Artvergnügen – Unsere 11 Kunsttipps für den März 2020

© Wiebke Jann

Am 8. März wird erneut das Schaffen und Sein von Frauen geehrt. Und weil weiterhin auch in der Kunstwelt Geschlechterungleichheit herrscht– damit meine ich: von ausgewogenem Mitspracherecht, Sichtbarkeit und Wertschätzung ist man hier weit entfernt – widmen sich einige aktuelle Ausstellungen mal mehr und mal weniger explizit den Frauen in der Kunst. Zur Vorbereitung empfehle ich übrigens einen Besuch auf der Website der Guerilla Girls. Die halten den Finger schon recht lang und laut in die Wunde, also auf die Realität.

1. Xenia Hausner im PalaisPopulaire

Die Österreicherin Xenia Hausner ist eigentlich Bühnenbildnerin. Das passt fachlich zur Ausstellung, die gemeinsam mit der Staatsoper realisiert wird. Das erklärt aber auch ihre einzigartige Bildsprache: Hausners Gemälde sind intim und direkt, aber auch offen. Man merkt, dass man in eine Situation gefallen ist. Starke Frauen schauen einem in die Augen, kuschelnde Paare vergessen das Drumherum. Was geht hier vor? Wir wissen es nicht. Ihre odd shapes, Gemälde die nicht vom quadratischen oder rechteckigen Rahmen gefasst werden, verstärken zusätzlich den Eindruck, dass wir nur zufällige Voyeurist*innen sind.

PalaisPopulaire | Unter den Linden 5, 10117 Berlin | Bis 2. März |
Täglich außer Dienstag: 11–18 Uhr, Donnerstag: 11–21 Uhr | Eintritt 9 Euro, ermäßigt 6 Euro | Mehr Infos

Xenia Hausner, Fliehkräfte, 2018 © Xenia Hausner/ Courtesy Private Collection.

2. Kampf um Sichtbarkeit in der Alten Nationalgalerie

Gender Pay Gap, Gender Show Gap. Der Tagesspiegel Kunstnewsletter bringt damit die Situation von Frauen im Kunstmarkt knackig auf den Punkt. Die Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit“ lenkt das Licht auf jene Frauen, die es vor 100 Jahren entgegen aller Widerstände in der Kunstwelt an die Öffentlichkeit schafften – zur Mitte des Jahrhunderts verschärften sich die Restriktionen allerdings wieder. Zum Ende der bedeutenden Show in der Alten Nationalgalerie organisieren am Weltfrauentag verschiedene Künstlerinnenorganisationen, darunter das Frauenmuseum Berlin, eine Kundgebung vor dem Haus. Ihr Titel: Fair share. Kann das denn so schwer sein?

Alte Nationalgalerie | Bodestraße 1-3, 10178 Berlin | Bis 8. März | Freitag – Mittwoch: 10–18 Uhr, Donnerstag: 10–20 Uhr, montags geschlossen | Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro | Fair share am 8. März: 14–16 Uhr | Mehr Infos

Sabine Lepsius, Selbstbildnis, Detail, 1885 © Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders

3. A Year without the Southern Sun in der Galerie XC.HuA

Ich sehe ungern schwarz, aber: Die Zukunft der Menschheit steht in Frage. Das zahlt die Natur dem Menschen derzeit mit voller Gewalt zurück. Das tat sie auch 1816. In Folge eines Vulkanausbruchs im heutigen Indonesien entstand eine Staubwolke, die die Sonne vollständig verdeckte. Die Folge waren ungewohnt kühle Temperaturen im Sommer, und das global. Auf jenes Event bezieht sich die Ausstellung „A Year without the Southern Sun“. Werke nordamerikanischer Post-War-Künstler*innen, die sich mit dem Zusammenhang von Dekolonialisierung und Klimaerwärmung befassen, wurden zusammengebracht. Darunter findet man unter anderem dokumentarische Bilder von "Wheatfield“ der Künstlerin Agnes Dennes. In den 80ern errichtete sie einen Block von der Wall Street entfernt ein Getreidefeld und adressierte damit Themen von Immigration, Missmanagement und Hungersnot. Auch zu sehen sind Arbeiten von Interventionskünstler Gordon Matta-Clark und Trevor Paglen, der immer wieder staatliche Überwachungs- und Kontrollmechanismen ans Licht bringt.

Galerie XC.HuA |Potsdamer Straße 81B, 10785 Berlin | Bis 4. April | Dienstag –Samstag: 12–18 Uhr | Mehr Info

Mathieu Kleyebe Abonnenc, Le veilleur de nuit, pour Wilson Harris, 2018 ©XC.HuA

4. Zhou Tao bei Times Art Center

Zhou Tao bringt in seinen Fotos und Videos zwei scheinbar widersprüchliche Themen zusammen: Sci-Fi und Shanshui, was auf Deutsch Landschaft bedeutet. Sci-Fi, so Tao, sei aber längst keine Fiktion mehr. Durch das Handeln der Menschen ist sie wahr geworden. Jenen Eingriff zeigt Taos zweijährige Dokumentation der Gobi-Wüste. In diesem 1,6 Millionen Quadratmeter umfassenden Trockengebiet, in der die Temperaturen zwischen Minus und Plus 40 Grad schwanken, zeigt sich die Obsession des Menschen, sich selbst extremste Regionen anzueignen.

Times Art Center | Brunnenstraße 9, 10119 Berlin | Bis 3. Mai | Dienstag – Samstag: 11–18Uhr | Mehr Info

Zhou Tao, Winter North Summer South No. 14, 2019 © Zhou Tao

5. Hassan Sharif im KW

„Kunst wird wichtig, indem sie uns unsere tatsächliche Umwelt bewusst macht.“ Seinem Credo folgend öffnet Hassan Sharif seine Kunst der Öffentlichkeit – durch die Wahl vermeintlich banaler Materialien, der barrierefreien Zurschaustellung sowie ihrer Perspektive. Während seines Studiums in London erlernte er nicht nur die englische Sprache, er wurde zudem vom Dadaismus und Surrealismus, von Duchamp, John Cage und vom Fluxus inspiriert. Sein Ansatz war für Künstler*innen seiner Generation im arabischen Raum ungewöhnlich. Geleitet wurde er von einer empfundenen Pflicht, seine Stimme zu gesellschaftspolitischen Themen des Emirat Schardscha zu erheben. Dadurch beeinflusste er maßgeblich folgende Generationen.

KW Institute for Contemporary Art | Auguststraße 69, 10117 Berlin | Bis 3. Mai | Mittwoch – Montag: 11–19 Uhr, Donnerstag: 11–21 Uhr | Eintritt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro | Mehr Info

Hassan Sharif, Slippers and Wire, 2020. Ausstellungsansicht KW © Institute for Contemporary Art

6. Christa Joo Hyun D’Angelo, Zohar Fraiman, Bianca Kennedy in der Galerie Russi Klenner

Weiblichkeit, Macht, sexuelle Identität, Unterdrückung, Körperlichkeit. Mit diesen brennenden Themen befassen sich die drei von Russi Klenner geladenen Künstlerinnen. Dabei werden klassische Archetypen und Klischees in Skulpturen, Bilder und Animationen gefasst: Bianca Kennedy, kürzlich ausgezeichnet mit dem TOY BERLIN MASTERS Award, ließ mich zuletzt im Bärenzwinger wieder an den Mehrwert von Virtual Reality Stories in der Kunst glauben. D’Angelo scheut sich nicht im Kampf für Chancengleichheit laute Geschütze aufzufahren. Zohar Fraimann, die figurative Malerin, kombiniert Pop-Kultur und Cartoon-Figuren in absurden Szenarien und hinterfragt damit die Rolle von „sheroes“ und „anti-sheroes“, weibliche Heldinnen und Anti-Heldinnen.

Galerie Russi Klenner | Luckauer Straße 16, 10969 Berlin | Eröffnung 13. März, ab 19 Uhr, bis 11. April | Mittwoch – Freitag: 12–18 Uhr, Samstag: 11–16 Uhr | Mehr Info

Christa Joo Hyun D'Angelo, Heels for all, 2019 © Christa Joo Hyun D'Angelo

7. How beautiful you are im KINDL Maschinenhaus

Was ist schön? Ansichtssache, aber auf jeden Fall bedeutet Schönheit Wert und Bewertung. Der Kosmetiksalon Babette, inzwischen gastronomischer Betreiber im KINDL, widmet eine Ausstellung ästhetischen Zwängen am Werk sowie an der*dem Künstler*in. Gonzalez Haase AAS beziehen sich entsprechend ihrer Praxis auf Architektur und Design, Lina Migic reflektiert Schönheit anhand von Tätowierungen, das Kollektiv Sorgen (International) hinterfragt in „Werbung“ die Mündigkeit von Konsument*innen in einer kommerziellen Welt und Martin Eder lässt in seinem überlebensgroßen Gemälde Cellulitis aus der Hose.

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst | Am Sudhaus 3, 12053 Berlin | Bis 8. März | Mittwoch – Sonntag: 12-18Uhr | Am 7. März: 20 Uhr Modenschau mit BIEST im Café Babette/ Sudhaus | Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro | Mehr Info

 

© SORGEN(INTERNATIONAL)

8. Construct your Stories im Kunstraum Bethanien

Es war ein Novum, als 2019 alle Nominierten des renommierten Turner Price beschlossen, die Auszeichnung untereinander zu teilen. Die Kraft von Kunst läge, so das Statement, nicht im Werk eines*r einzelnen*r Künstler*in, sondern in der Vielfalt von Stimmen, Perspektiven und Ausdrucksformen. Eine starke Kerbe, in die nun auch der seit 2005 vom Künstlerhaus Bethanien vergebene Falkenrot Preis schlägt: „Als Zeichen der Gemeinsamkeit“ erhalten alle elf Nominierten die Auszeichnung. Nur passend erscheint vor diesem Hintergrund der Titel der diesjährigen Ausstellung: „Construct your stories“. Im Plural.

Kunstraum Bethanien | Kottbusser Straße 10, 10999 Berlin | Bis 22. März | Dienstag –Sonntag: 14–19 Uhr | Mehr Info

Foto: Carolin Leszczinski

9. Stan Douglas bei Julia Stoschek

Last Chance! Nur noch bis 29. März könnt ihr die Videos und fotografischen Arbeiten des kanadischen Künstlers Stan Douglas bei Julia Stoschek sehen. Es geht um Musik und um Befreiung. Man hört Jazz, Afro-Beat und Disko-Musik. Man wohnt einer Jam-Session bei – meint man. Aber vielleicht ist doch alles nur Fake? Stan Douglas bewegt mit leisen Tönen emotional, aber auch gedanklich. Er schickt uns unbemerkt zwischen Realität und Fiktion hin und her. 

Julia Stoschek Collection | Leipziger Str. 60, 10117 Berlin | Samstag/Sonntag: 12–18 Uhr | Eintritt 5 Euro | Mehr Info

Stan Douglas, A Luta Continua, 1974, 2012. Courtesy the artist, Victoria Miro and David Zwirner

10. Elf im Schau Fenster

„Material gekauft, Leinwände gespannt, geschnitten, geklebt, gesägt, gefärbt, gemischt, grundiert, geknüpft, geschweißt, gemalt, geschliffen, gerahmt, übermalt, versiegelt, nochmal nachgebessert, signiert, für den Transport verpackt.“ 1:0 für diesen Ausstellungstext. Keine prätentiösen Worthülsen. Kein Geschwurbel. Nichts das uns verbal des Raumes verweist. Allein schon aus tiefster Dankbarkeit ist diese Gruppenausstellung Teil dieser Artvergnügen-Ausgabe. Kommt am besten direkt zur Eröffnung, danach wird nur auf Anfrage geöffnet. Auch das steht da in recht klaren Worten.

Schau Fenster | Lobeckstraße 30-35, 10969 Berlin | Eröffnung: 13. März ab 19 Uhr | Besuch auf Anfrage | Mehr Info

Jofroi Amaral, Chromatic Jungle, 2016. Ausstellungsansicht bei Sexauer Gallery Berlin

11. Willem de Roij bei Videoart at Midnight

An der Erinnerungsintensität einer Ausstellung spürt man deren Qualität. An Willem de Roijs Ausstellung „Intolerance“ in der Neuen Nationalgalerie erinnere ich mich noch als sei es gestern gewesen. Aber Recherche ergibt: das war 2010/2011! Jetzt wird bei Videoart at Midnight Bewegtbild des begnadeten Künstlers gezeigt. Die einschneidende Inszenierung bildschwerer Gemälde niederländischer Malerei aus dem 17. Jahrhundert neben Federobjekten aus Hawaii aus dem 18. Jahrhundert lässt stark annehmen, dass der Mann auch das Medium Video im Griff hat. Letztlich gilt sein Interesse dem Akt der Repräsentation, Aneignung und Institutionalisierung – egal ob bewegt oder statisch.

Videoart at Midnight | Babylon Kino |  Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin | 13. März, 24 Uhr | Mehr Info

Willem de Rooij, Intolerance, 2010. Ausstellungsansicht Neue Nationalgalerie © Neue Nationalgalerie
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