ART VERGNÜGEN #4
Um Peitschenhiebe, Sinuskurven und Geburtstagsfeiern dreht es sich in dieser Ausgabe. Ich habe mir u.a. die Gerhard Richter Edition angesehen, war im Hamburger Bahnhof bei Paul Laffoley´s spirituellen Lehrstunde und habe mich von Julius von Bismarck betrafen lassen. Ich wünsche viel Vergnügen.
80. Geburtstage finden für gewöhnlich nachmittags im Nebenraum der Dorfwirtschaft statt. Im Fall großer Meister wie Gerhard Richter aber wird daraus eine stadtübergreifende Mottoveranstaltung. In der Neuen Nationalgalerie gibt es, wie bereits von unserem Matze angekündigt, die offizielle Retrospektive. Ich nahm erstmal die Abkürzung über den ME COLLECTORS ROOM. Ebenfalls Richter; zwar nicht die originalen Ölgemälde, dafür aber (fast) alle Editionen von 1965 bis 2011 – für den Künstler selbst ein “willkommener Ausgleich für die Produktion von Gemälden, die Unikate sind. Es ist eine großartige Möglichkeit, meine Arbeit einer größeren Öffentlichkeit zu vermitteln.“ Ihr kennt sie alle: Betty, Ema, der Akt auf der Treppe, die Kerze vom Sonic Youth Albumcover. Mein Highlight aber hing im Treppenaufgang: Übersicht zeigt eine kulturhistorische Studie der Ikonen aus Architektur, Philosophie und Literatur von 1300 bis heute. Von der Akropolis zu Koolhaas, von Shakespeare zu Lessing, Carmina Burana zu Grieg. Ein Instant- Crash Kurs.
Gerhard Richter noch bis 13.Mai
Me Collectors Room: Auguststraße 68, 10117 Berlin
Di – So 12-18 Uhr
Und ich reise weiter in Ort und Zeit, erfahre die Bedeutung von Utopie als ‘The Suspension between the Possible and the Impossible’ und des Omega Point, ‘Time moving forwards meets time moving backwards at the visionary point which precedes the world mystical experience’. Ein klitzekleinesbisschen irre ist Paul Laffoley’s spirituelle Lehrstunde. Aber auch sehr visuell, informativen und unterhaltsam. Die Ausstellungsserie secret universe im Hamburger Bahnhof macht Projekte zugänglich, die innerhalb des etablierten Kunstdiskurses weitgehend unberücksichtigt bleiben; es wäre wirklich schade gewesen, hätte ich auf meinem Weg vom West- zum Ostflügel nicht noch diesen kleinen Umweg gemacht. Die Flügel wurden kürzlich von Ryoji Ikeda, japanischer Komponist und visueller Künstler, in Beschlag genommen. In der Schule war Ikeda wohl einer, dem Mathematik und Datenverarbeitung gleichermaßen lagen wie Kunst und Musik – viele seiner Projekte sind Forschungen in die Grundelemente von Sound, mathematisch und physikalisch. Pixel, Sinuswellen, Soundimpulse. Der Ausstellungstitel db – kurz für decibel – ist ein Spiel mit Antagonismen: dark - bright, decimal - binary, deconstruction - blablabla, dna - bible. Wie gewohnt reduziert auf schwarz (Westflügel) – weiß (Ostflügel). Im schwarzen Raum flackert, was im weißen still steht. Und auch wenn man einige Installationen der Ausstellung eventuell schon mal beeindruckender da großformatiger gesehen hat, ist der hier luftige Aufbau nicht weniger raum- und ergreifend, adressiert an Auge und Ohr.
Auf dem Weg zum Ausgang noch einmal vorbei an ‘The End of the Universe’ (Laffoley). Das ist mal ein Statement, Hamburger Bahnhof!
db noch bis 09. April, Paul Laffoley noch bis 04.März
Hamburger Bahnhof: Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin
Di-Fr 10- 18 Uhr
Sa 11- 20 Uhr
So 11- 18 Uhr
Tickets 8,- EUR ermäßigt 4,- EUR
Gewaltiges, geradezu schlagkräftiges gibt uns auch alexanderlevy. Punishment I, Titel der Ausstellung des Julius von Bismarck, bezieht sich auf eine Legende, der zu Folge der ägyptische König Xeres das Meer mit 300 Peitschenhieben bestrafte, nachdem eine von ihm beauftragte Brücke durch einen Sturm zerstört wurde. Im letzten Jahr schulterte Julius von Bismarck die Peitsche und machte sich auf durch die Welt zu ziehen, um der Natur die Stirn zu bieten bis ihn seine Kräfte verließen. Eine Kraft, die jetzt in den Fotografien dieser Expedition steckt. Von Bismarck auf einem Felsvorsprung, scheinbar dem Himmel näher als dem Boden, als reite er den Felsen, wie ein Dompteur die Peitsche über dem Kopf schwingend. Man weiß nicht, ob der Schlag dem Himmel oder dem Berg gilt. Oder von Bismarck knietief in der Meersgischt. Er schlägt zu und schlägt und schlägt als wolle er das Meer spalten. Peng! Hier die Video-Dokumentation. Dazu passt natürlich auch, dass von Bismarck aufgrund seiner herausragenden Fähigkeit, Kunst und Wissenschaft spielerisch zusammen zu bringen, letztes Jahr als erster Künstler mit dem Collide@CERN Award des Prix Ars Electronica ausgezeichnet wurde.
Punishment I noch bis 24.März
alexanderlevy: Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin
Di – Sa 11- 18 Uhr
Wer bereits alles gesehen hat oder nichts ansprechend findet, könnte sich bis zur nächsten Art Vergnügen-Ausgabe noch Robert Morris’ raumbezogene Arbeiten bei Sprüth Magers ansehen. Morris gilt als einer der Künstler an der Grenze von Moderne und der Minimal Art der 60er Jahre, hat sich aber auch als Choreograph mit postmodernem Tanz beschäftigt und dies in seinen Skulpturen verarbeitet.
Robert Morris noch bis 17. März
Sprüht Magers: Oranienburger Straße 18, 10178 Berlin
Di - Sa 11 – 18 Uhr


