Berliner*innen am Sonntag: Mal so richtig Zeit verschwenden mit Eva Schulz
Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte, zugezogene oder ganz frisch gebackene Berliner an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie „Tatort“-Menschen oder Netflix-Binger*innen, Museumsgänger*innen oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freund*innen oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berliner*innen nachgefragt.
Das sagt die Moderatorin und Journalistin Eva Schulz über ihren Sonntag
Ist der Sonntag ein besonderer Tag für dich?
Früher habe ich ihn nicht so geschätzt und sonntags auch mal gearbeitet. Inzwischen ist es mein Wiederherstellungstag. Das habe ich aus der Zeit, in der ich in Jerusalem gelebt habe. Da wird ja komplett Shabbat eingehalten, das heißt ab Freitagabend machen die Läden zu und die Busse fahren nicht mehr. So geht das bis Samstagabend. Dadurch entsteht eine schöne Dynamik. Denn was ist, wenn wir mal für einen Tag die Welt nicht mit beeinflussen? Dann dreht sie sich eben für 24 Stunden ohne uns. Daran denke ich oft, wenn ich sonntags in den Tag starte. Ich finde es okay, nur für mich zu sein, und mich mal nicht in die Welt da draußen einzumischen.
Wie beginnt dein Sonntag?
Ausschlafen kann ich überhaupt nicht. Also wache ich um sieben oder acht Uhr auf und nehme mir ausreichend Zeit, um mich innerlich zu sortieren. Es kann vorkommen, dass ich mit meinen Eltern telefoniere, die ich nur selten sehe, weil sie am Rand von Nordrhein-Westfalen wohnen. Oder ich lese eine Weile. Vor kurzem habe ich mir morgens „Die Hochzeit meines besten Freundes“ angeschaut und dabei gefrühstückt. Ich fand es richtig geil, so lange Zeit im Schlafanzug zu verbringen und den Kopf noch nicht gleich voll hochzufahren. Für mich ist schon immer dieses Ungleichgewicht zwischen Input und Output mein größter Schmerz gewesen. Ständig wird Content produziert, aber wann lerne ich denn? Irgendwann muss ich auch mal Platz schaffen für neuen, überraschenden Input.
Und am letzten Tag der Woche schaffst du den Platz dafür?
Auf jeden Fall versuche ich diese "Für-mich-Zeit" zu haben. Spätestens nachmittags ist aber der Kopf wieder frei und ich will unter Leute, rausgehen, Freunde treffen. Mit denen lasse ich mich treiben, weil ja nichts weiter an dem Tag erfüllt werden muss. Ich plane auch keine Konzerte oder so was. Denn dann könnte man nicht mal spontan noch lange in die Gärten der Welt. Wenn ich mich abends irgendwann frage, wie ich überhaupt in dieser Ausstellung oder in dieser Kneipe gelandet bin, ist es ein guter Sonntag gewesen. Weil ich ihn dann mit meinen Freunden im beste Sinne verschwendet habe.
Ständig wird Content produziert, aber wann lerne ich denn? Irgendwann muss ich auch mal Platz schaffen für neuen, überraschenden Input.
Viele deiner engen Freunde leben also in Berlin?
Es ist das erste Mal, das ich in der gleichen Stadt lebe wie beispielsweise mein bester Freund. Wir kennen uns schon seit ich 16 bin und jetzt haben wir so etwas wie einen Alltag zusammen. Es tut gut, ihn auch mal anrufen und sagen zu können: „Mir ist gerade langweilig, kann ich zu dir kommen, da rumhängen und mein Buch lesen?“
Lädst du auch mal zu dir ein?
Das würde ich gerne viel öfter machen. Ich liebe es ja, unterschiedlichste Freunde zusammenzubringen. Bisher freundeten sich alle nach und nach miteinander an. Was für ein Glück, wenn die Leute, die ich toll finde, sich auch toll finden. Meine Schwester Julia hat zum Beispiel mal all meine Berliner Freunde dazu gebracht, mit ihr Brettspiele zu spielen, weil sie das nun mal so gerne macht. Ich beobachte und genieße solche Situationen sehr.
Beobachtest du nur oder übernimmst du auch Eigenarten von deinen Freunden?
Ja, auch Spleens. Mit meinem besten Freund habe ich den Plan B aufgestellt, das wir einen YouTube-Kanal über Haushalts- und Küchengeräte aufmachen, wenn nichts mehr klappt. In diese Idee können wir uns gemeinsam richtig reinsteigern. Im Karstadt am Hermannplatz gibt es ein Regal nur für Bürsten. Also Küchen- und Putzbürsten oder welche, mit denen du dir die Finger reinigen kannst. Immer wenn einer von uns da ist, macht er entweder ein Foto von einer Bürste oder bringt gleich eine mit.
Was für ein Glück, wenn die Leute, die ich toll finde, sich auch toll finden.
Abgesehen von den Freunden, warum ist Berlin die richtige Stadt für dich?
Gerade passt es, weil der Job auch hier ist. Aber Berlin überfordert mich oft. Ich habe über mich gelernt, dass 1,8-Millionen-Städte super für mich sind. Wien ist so eine Stadt. Die ist nicht zu groß wie Berlin, wo mir einfach der Überblick fehlt. Hier habe ich nur meine Planquadrate. In einem wohne ich, in einem treffe ich mich mit Freunden und in einem arbeite ich. Dazwischen sind so viele weitere, die ich eigentlich noch kennenlernen müsste. Dafür fehlt nur häufig die Zeit. Ich mag es ja, mehr über Orte und Gebäude zu lernen. Am Osterwochenende war ich das erste Mal in der Gedenkstätte Hohenschönhausen und habe viel über Berlin zu DDR-Zeiten gelernt, das hat mich sofort verbundener mit der Stadt gemacht.
Wen willst du am Sonntag überhaupt nicht sehen?
Jemanden, der mich zum Rotieren bringt und der mich meinen Laptop aufklappen lässt. Es muss auch nicht sein, dass ich die eine politische Diskussion führe mit jemanden, der vollkommen anderer Meinung ist als ich. Sonst ist das eine schöne Herausforderung, aber sonntags will ich nicht herausgefordert sein. Da will ich entspannen.
Warum hast du dir neben dem Politikkanal „Deutschland3000“ auch noch einen Interviewpodcast dazu aufgehalst?
„Deutschland3000“ gibt es seit Sommer 2017 und es hat anderthalb Jahre gedauert, bis alles perfekt war und ich mir eine Woche gebaut hatte, in der klar war, wann ich im Büro, wann ich im Homeoffice bin und wann ich meine Freizeit habe. Dann kam diese Frage: „Eva, hier sind diese ganzen jungen ARD-Radios, die würden gerne einen Podcast machen und haben auch noch einen ganz tollen Sendeplatz. Wir würden den am liebsten dir geben. Was hältst du davon?“ Sie haben es mir wie ein Geschenk präsentiert und es war einfach zu geil, um abzulehnen. Jetzt muss eben wieder eine Struktur her. Aber dafür darf ich jetzt all die Leute treffen und schauen, was sie bewegt, wo wir Gemeinsamkeiten haben und wo ich was von ihnen lernen kann.