ABENDBROT MIT SARAH #10 – Le Bon
Vielleicht liegt es an der Art, wie der hübsche griechische Olivenölkanister auf der grünen Kommode drapiert ist, an den überaus netten Kellnerinnen oder an der angenehmen Musikauswahl – wenn man ins “Le Bon” kommt, lernt man Johanna Schellenberger kennen, noch bevor sie ihr Restaurant betritt.
Der gemütliche, zwei geteilte Raum mit der massiven Holztafel in der Mitte strahlt eine private Esszimmer-Atmosphäre aus, in der man gerne länger verweilt. “Obwohl wir schon seit Februar offen sind, ist immernoch nicht alles 100% fertig. Ich lasse mir gerne Zeit und sammel schöne Einrichtungsgegenstände nach und nach zusammen”, sagt Johanna über ihr kleines Reich.
Bevor die studierte Politikwissenschaftlerin ihrer Leidenschaft für Essen und Gastgeberin-Sein folgte, arbeitete sie für die Grünen, eine Karriere in der Politik schien vorgezeichnet zu sein. Aber nach einigen Jahren seriöser Büroarbeit juckte es ihr in den Fingern, und sie erfüllte sich mit der Eröffnung der Kaffeebar in der Gräfestraße den Traum vom eigenen Laden. Heute ist das kleine Café unweit des Kanals der soziale Knotenpunkt des Kiezes geworden und im Februar 2014 war die Zeit reif, den nächsten Schritt zu wagen.
Was eigentlich nur eine improvisierte Dinner-Reihe in der Kaffeebar nach Ladenschluss werden sollte, ist positiv aus dem Ruder gelaufen und hat in der Boppstraße 1, direkt am Zickenplatz, nun eine langfristige Location bezogen: das Le Bon. Ähnlich wie in der Kaffeebar, trifft man hier zum großen Teil Leute aus der Nachbarschaft. Viele kommen vor dem Kinobesuch im Moviemento vorbei oder frühstücken am Wochenende in großer Runde "Eggs Benedict", "Croque Monsieur" oder "Bircher Müsli" an den langen Holztischen.
Im Dezember hatte ich das Glück und konnte bereits bei einem “Preview”-Baustellen-Dinner erahnen, dass sich hier jemand auslebt, der Essen ernst nimmt und seiner Intuition folgt. Erzählt Johanna von den Gerichten auf der Karte oder den Plänen für die Zukunft, fangen ihre Augen an zu leuchten und die Begeisterung springt schnell über.
Folglich habe ich mich auch beim Abendbrot auf ihren Geschmack verlassen und ließ mir auftischen, was Johanna an dem Tag für richtig hielt. Obwohl am Eingang des Restaurants der kulinarische Rahmen des Abends ungefähr abgesteckt wird – eine Tafel stellt die Tagesgerichte als Zutatenliste vor – bleibt ein gewisses Mysterium erhalten. Zander, Miso, Mangold, Birne, Kalbskopf? So richtig vorstellen konnte ich mir die Kombination nicht, aber das störte nicht weiter. Dass es im Le Bon auch keine strenge regionale Zuordnung gibt – an einem Abend kann man asiatisch, nordafrikanisch scharf oder deftig-regional essen –, macht es umso interessanter.
Los ging es also mit zwei gleichermaßen großartigen Vorspeisen: Die Spargelstangen wurden mit pochiertem Ei neben einem bunten Wildkräutersalat drapiert und bekamen durch Rhababerkompott und Buttermilchsoße eine überraschend fruchtig-frische Note. Kleine Pumpernickelpralinés, gewälzt in Hafer und Sesam, rundeten das Entrée ab. Der zweiten Vorspeise, ein handgeschnittenes Jakobsmuscheltartar, auf dem ein Klecks Saiblingskaviar thronte, wurde durch feine Mango-Streifen und Erdnussbrösel ein asiatischer Touch verpasst. Sehr lecker und definitiv wiederholenswert!
Kurz nachdem uns als Hauptgang der Zander in einer Miso-Kalbskopf-Soße mit Mangold und Birne sowie Entrecôte mit Aubergine, Oliven, scharfer Harissa und Ricotta ans Herz gelegt wurde, klingelte mein Handy und ein hungriger Überraschnungsgast fragte, ob er spontan zu unserer kleinen Runde dazustoßen könne. Mein liebster Essensgeh-Freund Moritz, sonst im Pauly Saal anzutreffen, komplettierte kurz darauf unsere Bestellung mit einer perfekt gebratenen Perlhuhnbrust auf Kartoffelgratin, grünem Spargel und geschmorten Radieschen.
Wir waren uns einig, dass das Essen nicht nur handwerklich super zubereitet wurde – der Zander war perfekt kross und bekam durch den Miso-Kalbskopf-Sud eine kräftige Note, das Entrecôte war butterzart und die klassische Perlhuhnbrust saftig und alles andere als langweilig –, sondern das genau richtige Maß an “interessant” und “lecker” traf.
Abschließend ließen wir uns von Johanna zu einer kleinen französischen Rohmilchkäse-Auswahl überreden, die mit gerösteten Pekannüssen einen großartigen Schlusspunkt unter unseren Abend setzte.
Le Bon
Boppstraße 1
10967 Berlin
Montag – Freitag: 8:00 – 23:00 Uhr
Samstag – Sonntag: 9:00 – 23:00 Uhr
Dienstag: Ruhetag
Vielen Dank an Marlen Mueller für die schönen Fotos.
Vor zwei Wochen war Sarah in der Cevicheria essen. Noch mehr Abendbrot-Inspirationen könnt ihr euch in unserer Abendbrot-Rubrik holen.