ARTVERGNÜGEN #7 über leichtes Kalifornien im Martin Gropius Bau und schweres Brasilien im stilwerk

Momentan spielt sich die schönste aller Künste vor unseren Türen ab: die Blüte des Frühlings. Ich belasse euch also in der Sonne – möchte ja selbst nur dort sein – und reduziere das ArtVergnügen auf 2,5 sommerliche Leckereien. Eine davon ist eine meiner größten Sehnsüchte: ein Roadtrip entlang der kalifornischen Atlantikküste. Highways. Highlife. Hochstapler. L.A., die Stadt, wo Schauspieler Yoga lehren bis der Durchbruch (nie) kommt und wo die Entourage das Leben ist. In meinen Phantasien strahlt L.A. in den Farben eines Hockney-Gemäldes.

Pacific Standard Time - Martin Gropius Bau
Pacific Standard Time, die kalifornische Megashow, konzentriert sich in Europa auf eine einzige Stätte: den Martin-Gropius-Bau. Grüße aus L.A. zeigt, weswegen sich die Stadt zwischen 1950 und 1980 einen Platz in der Kunstgeschichte verdient hat und bietet Kunst- und Politikunterricht in a Box: Der Raum dokumentiert die Protestkultur und ihre Gestaltnehmung in der Kunst. Die Aneignung massenmedialer Methoden und Kanäle für die Eigen-PR, die Rolle legendärer Kunstschulen wie der CalArts mit namhaften Professoren wie John Baldessari, Allan Kaprow (siehe ArtVergnügen 5) und Paul McCarthy. Hier studierten Bruce Naumann, Roy Lichtenstein, Ed Ruscha und – das Gütesiegel! – David Hasselhoff. Mit Ausnahme des gefallenen Badehosenhelden begegnen uns die Alumni in der weiteren Ausstellung und tun, was sie immer taten: Ed Ruscha poppt, Edward Kienholz provoziert, John Baldessari schreibt das Banale. Zudem gibt es Assemblagen, die so gar nicht in die blau-gelb-weiß-Illusion passen, sowie eine Serie von Julius Shulman, dem bedeutendsten Architekturfotografen der amerikanischen Nachkriegsfotografie. Und im Hintergrund dröhnen die Kienholz'schen Volksempfänger.

California über alles!

Pacific Standard Time – Kunst in Los Angeles 1950-1980 bis 10. Juni
Martin-Gropius-Bau: Niederkirchnerstr. 7, Ecke Stresemannstr. 110, 10963 Berlin
Mi – Mo, 10 – 19 h
Dienstag geschlossen
Eintritt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro

ArtandPress bis 24. Juni im Martin-Gropius-Bau
Kunst.Wahrheit.Wirklichkeit könnte auch der Untertitel von Pacific Standard Time sein, begleitet aber die parallel laufende Ausstellung ArtandPress. Künstler, darunter das enfant terrible Jonathan Meese, Robert Rauschenberg, Joseph Beuys, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Ai Weiwei und Julian Schnabel, beziehen Position zum Medium Zeitung. Wozu viele Worte, wenn es doch Meese gibt. Hier alle Teaser zur Ausstellung.

ArtandPress bis 24. Juni im Martin-Gropius-Bau
Eintritt 9 Euro, ermäßigt 5 Euro
Führungen jeden Sonntag um 14 h (ohne Anmeldung), Dauer: 60'

Brasilian Design - Galerie Zeitlos
Eine weitere Erzählung von Orten, an denen ich noch nicht war: Brasilien. Meine Annäherung führt über das landestypische Design. Nie zuvor gab es in Europa eine vergleichbare Ausstellung brasilianischer moderner und zeitgenössischer Möbel und Wohnaccessoires wie derzeit in der Galerie Zeitlos im stilwerk. Das brasilianische Design blickt auf eine beeindruckende, in den 50er Jahren vom Bauhaus inspirierte, gestalterische Tradition zurück. Und so wird der Ausstellungskatalog zur persönlichen Wunschliste, bestehend aus dem Paulistana Armchair (1957) von Paulo Mendes da Rocha für den Platz am Kamin, dem Parati Chair (1963) von Sergio Rodrigues für den Salon, dem Rio Chaise (1978-79) des Brasilia-Visionärs Oscar Niemeyer für den Platz am Pool und dem Desk (1958) von Jerzy (Jorge) Zalszupin. Ok, mein Versprechen sommerlicher Leichtigkeit war ein falsches. Ich habe offensichtlich ein Faible für die eher schweren Designs, auf welche sich diese Ausstellung aber keinesfalls beschränkt.

Brazilian Design - Modern & Contemporary Furniture bis 05. Mai
stilwerk & Galerie Zeitlos: Kantstr. 17, 10623 Berlin
Mo – Sa, 10 – 19 h
Eine Hinführung zum Thema gibt das Video

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