ARTVERGNÜGEN #15 - App Art mit Jackson Pollock, Sally Mann, Artconnect

Eigentlich hatte ich zu heute ein Interview zur Ausstellung Impuls + Bewegung der Ars Electronica im VW Forum Unter den Linden geplant. Wegen “Lieferschwierigkeiten” muss dieses aber auf eine der nächsten Ausgaben des Art Vergnügen verschoben werden. Ich nutze die unerwartete Lücke im Redaktionsplan, um mich durch mein kleines Themen- und Künstler Archiv zu klicken. Anbei meine Auswahl für euch.

App Art
Sämtliche i-Geräte, verwandte Tablets und Smartphones eröffnen uns einen vollkommen anderen Zugang zur Welt. Netart, die Internetkunst der 90er, tritt aus dem Computer heraus. Künstler und Programmierer entwickeln Anwendungen, in denen unsere mobilen Displays die physische und virtuelle Welt vereinen. Wir alle sind eingeladen mit zu spielen und zu gestalten.
Einer, der uns einlädt die Perspektive zu wechseln ist Stephan Maximilian Huber. Seine “Konfetti”-App entwickelte er mit der Absicht, uns zur Besinnung über uns selbst zu bringen. Die Anwendung funktioniert wie ein Spiegel, der aber das über die Kamera erfasste Bild einer Person in kleine Punkte, also Konfetti, zer'pixelt'. Nur mit Konzentration und bei nicht zu schnellen Bewegungen ergibt sich ein klares Bild. Inzwischen abstrahiert die App jedes beliebige Objekt in ein buntes Konfettibeet. Mit Memo Akten und Milton Manetas' App “Jackson Pollock” wurde bereits 2003 jeder mit dem Werkzeug ausgestattet, das ihn oder sie zum Pseudo-Pollocks werden ließ. Diverse Kopien, Verbesserungen und Adaptionen kuriseren heute. Mit “field” von Rainer Kohlberg werden erfasste Farben in abstrakte geometrische Muster und Kompositionen übersetzt. So, nämlich äußerst dekorativ, sieht das aus. Jeden Tag gibt es mehr, neuere, unnützere und tollere Apps und ich selbst komme bei Weitem nicht mehr hinterher. Googelt bei Interesse einfach nach “iphone Kunst” oder “App Art”, surft durch die Website der 2.AppArtAwards, die Mitte Juli zum zweiten Mal vom Karlsruher ZKM vergeben wurden. Mit eurer Lieblingsapp gehören euch die vom Meister Warhol versprochenen 15 minutes of fame.

Sally Mann
Ein absolutes Counter-Konzept zur Sensor-basierten App-Kunst: Sally Mann's Fotografien. Ihre fabelhafte Ausstellung konnte ich vor einigen Wochen im Fotografiska Museum in Stockholm sehen und finde seitdem, dass einer ihrer Bände das erste Fotobuch in meinem Bücherregal werden sollte. Das Leben im Verfall ist das Thema ihrer schwarz-weiß Bilder. Diese sind überwiegend Schnappschüsse, für die Mann durchaus mal ihren 8x10 Fotokasten quer durch die Prärie schleppt. Kind mit geschwollenem Auge. Kind mit Nasenbluten. Eine Frau, zwei Mädchen, drei Generationen, nackt auf einem Felsen, pinkelnd. Ein strangulierter Hund. Sally Mann bildet die verborgene Schönheit alltäglicher Momente ab, rückt die Persönlichkeiten ihrer Kinder in den Mittelpunkt und löste mit ihrer Perspektive bereits kontroverse Diskussionen aus: die Fotografien ihrer Kinder wurden in den 80er Jahren als pornografisch diskutiert. In gewisser Hinsicht anstößig ist (auch) ihre Scheulosigkeit gegenüber dem Tod: so baute sie ihre Kamera in einem forensischen Institut zwischen Überresten toter Körper, Opfer von Gewalttaten, auf. Diese werden dort zu Forschungszwecken dem natürlichen Verfall überlassen. Ein Gefühlsbad aus Faszination und Ekel, vergleichbar zur  Reaktion beim kürzlichen Anblick der Hochglanz-Fotografien der Finnin Maija Tammi, die Gallensteine, Tumore und Krampfadern und andere Überflüssigkeiten perfide ausgeleuchtet inszeniert. Natürlich – wie auch Mann's Motive. Und genau darum denke ich weder an Krankheit, noch Pornografie oder gar Tod sondern erinnere mich an eine Ausstellung mit bisher ungesehener  tiefgründiger und sicherlich auch makaberer Schönheit. Ein Must: die Dokumentation 'What remains” (Teil 1, 2, 3). Ein Einblick in das Leben einer extrem faszinierenden Frau.

Sally Mann noch bis 30. September | Fotografiska | Stadsgårdsleden 22, Stockholm/ Sweden

Von der Vergangenheit in die Zukunft: noch ein paar Veranstaltungstips für die kommende Woche:

Am 10. August werde ich nach viel zu langer Zeit mal wieder im Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien vorbei schauen. Ich vermute ja japanisches: Futo Akiyoshi, Satoru Aoyama, Ichiro Isobe, Taro Izumi, Kounosuke Kawakami, Keiko Kimoto, Kengo Kito, Kentaro Kobuke, Meiro Koizumi, Sako Kojima, Takeshi Makishima, Toshihiko Mitsuya, Nobuhiko Murayama, Kouichi Tabata, Kei Takemura, Takahiro Ueda, Shingo Yoshida heißen die angekündigten Künstler.

Kunstraum Kreuzberg/Bethanien | Mariannenplatz 2 | täglich 12 – 19 h

Und ab dem 09. August feiert das Kunstnetzwerk ARTCONNECT BERLIN sein einjähriges Bestehen mit einem Programm aus DJs, Liveperformances und Kunst. Am Donnerstag eröffnet die Ausstellung mit Künstlern der Plattform im Headquarter, ab Samstag gibt's auch was  bei den Partnergalerien Idrawalot und Kaleidoskope zu sehen. Am Freitag Abend zwischen 21 und 22 h könnt ihr dann Kunst von Reynold Reynolds, Peaches, Klub 7 und Jose Romussi ersteigern.

Finissage ist am Sonntag Abend, ab 19 h |ARTCONNECT BERLIN |Boddinstraße 62, Neukölln | Das Programm findet ihr bei Facebook.

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