Sunday Scaries: Die Angst vor dem schlimmen Montag
Der Blick auf die Uhr lässt den Puls langsam in die Höhe steigen. Schon zwanzig nach acht. Draußen ist es zwar noch hell, doch vom Abend ist nicht mehr so viel übrig, zumindest nicht, wenn es morgen wieder früh rausgeht. Während eben noch das Nachglühen der Sonne auf der Haut zu spüren war, durchströmt jetzt ein kaltes Gefühl den Körper. Mist, im Posteingang hat sich bestimmt wieder einiges angesammelt und die liegengebliebene Aufgabe von Freitag ist immer noch unberührt. Und sollte ich nicht noch die Bilder des letzten Events auf den Laptop ziehen?
Meine Pläne sind jetzt aber andere: Joggen gehen, dann die Wäsche abhängen und endlich die Küche sauber machen. Tja, danach heißt es auch schon: Gute Nacht, damit ich wenigstens einmal in der Woche ausgeschlafen in den Tag starten kann. Moment: Was esse ich morgen zu Mittag und war nicht dieses wichtige Meeting am Dienstag? Fuck, warum ist morgen schon wieder Montag?
Sonntagabend oder Montagmorgen?
So sieht vermutlich der Tagebucheintrag vieler Menschen aus. Obwohl aktuell würde es eher "Bullet Journal" heißen und vielleicht würden die meisten sowieso nicht am Sonntagabend danach greifen. Was bleibt, ist aber das Gefühl, dass viele (arbeitende) Menschen genau jetzt verspüren. "Sunday Scaries", also die Angst vor dem kommenden Montag. Das mulmige und ungute Gefühl, dass das Wochenende vorbei ist. Das Gefühl, sich am liebsten wieder in den Freitagnachmittag zu beamen. Das Verlangen, einfach am Montag zu Hause zu bleiben.
Der Wochenendpodcast der Zeit mit Christoph Amend und Ubin Eoh beschäftigt sich tatsächlich in jeder Folge mit diesem Phänomen. Sie fragen ihre Gäste jedes Mal: Was ist schwerer auszuhalten – der Sonntagabend oder der Montagmorgen? Die Antwort vieler: besagter Sonntagabend.
2018 wurde eine Umfrage über dieses Gedankenkarussell durchgeführt. 90 Prozent der Befragten, die übrigens größtenteils Millennials gewesen sind, gaben an, eine innerliche Unruhe zu verspüren und die "Angst" vor dem Montag zu kennen. Wissenschaftlich bewiesen ist das Phänomen allerdings noch nicht – völlig absprechen sollte man diese Gefühle trotzdem nicht. Wer damit nichts anfangen kann, der*die kann sich zum einen glücklich schätzen, zum zweiten hilft vielleicht diese deutsche Übersetzung auf die Sprünge: Erwartungsangst.
Alleine die Gedanken an die bevorstehende Woche, gefüllt mit Aufgaben, Pflichten und Terminen, können echten körperlichen Stress auslösen. Während das Wochenende nach den eigenen Plänen und Vorstellungen gestaltet wird, tragen wir in der Arbeitswoche plötzlich Verantwortung, an uns werden Erwartungen gestellt. Im besten Fall möchten wir diesen gerecht werden, während wir am Wochenende vermutlich nur unser Wohlbefinden befriedigen wollen.
Von Wochenende zu Wochenende
Nicht nur, dass wir aufstehen müssen und unsere Zeit nicht mehr flexibel und frei einteilen können... wenn uns Social Media, Radios und die Gesellschaft im Allgemeinen dann noch verklickern, dass der Montag echt blöd ist, überlegt man tatsächlich, ob es nicht besser ist, blau zu machen. Danke Gesellschaft – der Wochenstart war nie leichter! Im Worst Case empfinden wir die Angst und Unlust vor der neuen Woche so stark, weil wir unseren Job schlichtweg nicht mögen. Wir uns also tagtäglich nur zum Überleben ins Büro schleppen und aufs nächste Wochenende hinarbeiten, um dann Sonntagsabend wieder verzweifelnd im Bett zu liegen.
Falls ich meine Arbeit irgendwann hasse, ich sonntagsabends schon auf den nächsten Freitag hinfieber, dann ist es Zeit, etwas zu verändern.
Die einfache Lösung: einen neuen Job finden. Das ist natürlich leichter gesagt als getan und auch wer seinen*ihren Job liebt, ist nicht befreit von Sunday Scaries. Trotzdem habe ich mit meinem naiven Blick einer Berufseinsteigerin den Anspruch an mich und meinen Job, dass ich mag, was ich tue. Falls ich meine Arbeit irgendwann hasse, ich sonntagsabends schon auf den nächsten Freitag hinfieber, dann ist es Zeit etwas zu verändern. Gehen wir aber mal nicht vom Worst-Case-Szenario aus, ich aber trotzdem Sonntagsabend manchmal einfach Überforderung und ein Unwohlsein vor dem Montag verspüre, können ein paar kleine Tricks helfen.
Kleine Alltagsinseln schaffen
Mir persönlich hilft es, Gedanken aufzuschreiben, womit wir wieder beim Bullet Journal wären. Es klingt so banal, aber was einmal auf Papier gebracht wurde, schwebt nicht mehr im Kopf. Wer lieber aktiv etwas unternimmt, sollte sich etwas Schönes für den Wochenstart vornehmen. Sei es Sport, einen netten Lunch mit Kolleg*innen oder eine tolle Verabredung am Abend: Vorfreude darauf macht den Montag erträglicher.
Last, but not least: Alltagsinseln. Klingt wie aus dem letzten "Self-Grow-Podcast", verändert aber das Mindset und das Arbeitsleben. Warum sollten wir die Woche nicht genauso wertschätzen wie das Wochenende? Frühstückt doch einfach mal am Dienstagmorgen Pancakes oder radelt nach Feierabend zum nächsten See. Es wäre vermutlich utopisch zu denken, Sonntagsabend mit dem Gefühl "endlich Woche" einzuschlafen. Gleichzeitig reicht es aber schon, nicht mehr in Panik zu verfallen, sobald sich das Wochenende dem Ende neigt.
Xenia Beitz