Mit oder gegen die Periode: Zyklusorientiertes Arbeiten kann Chancen bieten

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Ziehende Schmerzen im Rücken und starke Krämpfe im Bauch, die sich wie Messerstiche anfühlen, sodass aufrechtes Stehen fast unmöglich wird. Ohne Wärmflasche und Schmerzmittel geht heute wirklich nichts und meine Konzentration werde ich heute auch nicht mehr finden. Am liebsten würde ich im Bett und bei meiner eigenen Toilette bleiben. Aber krankmelden, wegen meiner Tage, das geht doch nicht, oder?

"Menstruationsurlaub" und das spanische Vorbild

Diese Frage stelle ich mir gerade dann, wenn es besonders schlimm ist, und ich das Pech habe, dass mein Periodenstart auf einen Wochentag fällt, es mir beschissen geht und ich dennoch arbeite. In Spanien wurde dafür ein neues Gesetz erlassen und auch wenn im Deutschen die Übersetzung "Menstruationsurlaub" hinkt – Periodenbeschwerden sind nun wirklich kein Urlaub – sollte das auf jeden Fall die Debatte anregen. Seitdem dürfen Frauen dort nämlich von der Arbeit fernbleiben, ohne Krankschreibung und bei vollem Gehalt.

In Deutschland hingegen sind der Job und die eigene Menstruation meist ein Tabuthema. Menstruationsprodukte auf die Toilette zu legen ist für viele Arbeitgeber*innen das höchste der Gefühle, reicht aber längst nicht aus. Ebenso wenig reicht es, davon auszugehen, dass Schmerzmittel alles regeln. Stattdessen könnten wir zyklusbasiertes Arbeiten ernst nehmen und als große Chance nutzen.

Den Zyklus verstehen lernen

Doch die können wir erst nutzen, wenn wir den Zyklus verstehen – und hier geht der Appell an alle, auch an diejenigen ohne Uterus. Insgesamt lässt sich der monatliche Zyklus in vier Phasen einteilen. Das Wichtigste: Die Hormonveränderungen führen zu unterschiedlichen Stimmungen und so auch zu verschiedener Leistungsfähigkeit.

Kurz vor meiner Periode und am ersten Tag der Blutung bin ich beispielsweise unkonzentriert, leichter reizbar und energielos. Dazu kommen dann starke, krampfartige Rücken- und Unterleibsschmerzen. Mit diesen Symptomen bin ich übrigens nicht alleine. Laut Studien leiden rund 63 Prozent der menstruierenden Menschen in dieser Zeit unter starken Bauchschmerzen. (Disclaimer: Unterleibsschmerzen sind keine normalen Bauchschmerzen!)

Ich wünsche mir, meine Zeit und Ressourcen flexibel einteilen zu können. Manchmal habe ich 'nur' drei Stunden starke Schmerzen, in denen ich nicht arbeiten kann und dann eine längere Pause machen muss.

Kreatives Arbeiten oder Phasen, in denen ich mich lange fokussieren muss, sind hier kaum möglich. In dieser Lutealphase strengt mich der Umgang mit anderen Menschen, auch mit meinen Kolleg*innen, an und ich ziehe mich mehr zurück. Deswegen ist es für mich sinnvoll, organisatorische und mir bekannte Aufgaben zu erledigen – am besten im Homeoffice. Instagram-Storys oder andere Aufgaben, bei denen ich mich zeigen oder mit anderen interagieren muss, fallen mir in dieser Zeit besonders schwer.

Wärmflasche
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Fürs Arbeiten wünsche ich mir, meine Zeit und Ressourcen flexibel einteilen zu können. Manchmal habe ich nur für drei Stunden starke Schmerzen, in denen ich nicht arbeiten kann und dann eine längere Pause machen muss. Auch eine zu hohe Belastung und Stress überfordern mich schneller und sollten vermieden werden. Dann lohnt es sich, gemeinsam mit dem Team darüber zu sprechen, welche Aufgaben übernommen oder auf die kommende Woche geschoben werden können. Es gibt aber auch Good News, denn der Zyklus einer Frau* hat nicht nur "negative" Auswirkungen, sondern kann im Arbeitsalltag auch zugunsten aller genutzt werden – Arbeitnehmer*innen und -geber*innen.

Mein Zyklus hat auch gute Phasen

Während der Ovulationsphase, also die Zeit des Eisprungs, spielen uns die Hormone nämlich positiv in die Karte, Testosteron und Östrogen sind auf ihrem Höhepunkt. Das führt meist dazu, dass Frauen* sich ziemlich gut fühlen – mir geht es zumindest so. Ich bin konzentrierter, kann besser mit Stress umgehen, bin energetisch und fühle mich wohl in meiner Haut. Perfekte Voraussetzungen also für gutes Arbeiten. Kreative Aufgaben und eine höhere Belastung sind in dieser Zeit kein Problem. Also eine Win–Win-Situation für mich und meinen Arbeitgeber.

Natürlich ist zyklusorientiertes Arbeiten nicht in allen Berufsbranchen umsetzbar und logischerweise sind Menstruationsbeschwerden von Mensch zu Mensch individuell. Trotzdem sollten wir nicht immer von Extrembeispielen wie Ärzt*innen oder Pfleger*innen ausgehen. Bei den rund  14,8 Millionen Menschen in Deutschland, die in Büros arbeiten, wäre zyklusorientiertes Arbeiten auf jeden Fall machbar.

Wie kann ein zyklusbasiertes Arbeiten aussehen?

Ob es dafür, wie in Spanien, unbedingt eines Gesetzes bedarf, möchte ich nicht entscheiden. Ich würde mir aber wünschen, dass Arbeitgeber*innen flexible Möglichkeiten für das Arbeiten mit Periodenbeschwerden bieten. Ich weiß, dass ein nicht menstruierender Chef sich nur schwer vorstellen kann, wie es mir geht, wenn meine Blutung mich mal wieder aus den Latschen haut – aber wenn wir darüber sprechen, lernen es andere vielleicht besser zu verstehen und einzuschätzen.

Denn am Ende kann eben niemand besser einschätzen, wie es mir mit meiner Periode wirklich geht, als ich selbst.

Unternehmer*innen könnten ihren Mitarbeiter*innen zum Beispiel anbieten, bei Periodenbeschwerden jederzeit von zu Hause aus arbeiten zu dürfen. Außerdem sollte es kein Tabu sein, sich aus diesem Grund krankzumelden und das offen zu kommunizieren. Denn am Ende kann eben niemand besser einschätzen, wie es mir mit meiner Periode wirklich geht, als ich selbst. Und deswegen klappe ich inzwischen dann auch meinen Laptop zu und lege mich mit meiner Wärmflasche ins Bett.

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