei. Sie ist der kreative Designerkopf im Duo. Kai sieht sich eher als Kommunikationsperson, als Reisender, als „Boss“ der alles zusammenhält. Noch bevor ich zu der Frage komme, erzählt er mir die Geschichte des Namens „Starstyling“: "Damals rief der Großhändler an und meinte, wir bräuchten einen Namen. Wir aßen grad Starpizza. Katja hat derzeit noch Styling gemacht und so wurde super spontan Starstyling daraus. Das ist wirklich wahr. Am Anfang kamen die Leute auch immer in den Laden in der Rosenthaler und haben gefragt „Was kostet bei euch ein Haarschnitt“, weil sie dachten wir wären ein Friseur."
Tragen Stars Starstyling?
An einem verregneten Tag vor einigen Jahren kam eine kleine Frau in den Shop und fragte, ob es das Teil auch in XS gäbe – ich machte grad die Steuer mitten im Laden und mit unscharfen Augen blickte ich hoch und erkannte, dass es Björk war – sie antwortete allerdings nicht als ich fragte. Das war der Beginn von dem ersten Star-Styling. Sarah Connor war eine der angenehmsten Kundinnen – von wegen Antiwerbung – ich find die top, sie wusste, was sie will und suchte sich Sachen aus, die ihr sehr gut standen. Wir verkaufen am meisten nach Asien. Seit die Koreanische Britney Spears „Sohee“ der Band Wondergirls sich unseren Pulli gekauft hat ist das der absolute Renner.
Ich probiere einen weit schwingenden schwarzen Rock an und bin schlagartig verliebt, weil er wunderbar wippt und aus außergewöhnlichem Material ist. Ich tänzel damit durchs Atelier und ziehe mir obendrauf eine raumfahrerähnliche Kapuze mit den Starstyling-typischen schillernden Plättchen in Perlmutt und beschließe, so auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Das sei die meist verkaufte Kopfbedeckung. Kai findet’s gut, ich auch - wir machen uns auf den Weg zum Weihnachtsmarkt.
Gibt’s noch jemanden, an dem du Starstyling gern sehen würdest?
Nein, ich freue mich immer sehr, wenn Leute auf mich zukommen und sagen, wie glücklich sie mit einem Teil sind, was sie schon ewig besitzen und worauf sie immer wieder angesprochen werden. Das macht mich glücklich.
Während wir uns gerade mit der U8 verfahren fällt Kai auf, wie schwer mir das Wort Starstyling von den Lippen geht und ich gebe zu, dass ich finde, dass er nicht das ausdrückt, was eigentlich dahinter steckt – nämlich Klamotten mit Charakter und außergewöhnlichem Stil. Kai stimmt zu und fragt: "Aber drückt der Name dann nicht auch aus, dass wir Humor besitzen und uns nicht zu ernst nehmen?!“ Ich nicke.
Angekommen auf dem Weihnachtsmarkt frage ich Kai, ob er seinen Weihnachtsbaum gern mit Starstyling-Glitterelementen schmückt - ich bekomme einen halbstrengen Blick und die Antwort, dass nicht jeder Designer eine Harald Glööckler Attitüde hat. „Ich bin auch eigentlich nicht der größte Weihnachtsfan." Dann wirft er sich eine gebrannte Mandel ein und grinst.
Ihr seid eher verhalten, was euer Marketing angeht oder?
Ja, mit einem kommerzielleren Produkt hat man wahrscheinlich keine andere Wahl als intensiv, offensiv Werbung zu machen, weil die Konkurrenz so riesig ist - wir haben es bisher auch so geschafft aus der Menge zu stechen, weil wir eine spezielle Nische bedienen.
Was ist zur Fashionweek nächstes Jahr geplant? Wieder eine Show?
Jein, dieses Mal wird es ein Happening im Cookies geben – mit einer kleinen Show und ein paar Überraschungen wie Life-Customising und anderen tollen Sachen.
Kannst du schon was zur neuen Kollektion sagen?
In der AW13-14 Kollektion „Agropolis“ wird ein starkes Element größenveränderte Pailettenpirnts aus Metallic & Glitterfolie sein.
Danke fürs Interview Kai – es ging zwar fast mehr ums Glühwein trinken als um eure schöne Mode aber dafür weiß ich jetzt, dass du gern Dracula über den Dächern von Berlin spielen würdest und auch sonst eine coole Sau bist.
Fotos: Kristoffer Schwetje




