ABENDBROT MIT AIDA #24 – Zsa Zsa & Loui in Rixdorf
Mittlerweile lebe ich nun schon einige Jahre in dieser Stadt, aber trotzdem verirre ich mich immer noch ziemlich oft. Das liegt teilweise an meinem schlechten Orientierungssinn, teilweise am Kiezdünkel, aber vor allem auch daran, dass ich jedes Mal, wenn ich in Rixdorf lande, mich in einem völlig anderen Raum-Zeit-Kontinuum wähne und daraufhin so verwirrt bin, dass ich nicht mehr weiß, wo rechts und wo links ist. Wenn ich am Böhmischen Gottesacker vorbeilaufe, fühle ich mich direkt in eine andere Welt katapultiert, mein Rennrad hüpft unruhig über das Kopfsteinpflaster am Richardplatz und ich freue mich über Scheunen und Häuschen wie daheim auf dem Dorf.
Ein bisschen wieder ins Jetzt holt Richardstraßen-Spaziergänger das neue Zsa Zsa & Loui, das vis-á-vis vom berüchtigten Sameheads liegt. Doch der Unterschied zwischen den beiden könnte kaum größer sein: Während sich im Sameheads die Untergrund-Schickeria auf MDMA-Bowle trifft, fühlt sich das Zsa Zsa & Loui eher an wie ein Ufo aus Mitte. Aber ein sehr freundliches, das auch Kontakt zu Alt-Rixdorfern und Neu-Neuköllner aufnimmt. «Alte Damen und Herren, die seit Jahrzehnten in den alten Häusern nebenan und obendrüber wohnen, kommen gerne vorbei auf einen Wein», erzählen die Betreiber Karina und Hyun, das Publikum sei sehr gemischt. Das Ehepaar wohnt schon seit einer Weile in der Gegend und hat sich mit dem kleinen Bar-Lokal-Imbiss-Café einen Traum erfüllt.
Wenn auch unter schwierigen Vorzeichen: In den Räumlichkeiten des Cafés war vorher eine alte Kneipe, wo seit Jahrzehnten nicht gelüftet wurde – der Umbau war zeitraubend, noch dazu betreibt Hyun Kimchi Princess und Soju Bar mit, wo zur gleichen Zeit umgebaut wurde und das Paar hat auch noch gleichzeitig einen zuckersüßen Sohn in die Welt gesetzt. Aber mittlerweile sind alle drei Projekte in trockenen Tüchern und die Türen des Zsa Zsa weit offen für alle, die Lust auf leckere Sandwiches, feine Drinks und wechselnde Suppen und Salate haben.
Beiden ist es wichtig, eine kleinere Karte anzubieten, dafür mit guten Zutaten zu arbeiten. Im Laufe der nächsten Monate soll noch Frühstück hinzukommen, bislang wird die Richardstraße mit Roastbeef, Mozzarella und Pimm's Cup versorgt. «Es gibt einfach keinen richtigen Sandwichladen in Berlin», sagt Hyun. Dabei sei das in anderen Ländern so viel mehr verbreitet. Hier gibt es die belegten Brote auf jeden Fall in der riesigen Luxusvariante. Mein Vitello Tonnato-Sandwich (Fisch UND Fleisch, man gönnt sich ja sonst nichts) kam in Wagenradgröße, dazu noch eine kleine Portion leckere, selbstgemachte Pommes und selbstgemachtes Ketchup. Wer nicht so sehr auf die geballte Kalorienkeule steht, kann sich zum belegten Brot natürlich auch Salat bestellen und traurig daran knabbern. Wenn es auch bestimmt lecker ist, denn der von unserer Begleitung bestellte Salat von der Tageskarte mit Ziegenkäse, roter Beete und gegrillter Paprika war auf jeden Fall großes Kino!
Das ganze kann der Cocktailliebhaber mit einer kleinen, aber netten Auswahl von eher unbekannten Kreationen und absoluten Alltime Favorites runterspülen. Der Barkeeper kennt selbst zwar noch nicht alles, was er da mixt, aber erfüllt auch ungeplante Wünsche – wie unseren Auftrag, uns alkoholfreie Alternativen zu kreieren. Wer bis weit nach Einbruch der Dunkelheit draußen sitzt, dem kann es irgendwann etwas duster werden, da die kleinen Kerzen nicht reichen. Drinnen dagegen lädt bislang eine grosse Sitzlandschaft zum Fläzen ein, doch es wird noch gebaut und gewerkelt, um das Zsa Zsa & Loui noch gemütlicher zu machen. Ich werde mich bestimmt in nächster Zeit öfter mal dahin verirren, schließlich ist meine Liebe zu Sandwiches und guten Drinks wohlbekannt. Und wer danach abstürzen will, hat es ja zum Sameheads nicht so weit.
Die Fotos hat diesmal Gilbert Bachour gemacht, der sonst auf seinem TipTopBlog Bilder vom Barbie Traumhaus, Jahrmärkten und betrunkenen Menschen veröffentlicht. Und wer bis zum nächsten Abendbrot noch mehr mit mir futtern möchte, meine Improkitchen freut sich auf Besuch.
