Von Disney in den Kreuzberger Hinterhof – Das Podcast-Label Viertausendhertz

© Matze Hielscher

Anfang des Jahres ist das Podcast-Label Viertausendhertz in Berlin online gegangen und produziert seitdem spannende und informative Audio-Shows. In meinem Lieblingspodcast "Durch die Gegend" läuft Christian Möller mit Musiker, Politikern und Medienmachern durch die Gegend. In "Nur ein Versuch" möchte Hendrik Effert lernen, im Traum zu fliegen. Die Shows sind sehr hochwertig, erzählerisch und teilweise sehr Hörbuchartig produziert.

Ich habe mich mit den Gründern Nicoals Semak und Marie Dippolt im Kreuzberger Büro getroffen. Die beiden haben Viertausendhertz zusammen mit Christian Conradi und Hendrik Effert gegründet. Mich hat interessiert, wie es drei leidenschaftliche Freelancer schaffen, sich zusammen zu raufen, welche Herausforderungen es dabei gibt und warum man eine Karriere im Konzern aufgibt, um ein Startup zu gründen. 

Was macht ihr ganz genau?
Nicolas: Wir versuchen, in Deutschland eine Form des erzählerischen Podcasts zu etablieren.

Was macht ihr ganz genau nicht?
Nicolas: Wir machen nicht einfach nur das Mikro an und labern los.

In Amerika vergeht kein Tag, ohne das Branchenmedien einen Beitrag über "The Rise of Podcasts" veröffentlichen. Obama lässt sich sogar in einem Podcast interviewen, Alec Baldwin hat eine eigene Show, alle größeren Medienhäuser machen ein eigenen Podcast. Wie würdet ihr die aktuelle Podcast-Landschaft in Deutschland im Vergleich beschreiben?
Nicolas: Wir stecken hier vergleichsweise noch in den Kinderschuhen, aber im letzten Jahr hat sich auch hier viel getan. Gerade weil amerikanische Podcast-Formate wie "Serial" auch hier bekannt sind. Und dadurch, dass die Podcast-App auf dem iPhone vorinstalliert ist, ist der Begriff "Podcast" immer allgegenwärtig. Es nimmt an Popularität auf jeden Fall zu.

© Matze Hielscher

Wie seid ihr zusammen gekommen?
Nicolas: Hendrik und ich sind schon lange in diesem Radiobüro mit vielen Freelancern. Wir haben in der großen Runde schon oft drüber gesprochen, ein Podcast-Label zu gründen und es über Crowdfunding zu versuchen. Das ist immer wieder im Sand verlaufen. Im letzten Sommer hatte ich so schlechte Laune, dass ich Christian und Hendrik noch mal angesprochen habe und ihnen gesagt habe, dass wir das entweder zusammen machen oder ich es eben allein mache. Plötzlich war alles klar und sie waren voll dabei. Wir haben dann einfach angefangen.

Wie ist Marie dazu gekommen?
Nicolas: Marie und ich kennen uns schon lange. Sie hatte ihren Vermarkterjob bei Disney gekündigt und wir haben uns darüber unterhalten, dass sie uns ja Tipps für die Monetarisierung unserer Firma geben könnte, da wir uns mit Vermarktung auch überhaupt nicht auskennen. Nach einem langen Telefonat fragte sie plötzlich, ob sie nicht mitgründen könne.

Wieso hast du dich gegen eine Karriere im Konzern und für eine kleine, geile Firma entschieden?
Marie: Ab einem gewissen Verdienst sind die meisten nicht mehr bereit, ihre Komfortzone zu verlassen. Für mich war es aber immer wichtig, neue Herausforderungen zu haben. Ich war bei Viacom und habe Nickelodeon aufgebaut, dann war ich bei N24 und als letztes bei Disney. Ich war immer auf der Vermarktungsseite vom Fernsehen. Ich habe mich gefragt, was als Nächstes kommen könnte. Für mich ist Viertausendhertz so spannend, weil es eine neue Mediengattung ist, die ich großartig finde und ich kann hier viel dazu lernen. Das ist mir wichtiger, als ein vermeintlich sichereres Einkommen.

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Christian, Henrik und du habt jahrelang als Freelancer gearbeitet, welche Reibungspunkte ergeben sich bei diesem Zusammenschluss von "Einzelkämpfern"?
Nicolas: Was wir immer wieder auffrischen müssen, ist, dass wir kritikfähig untereinander bleiben. Wir müssen uns hier alles sagen können und das darf nicht auf die persönliche Ebene gehen. So etwas kann schnell Reibung verursachen, aber das hat bisher sehr gut geklappt.

Marie: In jedem Medienunternehmen trifft Kreativität auf Wirtschaftlichkeit und da muss man schauen, wo die Kompromisse liegen. Da kommen immer zwei Welten zusammen. Aber im Gegensatz zu den großen Unternehmen, in denen ich vorher gearbeitet habe, können wir uns sehr schnell abstimmen, da wir eine kleine Firma sind.

Ihr seit jetzt 2 Monate am Start. Wie läuft es?
Marie: Wir wissen, dass wir von den Zahlen sehr erfolgreich sind und über dem Durchschnitt liegen.

Was bedeutet das konkret in Nutzerzahlen?
Nicolas: Da möchten wir nicht drüber sprechen. Das machen wir am Ende des Jahres. Vielleicht so viel: Wir sind mit unseren individuellen Podcast-Jobs, die jeder für sich gemacht hat, irgendwann an eine Reichweitengrenze gestoßen. Durch den Zusammenschluss und die Aufmerksamkeit der Presse erreichen wir jetzt 10 Mal so viele Hörer, bekommen mehr Feedback und haben loyale Hörer.

© Matze Hielscher

Es gibt ja oft den Moment, dass man aus einer großen Firma aussteigen will, weil man sich kreativ verwirklichen will. Dann merkt man aber, dass man viel Zeit für Administration drauf geht. Was würdet ihr sagen, wie viel Zeit geht in den kreativen Part und wie viel in Organisation?
Nicolas: Ich würde sagen, ich mache jetzt 70% meiner Zeit Sachen, die nichts mit Audio zu tun haben. Vorher war es genau andersrum. Ich empfinde das allerdings auch nicht als schlimm. Ich denke, dass wird sich auch bald ändern.

Marie: Was insgesamt sehr spannend ist, dass wir im Moment auf einem freien Feld sind und wahnsinnig viel ausprobieren und experimentieren können. Nicht nur inhaltlich, sondern auch wie wir arbeiten und wie wir uns strukturieren. Im Grunde ist das ja auch eine gestalterische Arbeit.

Vielen Dank.

© Matze Hielscher

Hier findet ihr alle Shows von Viertausenhertz.

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