ABENDBROT MIT SARAH #4 – Rogacki in Charlottenburg

© Anna Rose

Bis jetzt wusste ich gar nicht, dass meine persönliche Zeitmaschine schon erfunden wurde und U2 heißt. Grade noch von Soto-Shoppern und Hostel Gästen am Rosa-Luxemburg-Platz über den Haufen gerannt worden, tauchte ich an einem verregneten Samstag Mittag gute 40 Minuten später und am anderen Ende der Stadt in die Welt von Rentnern und Räucherfischen ein.

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Im nicht ganz so schicken Teil Charlottenburgs, unweit des U-Bahnhofs Bismarckstraße, liegt das Rogacki [Rogatzki ausgesprochen], eine kulinarische Institution des Berliner Westens und schmackhaftes Zwitterwesen aus Stehimbiss und Delikatessenhandel.

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Auf die Idee meine angestammten Bezirke zu verlassen, hat mich meine Freundin, die Fotografin Anna Rose, gebracht. Sie wuchs um die Ecke auf und ist mit ihrem Vater regelmäßig ins Rogacki essen und einkaufen gegangen.

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Lachsmakrele, Rinderzunge, Wachteleier - seit 1928 werden im Laden der gleichnamigen polnisch-deutschen Familie Spezialitäten aller Art verkauft und verkostet. Stolz prangt das “Erste Charlottenburger Aal- und Fischräucherei” Schild über dem Verkaufstresen, an dem ich kurz innehalten musste, um die unaufgeregte, westdeutsche Normalität aufzusaugen.

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Man kann sich das Rogacki als eine Art Markthalle IX für ein Ü60-Klientel vorstellen. Laut, voll und sehr lecker. Der Laden ist unterteilt in thematisch sortierte Tresen und man findet Fisch, Fleisch, Brot, Käse, Wein und verschiedenste Salate. In der Mitte des Raumes warten zwei Stehimbisse auf die hungrige Kundschaft in der Mittagspause oder zum frühen Abendsnack.

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Etwas verkatert von einer langen Partynacht entschieden wir uns für eine einfache Fischsuppe und ein deftiges Lachsteak mit Bratkartoffeln und kauften anschließend am Tresen noch kleine Portionen Stremellachs, Heilbutt und Makrele für den Hausgebrauch.

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Was einem Mitte-Kreuzberg-Neukölln-geprägtem Auge sofort auffällt, ist die wilde und gleichzeitig normale Mischung von Leuten: Dicht gedrängt essen hier Anwaltsgattinnen in Pelzmänteln neben Typen im Blaumann und Senioren mit lustig gefärbten Vogelnestern auf dem Kopf Austern, Würstchen oder Klopse. Und das wohl sehr regelmäßig - denn als “Neuling” wird man sofort enttarnt. Die falsche Person nach der Rechnung fragen oder den leeren Teller nicht richtig entsorgen - das Rogacki läuft wie eine gut geölte Maschine und man muss aufpassen, den Ablauf nicht zu sehr aufzuhalten.

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Obwohl die Speisen der Stehimbisse lecker aber nicht unbedingt aufregend sind, lohnt sich der Ausflug in die Wilmersdorfer Straße auf jeden Fall. Lasst eure Trio-Bags und Chelsea Boots zuhause - das einzige, was man ins Rogacki mitnehmen sollte, ist ein bisschen Zeit und einen leeren Rucksack, den man dann mit Räucheraal, Rohmilchkäse und Portwein gefüllt satt und glücklich von der Parallelwelt zurück in seine eigene schleppt.

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Rogacki
Wilmersdorfer Str.145/46
10585 Berlin-Charlottenburg
Tel. 030 343 825 0

Montag – Mittwoch 9 Uhr – 18 Uhr
Donnerstag 9 Uhr – 19 Uhr
Freitag 8 Uhr – 19 Uhr
Samstag 8 Uhr – 16 Uhr

Alle Bilder hat Anna Rose gemacht. Danke dafür. Mehr Abendbrot gibt es hier. Vielleicht mal Tapas in Neukölln probieren?

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