Kinder sind viel nützlicher, als ihr Ruf
"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.
Vor Kurzem habe ich hier darüber geschrieben, wie schwierig es sein kann, das eigene Kind heranwachsen zu sehen. Je größer es wird, desto unabhängiger wird es. Und wo man als Eltern gerade noch der Mittelpunkt einer Welt war, verliert man in der Wahrnehmung des Kindes zunehmend an Bedeutung. Für das eigene Ego – dann ja, auch Eltern dürfen ein Ego haben – kann das ein ziemlicher Dämpfer sein.
Was mir zum Glück jedoch immer öfter auffällt, ist, dass ein größer werdendes Kind durchaus auch Vorteile mit sich bringt. Beim Einkaufen kann man ihm zum Beispiel eine oder zwei Tüten umhängen, damit man selbst nicht so viel schleppen muss. Man kann es zum Briefkasten die Post holen schicken, um noch gemütlich eine Runde im Bett liegen zu bleiben. Beim Zugfahren kann man es beim Einstieg vorlaufen lassen, damit es zwischen den Beinen der anderen Reisenden durchschlüpft und einem die besten Sitzplätze sichert.
Kinder bringen auch Vorteile mit sich
Gerade erst war es mal wieder soweit, dass mich ein Virus niedergestreckt hat. Vielleicht war es auch nur der Magen, den ich mir durch meinen zweifelhaften Lebenswandel verdorben habe. So oder so musste ich das Bett hüten. Wie alle wissen, sind Männer immer tausendmal schlimmer krank als Frauen. Oder um es mit Jochen Schmidt zu sagen: "Der männliche Körper ist wie ein Turm, nimmt man ein Steinchen heraus, fällt alles in sich zusammen."
Ich meine, darum kriegt man doch Kinder: Damit man im Alter von ihnen gepflegt wird.
Ich war deshalb äußerst froh, dass meine Tochter Wanda mir in diesen Tagen Gesellschaft leistete. Mit kleinen Kindern ist man nämlich doppelt angeschissen, wenn man sich eine Krankheit eingefangen hat. Weil die ja trotzdem versorgt werden müssen, auch wenn man selbst dringend Erholung braucht. Mit ihren acht Jahren hat Wanda dagegen längst beste Krankenschwester-Qualitäten erworben. Fürsorglich kochte sie mir einen Schwefel-Anis-Fichte-Tee, hauchte mir hier und da ein Trostküsschen auf die Stirn. Ich meine, darum kriegt man doch Kinder: Damit man im Alter von ihnen gepflegt wird.
Eine weitere Eigenschaft, die sich bei meiner Tochter mit zunehmendem Alter ausprägt, ist ihr Ordnungssinn. Ach was, sie entwickelt regelrechte Hausfrauen-Allüren. Keine Ahnung, woher sie das hat. Stundenlang räumt sie neuerdings ihr Zimmer auf, putzt das Fenster, macht mit militärischer Präzision ihr Bett. Ich muss jedes Mal ernsthafte Überzeugungsarbeit leisten, um sie dazu zu bewegen, dort mal wieder zu spielen – weil dabei zwangsläufig Unordnung entsteht. Einerseits ist mir diese mönchische Ader unheimlich, andererseits bin ich froh, dass mir selbst dadurch das Aufräumen erspart bleibt.
Natürlich sind es nicht nur solche pragmatischen Eigenschaften, die ich an Wanda zu schätzen lerne. Wenn wir zusammen unterwegs sind und ich mich über die Gattung Mensch ärgern muss, brauche ich gar nicht mehr lautstark zu schimpfen. Wanda wirft mir einen wissenden Blick zu, dann lachen wir beide – und schon ist meine schlechte Laune verflogen.
Natürlich sind es nicht nur solche pragmatischen Eigenschaften, die ich an Wanda zu schätzen lerne. Ich mag auch unsere wachsende Vertrautheit, die längst eine Art "shining" geworden ist. Wenn wir zusammen im Gesundbrunnen-Center unterwegs sind und ich mich über die Gattung Mensch ärgern muss (Exemplare, die vor Rolltreppen stehenbleiben, um sich erst einmal umzuschauen, die Frau vom Parfümstand, die einem nonchalant ihre giftigen Wolken in die Lunge sprüht, etc.), brauche ich gar nicht mehr lautstark zu schimpfen. Wanda wirft mir einen wissenden Blick zu, dann lachen wir beide – und schon ist meine schlechte Laune verflogen.
Besorgt euch eins, es wird euer Schaden nicht sein.
Alles in allem bringt mich das zu der Erkenntnis, dass so ein Kind eigentlich ziemlich praktisch ist. Es dauert zwar, bis sich die Anschaffung wirklich auszahlt, man muss eine Menge Geld und Geduld investieren, doch am Ende ist es eine echte Win-Win-Situation. Besorgt euch eins, es wird euer Schaden nicht sein. Dafür stehe ich mit meinem Namen.
*Name geändert