ARTVERGNÜGEN #33 - Die Macht der Kunst in der KunstHalle der Deutschen Bank, Fully Booked im GESTALTEN Space, Autocenter, Anselm Kiefer: Der Rhein und The Wrinkles of the City

Die Macht der Kunst in der KunstHalle der Deutschen Bank
„Jeder Mensch ist ein Künstler“, behauptete Beuys 1967 freimütig. Die kilometerlange Menschenreihe vor der KunstHalle der Deutschen Bank am vergangenen Wochenende gibt Joseph schon mal insofern recht, als dass einige Dutzend offensichtlich gern Künstler sein wollen.

Für 24 h hatte die KunstHalle am Montag geöffnet. Mir kommt Sex and the City in den Sinn. Ich denke an Carries Date mit ihrem Russen, Nachts, im Museum. Ein neuer Mann für sie und noch eine Kunsthalle für Berlin. Letztere steht unter keinem guten Stern –  aber für solche Esoterik ist der gemeine Bänker wohl eher nicht empfänglich.  Diese KunstHalle ist der neue Ausstellungsraum der Deutschen Bank, nachdem die Ehe mit dem Guggenheim in die Brüche ging. Knapp zwei Wochen vor ihrer offiziellen Eröffnung am 18. April durfte in einem genialen PR-Streich jeder Sonntagsmaler sein Werk zur Ausstellung beitragen. Ich habe vor der Schlange kapituliert. Die Kollegen von Art Parasites waren aber da und schon mal nicht eindeutig unüberzeugt. Abgelehnt werden durfte übrigens keine abgegebene Arbeit. Da aber nicht für alle Platz war, gibt es am 28.April eine Fortsetzung in der Alten Münze. Am 18. April eröffne die KunstHalle wie gesagt offiziell mit einer Ausstellung des pakistanischen Künstlers Imran Quereshi, der amtierende Artist of the Year 2013.

Macht Kunst Teil 2 am 28.April, ab 12.00 Uhr für 24 h.
Alte Münze Berlin: Molkenmarkt 2
KunstHalle: Unter den Linden 13/15


Fully Booked im GESTALTEN Space
Bei Spoonbill & Sugartown, Brooklyn/ NY, einem dieser Buchläden für ominöse Fundstücke, erstand ich im letzten Jahr zwei ganz besondere Exemplare: ab der ersten Seite von „Just Kids“, die Memoiren von Patti Smith, bestand kein Zweifel, dass ich gerade eines der besten Bücher ever in der Hand hielt. Auch nich zurücklassen konnte ich einen visuellen Essay, der mich durch Cut-outs von der üblichen chronologischen Lesart abbrachte. Worum es geht weiß ich nicht, aber ich wollte ihn. Es braucht heute Kreativität und Mumm seitens der Verlage, um sich gegen die digitale Konkurrenz zu behaupten. Welch‘ wunderbare Form einem solchen Wagnis entspringen kann zeigt Fully Booked, eine Ausstellung für Design und Konzepte neuer Publikationen im GESTALTEN Space.

„It‘s easy to forget that when physical books were invented, news websites ignored them and laughed at them as a niche pursuit for geeks.  Now we are here and the same journalists are declaring the death of the internet, as the hype and excitement surrounding print and paper travels inexorably around the world.“ (aus dem Ausstellungstext)

Auf die Frage, ob sich die digitale Bedrohung im Editorial Design zeige, antwortet Matthias Hübner, Herausgeber und Co-Kurator der Ausstellung: „Sicherlich wird es auch in Zukunft eine Abwanderung von Texten und Lesern ins Netz geben , aber gerade deswegen wird Buchgestaltung immer spezieller. Superbillige Fünf-Euro-Bücher oder superteure Obskuritäten für Sammler werden überleben, die Mitte aber wird es schwer haben.“

Ein solches Sammlerobjekte liegt unter einer massiven Glasscheibe: eine dreiteilige lose Werksammlung des Italieners Maurizio Catellan. Von einem japanischen Künstler wurden seine Fotos und Texte nachgemalt, dann wieder eingescannt und neu gedruckt.  Außerdem in Matthias‘ Toplist schaffen es die rudimentären Arbeiten der schwedischen Design-und Werbeagentur Ritator, außerdem ein Fotoessay der Schweizer Prill Vieceli Cremers. „Die Mitte des Volkes“ (2007) ist eine scheinbar objektive Dokumentation über die rechtsgerichtete Schweizer SVP, die, kurioserweise von den Parteianhängern ebenso gemocht wird wie von seinen Hassern und deswegen so genial sei.

Für Fully Booked wurden the Publikationen, das State of the Art, entsprechend ihres Charakters kategorisiert: jede habe eine Agenda, jedes Buch erzähle auf seine Art eine eigene Geschichte und ist hier folgend des Ablaufs einer Erzählung arrangiert. The Storyteller holt den Leser ab. In Sonderserien, großteils Neuauflagen von Klassikern aus dem englischen Verlagshaus Penguin, beginnt die Erzählung bereits auf dem Cover, haptisch und visuell. Und manchmal verbinden sich das Innenlayout und Erzählung überhaupt erst gemeinsam zur Geschichte. The Showmaster kann nicht leise: ich ziehe, schiebe und klappe an und in Sam Ita‘s Pop-Up Bücher. Das hier übertrifft meine euphorischsten Kindheitserinnerungen. Der Teacher hat einen Auftrag zu erfüllen; ich will nicht weiter stören. The Business Man schließlich weiß, wie das Geld in die Tasche kommt, weiß, wie man unangenehme Wahrheiten verblümt. Prestigeobjekt Geschäftsbericht. Einer bittet darum gebacken zu werden, um lesbar zu sein. Und Lichtplayer Zumtobel lässt sich seit Jahren seinen Zahlenstriptease von renommierten Künstlern gestalten. Zuletzt brachte Anish Kapoor, Gestalter schillernder Monumentalskulpturen, die sonst dröge Form der Publikation zum Leuchten:  Farbverläufe und monochrome Farbseiten knallen das hartnäckigste Stimmungstief aus der Seele.

Anschließend reden wir noch über den Show-off Faktor von Büchern. Wir reden über Fräsungen in Büchern als analoges Pendant zum Hyperlink, darüber wie Matthias die Beziehung zum kommerziellen Schaffen im Studium verloren hat und über die spannendste Phase in der Geschichte des Druckens.

Bücher sind Dialogpartner, Bücher sind Positionen, Bücher sind Sammlerstücke, Bücher sind Quengelware. Ich brauche neue Regale zu Hause.

Den Großteil der ausgestellten Serien und Einzelwerke sowie der Fully Booked-Katalog werden übrigens über GESTALTEN verkauft. Den ersten Band aus 2008 findet ihr aktuell, gebraucht für 200 Euro, bei Amazon. Zum Offline-Shopping bietet sich übrigens der kommende Donnerstag an:  dann wird „Penguin‘s brightest star“, die in der Ausstellung umfangreich vertretene Illustratorin, Coralie Bickford-Smith im Gespräch mit Robert Klanten (Gestalten) zu hören sein.

A New Era for Printed Matter - A talk with Coralie Bickford-Smith am Do, 11.April, 19.00 h
Fully Booked noch bis 21. April
GESTALTEN Space: Sophie-Gips-Höfe, Sophienstraße 21
Mo-So, 12.00 - 20.00 h


Autocenter: Umzug, Eröffnung und Summer Academy
Schon vor langem wurde die einst namengebende Location des Autocenter und jetzt, nach diversen lokalen Umzügen, auch der Bezirk Friedrichshain verlassen. Am 15. März eröffnete der Raum für experimentelle Positionen, mit Nachdruck betonend, nicht als kommerzielle Galerie zu agieren, mit überwältigendem Menschenauflauf in der Leipziger Straße. Neustart mit einer Retrospektive: alle in den letzten 12 Jahren ausgestellten Künstler waren eingeladen, die Wandschränke der ehemaligen Bücherei mit einem Werk zu füllen. Mit dabei auch Anouk Kruithof, deren Bücherwand das wohl meist zitierte Werk der Feverish Library-Ausstellung bei Capitain Petzel war. Noch während meines Besuchs werden die ersten Arbeiten abgeholt. Es wird Platz geschaffen für die nächste Ausstellung: conference 1. Die Künstler stehen fest, ein Thema soll in einem gemeinsamen Kurationsprozess entwickelt werden. Mehr kann ich also nicht sagen. Eröffnung ist am 20.April.

Und solltet ihr euch vor Ort zu kreativer Überleistung inspiriert fühlen, bewerbt euch doch für die Autocenter Summer Academy. 4 Wochen, 8 Kurse, 120 Gäste. Es stehen Unterricht bei Künstlern wie Olaf Nicolai und Jorinde Voigt, Vorlesungen von Thibaut de Ruyter und Ivo Wessel sowie der Austausch mit anderen Künstlern contra Sommerferien.

Mehr Informationen gibt‘s hier.
Bewerbungsschluss: 01. Mai.

Autocenter: Leipziger Strasse 56
Do - Sa, 16.00 - 19.00 h
Eintritt frei

Saskia über: Anselm Kiefer. Der Rhein
Meine Begegnungen mit den Werken von Anselm Kiefer waren immer von einer gewissen Ehrfurcht geprägt. Wuchtig kamen sie daher, schwer und beeindruckend aber auch immer von so viel erzählender Schönheit, dass ich mich kaum abwenden konnte. Dass sich seine und meine Wege eines Tages für die kommende Ausstellung “Der Rhein” kreuzen würden, muss ich mir mit wackeligen Handyfotos immer wieder selbst beweisen.

In dieser Ausstellung werden neue, großformatige Holzschnittarbeiten gezeigt, die so viel weniger wuchtig sind als erwartet: leicht, fließend, kontrastreich und nur einen Hauch chromatisch. Der Fluss vereint mit Gebäuden, Bäumen und geometrischen Figuren. Anselm Kiefer erinnert sich auf den Bildern an Wahrnehmungen des Rheins aus der Kindheit:

“Ich bin aufgewachsen in einem kleinen Dorf auf der anderen Seite des Rheins. Der Fluss war zu Fuß in einer halben Stunde erreichbar. Wandernd durch eine Allee von hohen Bäumen sah man schon von weitem das silbern schimmernde Band des Flusses, das zugleich Ziel, Ende der Wanderschaft und Verheißung auf ein anderes, ein geheimnisvolles Land am anderen Ufer des Flusses war”

Neben den Werken an der Wand wird auch ein 1,90 m großes Buch zu sehen sein, das ebenfalls vom Rhein erzählt und offen aufgestellt in den Räumen der Galerie steht.

Die Ausstellungseröffnung findet am Freitag, den 12. April von 18-20 Uhr in Anwesenheit des Künstlers statt.
Anselm Kiefer “Der Rhein” bis zum 14. September.
Galerie Bastian: Am Kupfergraben 10
Do/Fr 11.00 -17.30 h, Sa 11.00 -16.00 h
Eintritt frei


The Wrinkles of the City in der Stadt
In letzter Minute flatterte – oder soll ich sagen faltete? – noch ein Hinweis auf THE WRINKLES OF THE CITY - BERLIN in meine Inbox. Ab heute, 09. April, lohnt es sich beim Blick in die Sonne die grauen Wände zu streifen: an 15 Bauwerken der Stadt, unter anderem am Postbahnhof, am Bunker der Sammlung Boros, am alten Bauamt an der Leipziger Straße, an der Bar 1000 und am Wasserturm an der Eastside Gallery kleben überdimensionale schwarz-weiß Portraits, Zeitzeugen des urbanen Wandels. Bilder aus der Kamera des französischen Künstlers JR.

Am 17. April eröffnet eine begleitende Ausstellung in der Galerie Henrik Springmann: Gipsstrasse 14
Di – Fr, 10.00 – 19.00h
Sa, 10.00- 18.00h

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