Lesevergnügen #27: Lesenswerte Neuerscheinungen im Frühjahr 2023

© Ebert und Weber

Lesen gehört zu jenen Dingen, die man wirklich zu jeder Jahreszeit machen kann. Im Winter gemütlich auf der Couch schnuckeln und die Nase tief in einen Roman stecken? Lieben wir. Bei lauen Temperaturen im Park oder am Wasser entspannen und sich in fremde Welten treiben lassen? Fast genauso so schön, wie die Urlaubslektüre am Strand zu verschlingen. Wem noch die passenden Bücher für den Frühling fehlen, für den*diejenige hält die Verlagswelt auch diesmal wieder einige Highlights parat.

Mit Florence Given dürft ihr euch durch das wilde Liebesleben der Londoner*innen blättern, Betiel Berhe ruft dazu auf, Klassismus hinter sich zu lassen und Benjamin von Stuckrad-Barre ist endlich wieder (heimlicher) Auslandskorrespondent für Los Angeles.

© KiWi Verlag

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Florence Given: "Girlcrush"

Florence Given ist Autorin, Illustratorin, Feministin, Aktivistin. Was als Karriere im Internet begonnen hat, führte 2020 zu ihrem ersten Erfolgsbuch "Women don't owe you pretty" und mündet nun in ihrem ersten eigenen Roman – der es direkt auf Platz Eins der Sunday Times-Bestsellerliste geschafft hat. In "Girlcrush" trennt sich Protagonistin Eartha endlich von ihrem toxischen Partner und entdeckt das schöne, wilde Leben Londons. Sie lebt offen als bisexuelle Frau und wird nebenbei zu einem Social-Media-Star. Es könnte alles so schön sein, würde sich ihr reales Bewusstsein nicht immer mehr von ihrem Online-Ich entfernen. Wie kommt sie da nur wieder raus?

© Luchterhand Verlag

2
Claire-Louise Bennett: "Kasse 19"

Claire-Louise Bennett zählt zu den aufregendsten literarischen Stimmen der feministischen Gegenwartsliteratur Großbritanniens. Ihre Protagonistin bemerkt früh, dass sie das Schreiben fasziniert. In der Schule schreibt sie kleine Geschichten in ihre Hefte, sie scannt ihre Umgebung und verwendet alles, was ihr im Alltag begegnet, für ihre Erzählungen. Und während sie Tagsüber an der Supermarktkasse 19 sitzt, ist das so einiges an Storymaterial. Mit ihrem ersten Roman hat sie nicht nur eine mitreißende Geschichte über eine junge Frau, die sich selbst, ihren Körper und ihre Unabhängigkeit kennenlernt, geschrieben. Sie hat gleichzeitig eine wunderschöne Liebeserklärung an die Literatur verfasst.

© Aufbau Verlag

3
Betiel Berhe: "Nie mehr leise. Die neue migrantische Mittelschicht"

Als Kind einer Arbeiter*innenfamilie ist Betiel Berhe zwischen Hochhäusern aufgewachsen und hat nicht nur Rassismus, sondern auch strukturellen Klassismus erlebt. Um dagegen anzukämpfen, arbeitet sie heute als Anti-Rassismus- und -Klassismus-Trainerin, hat das "Institut für Social Justice & Radical Diversity" in München gegründet und schreibt über ihre Erfahrungen. In ihrem Buch berichtet sie davon, wie schwer der soziale Aufstieg wirklich ist und woher diese "neue" migrantische Mittelschicht kommt, die sich gegen strukturellen Rassismus und Klassismus stellt. Sie zeigt auf, wie sich unsere Welt gerade im Wandel befindet, wo mehr Bedarf für Solidarität herrscht – und wie man das gemeinsam schaffen kann.

© Diogenes Verlag

4
Daan Heerma van Voss: "Die Sache mit der Angst. Und wie ich lernte, damit zu leben"

Wir alle haben Ängste. Egal ob wir sie zulassen oder gegen sie ankämpfen, es größere oder kleinere Dinge sind, die in uns Angst auslösen: Ängste begleitet uns alle in unterschiedlicher Ausprägung. Bei Autor Daan Heerma van Voss sind Ängste besonders stark ausgeprägt, so sehr, dass seine Freundin ihn mit der Begründung verlässt, er habe zu viel Angst vorm Leben. Um seiner Angststörung auf den Grund zu gehen, beschließt er deshalb seine Sachen zu packen, reist von Amsterdam nach Jakarta und San Francisco und versucht herauszufinden, was Angst überhaupt ist, woher sie kommt und was er dem entgegensetzen kann.

© KiWi Verlag

5
Sebastian Hotz: "Mindset" (05. April)

Sebastian Hotz ist den meisten vermutlich eher als El Hotzo aus dem Internet bekannt. Für seine kurzen Tweets hat er deutschlandweit Aufmerksamkeit bekommen. Sein erstes Buch "Mindset" lässt die Twitter-typischen 28o Zeichen hinter sich und uns in eine Welt eintauchen, in der Männer nicht an ihre Durchschnittlichkeit glauben wollen und eine Gesellschaft existiert, die deren Eskapaden verdauen müssen. Maximilian Krach ist so ein Mann. Er ist erfolgreich im Internet, besitzt teure Uhren und eine stattliche Anzahl an Follower*innen und gibt nebenbei Seminare, damit auch andere von ihm lernen können, so ein "geiles" Leben zu führen. Einer dieser anderen ist Mirko. Was eine Pizzabestellung und Gütersloh mit Mirkos eventuellem sozialen Aufstieg zu tun haben? Lest mal rein.

© Blumenbar Verlag

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Hengameh Yaghoobifarah: "Habibitus" (18. April)

Seit 2016 schreibt Hengameh Yaghoobifarah ihr Kolumne "Habibitus" in der taz. Sie klärt ihre Leser*innen darüber auf, warum Crocs stylisch sind, ein Leben ohne Kinder erstrebenswert ist und Dumplings nicht nur wahnsinnig lecker schmecken, sondern möglicherweise auch die Geheimwaffe für den Weltfrieden darstellen. In ihrem nun erscheinenden, gleichnamigen Buch sind ihre besten Texte gebündelt. Scharfsinnig, eigenwillig, politisch und immer komisch. Das perfekte Buch für zwischendurch.

© Blumenbar Verlag

7
Szilvia Molnar: "Milchbar"

Wenn man ein Baby auf die Welt bringt, ändert sich das Leben schlagartig. Aber bedeutet Mutter werden auch immer zwangsläufig Mutterglück? Plötzlich ist da ein komplett auf einen angewiesenes Lebewesen, um das man sich kümmern soll – und das, obwohl man selbst gerade im Ausnahmezustand, der Körper geschunden und erschöpft ist. Auf viele Fragen hat man zu diesem Zeitpunkt einfach noch keine Antwort. Molnar beschreibt in ihrem neuen Buch allerdings auch andere Seiten des Mutterwerdens und erzählt von einer jungen Mutter, die überwältigt, einsam, ängstlich und aufgeregt zugleich ist. Eine Mutter, die nach der Geburt viel Zeit alleine in ihrer Wohnung verbringt, sich in einer Spirale zwischen Stillen, Wickeln und Tragen gefangen sieht, deren einzig regelmäßiger sozialer Kontakt ein älterer Nachbar und die auf der Suche nach ihrem neuen Ich in der neuen, noch ungewohnten Situation ist.

© KiWi Verlag

8
Benjamin von Stuckrad-Barre: "Noch wach?" (19. April)

Es ist kein Stuckrad-Barre-Roman, wenn nicht irgendwo in der Erzählung ein junger Mann wäre, der eigentlich in Berlin lebt, aber zwischenzeitlich im legendären Chateau Marmont residiert. Die Details: Der Ich-Erzähler lebt während des Aufkommens der #MeToo-Debatte in Los Angeles, lernt Rose McGowan kennen, die erste Frau, die sich öffentlich über die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein geäußert hat. Sie hinterlässt eine kryptische Nachricht, die den Protagonisten zunächst ratlos hinterlässt – doch auch er merkt, dass die starren Machtgefüge schwerer zu überwinden sind, als erhofft. Ein spannendes Gesellschaftsporträt über Frauen, die neuerdings "schwierig" sind,  Männer, die denken, sie könnten sich gegenüber Frauen alles erlauben und die Frage, wie wir aus dieser Nummer endlich rauskommen.

© Diogenes Verlag

9
Ayanna Lloyd Banwo: "Als wir Vögel waren" (26. April)

Eigentlich enden auf dem Friedhof die meisten Dinge. Nicht so bei Darwin, dem jungen Rastafari, der auf der Suche nach seinem Vater in Port Angeles in Trinidad landet – und dort anfängt als Totengräber zu arbeiten. Dort, wo viele ihre letzte Ruhe finden, findet er nämlich wiederum die Liebe. Doch Yejides ist anders, denn sie kann mit Toten sprechen. Laut einer alten Legende fungieren Rabengeier, große schwarze Vögel, als Wachen zwischen den Lebenden und den Gestorbenen. Von jenen Vögeln stammt auch Yejides Familie ab. Als ihre Mutter stirbt, ist sie an der Reihe, in ihre Fußstapfen zu treten, doch darauf hat sie keine große Lust.

© KiWi Verlag

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David Schalko: "Was der Tag bringt" (26. April)

Felix ist lange genau das, was man sich unter einem erfolgreichem Start-up-Gründer vorstellt. Er ist Ende 30, hat mit seinem nachhaltigen Catering Erfolg, lebt in einer Eigentumswohnung, besitzt teure Uhren und Autos. Doch als die Pandemie plötzlich über die Welt hereinbricht, läuft es zunehmend schlechter für ihn. Er muss seine Firma schließen, seine teuren Habseligkeiten verkaufen und die von seiner Mutter geerbte Wohnung untervermieten, um über die Runden zu kommen. Und so zieht Felix mit Ende 30 regelmäßig von Gästecouch zu Gästecouch – was selbst an den besten Freundschaften nicht spurlos vorbeigeht. Sein ganzes Leben liegt vor ihn in Scherben und Felix beginnt zu hinterfragen, wie man eigentlich den Sinn des Lebens findet, was ihn glücklich macht und was man eigentlich unternehmen sollte, wenn man nicht immer nur arbeiten will.

© Aufbau Verlag

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Louise Erdrich: "Jahr der Wunder" (17. Mai)

Während in Minneapolis zahlreiche Menschen auf die Straßen gehen, um gegen rassistische Polizeigewalt zu demonstrieren, geschehen in einer kleinen Buchhandlung wundersame Dinge. Die langjährige Kundin Flora stirbt – und lebt fortan als Geist vor Ort weiter. Eine besondere Beziehung hegt sie zur Mitarbeiterin Tookie, die nach einer Gefängnisstrafe in besagter Buchhandlung arbeitet und ihr Glück sucht. Doch statt nur nach vorne schauen zu können, bringen seltsame Zeichen von Flora sie dazu, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Eine schöne Erzählung der Pulitzer-Preisträgerin Louise Erdrich, in der es um die Liebe zu Büchern, Buchhandlungen und das magische Band zwischen Lesenden geht.

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