11 Kunst-Highlights im Oktober, die ihr nicht verpassen solltet
Eigentlich gibt es in Berlin jeden Tag Kunst zu sehen. Eine Performance, eine Ausstellung, eine Führung – kein leichtes Unterfangen also, die Empfehlungen für Ausstellungen & Co. in Berlin aufs Minimum zu reduzieren. Der Übersicht halber, und natürlich weil wir nicht wollen, dass ihr in der Qual der Wahl untergeht, haben wir 11 wundervolle, inspirierende, lehrreiche und unterhaltsame Kunst-Highlights herausgesucht, auf die wir uns in diesem Monat besonders freuen. Here you go:
1 Mey Seifan & slowfuture: How Am I Here?
Die Choreografin und Künstlerin Mey Seifan verarbeitet in "How Am I Here" kollektives Trauma und Träume von syrischen Geflüchteten. Seifan, selbst gebürtige Syrerin, greift in diesem Projekt die Unruhe und Angst auf, die viele Syrer*innen auch Jahre nach der Flucht beim Gedanken an eine Rückkehr in ihre einstige Heimat noch empfinden. In Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Kollektiv Slowfuture ist ein vielschichtiges Werk entstanden, das im ehemaligen Flughafen Tempelhof nochmal eine ganz andere Wirkung erlangt. Ein Besuch lohnt sich.
2 Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation
Wir reden viel und sagen oft so wenig – zum Beispiel über Perioden. Irgendwo zwischen feministischem Kampfbegriff und patriarchalem Shaming-Tool taucht das Thema Menstruation zwar immer wieder im Mainstream auf, aber so richtig am Schopf packen wir das Problem der fehlenden Normalisierung und Enttabuisierung eben nicht. Anders möchte es die Ausstellung "Läuft." im Museum Europäischer Kulturen machen. Anhand von Videos und Sprachaufnahmen, aber auch Grafiken, Zeitungsartikeln und Alltagsgegenständen, soll hier "eine Geschichte des Pragmatismus und der Utopien, des Erfindungsreichtums und Aktivismus" erzählt werden. Wir sind gespannt und kaufen schon mal Tickets vor.
3 The Struggle of Memory, Part 2
Gesellschaftlicher Fortschritt basiert auf der Lernbereitschaft und -fähigkeit der Menschen. Aus Vergangenem lernen und darauf aufbauen kann man jedoch nur, wenn es Referenzen und Bezüge gibt. Viele Möglichkeiten, ein solches kollektives Gedächtnis aufzubauen, wurden durch Kolonialregimes strukturell unmöglich gemacht oder zerstört. Das Bewusstsein darüber macht sich der zweite Teil der Ausstellung "The Struggle of Memory" zu eigen und zeigt Werke von Künstler*innen, die private Familienarchive durchstöbert oder alternative Realitäten und Utopien imaginiert haben.
4 Luz Peuscovich: Por la Paz
Luz Peuscovich nutzt in ihrer Kunst oft Kristalle und kristalline Strukturen und verarbeitet darin das Höchstpersönliche: Beobachtungen, interne Konflikte, vor allem aber zwischenmenschliche Beziehungen. In ihrem Projekt "Por La Paz", das ihrer kürzlich verstorbenen Schwester Paz gewidmet ist, setzt sich Peuscovich visuell filigran und feinfühlig mit der Vergänglichkeit und Endlichkeit auseinander. "Es gibt nichts, was Heiliger ist, als die Verbindung zu Erinnerungen an Verstorbene", schreibt sie selbst auf ihrem Instagram-Account dazu. "Darin liegt eine unendliche und unsterbliche Liebe."
5 Grünzeug. Pflanzen in der Fotografie der Gegenwart
Ob ihr's glaubt oder nicht, Pflanzen sind nicht erst ein Ding, seit Millennials die Monstera für sich entdeckt haben und sie wie ihr Haustier ständig auf Instagram posten. Nein, Pflanzen haben in der Kunst schon immer, und speziell in der Fotografie seit Beginn des 19. Jahrhunderts ihren festen Platz. Und genau darum geht es in der Ausstellung mit dem pointierten Titel "Grünzeug" in der Berlinischen Galerie: In den Werken internationaler Künstler*innen werden hier Baum, Blatt und Blüte fotografisch in ihrem Zusammenspiel mit der Natur und menschlichem Leben gezeigt. Wer also den weiten Blick ins Grüne sucht, dabei aber gerne mitten in Kreuzberg bleiben möchte, sollte hier einfach mal vorbeischauen.
6 Human Tapestry
"Human Tapestry" ist eine Gruppenausstellung von Jerrell Gibbs, Riley Holloway, Collins Obijiaku, Patrick Quarm und Raelis Vasquez. Die fünf jungen Schwarzen Künstler behandeln in ihren Arbeiten Menschen, die ihnen nahestehen oder die sie tagtäglich umgeben. In satten Farben und aus nächster Nähe werden so Charaktere gezeichnet, die verletzlich, nahbar und zugänglich sind. Die harten Grenzen der stereotypen Rollenzuschreibungen von etwa Männlichkeit und Schwarzsein oder geschlechtlichen Identitäten und öffentlichem Auftreten werden aufgeweicht. So entsteht die namengebende "Human Tapestry", ein Wandteppich also, der die Menschlichkeit der gezeigten Personen sowie die der Künstler in all ihren Facetten visuell greifbar macht und Geschichten erzählt, die es wert sind, erzählt, gehört und gesehen zu werden.
7 The Great Repair
Der Klimawandel und seine Konsequenzen machen vor niemandem Stop, der Konsens ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und trotzdem hören wir nicht auf, schneller, weiter und höher hinaus zu wollen. "The Great Repair" macht mit mehr als 40 Werken auf die Widersprüche zwischen nachhaltigem Handeln und Wachstumsbestrebungen aufmerksam. Natürlich befinden sich darunter auch Arbeiten, die potentielle Alternativen aufzeigen und sich mit dem Begriff einer Reparaturgesellschaft beschäftigen, in der stetiger Konsum und schneller Wachstum nicht das A und O sind.
8 Havanna Berlin Stories: Geschichten aus Havanna und Berlin
In "Havanna Berlin Stories" werden, wie der Name schon verrät, Geschichten und Biografien von Menschen aus beiden Städten erzählt. Dabei sind es ganz unterschiedliche Welten, die teilweise doch Parallelen aufweisen. Gezeigt werden Kurzfilme und Videoinstallationen, aber auch multimediale Werke, wie die des Berliner Künstlers Thomas Bratzke, der aus einer kubanisch-ostdeutschen Familie stammt. Bratzke erzählt in seiner Arbeit "Mit uns zieht die fremde Zeit" von den Teilungs- und Trennungsschmerzen und dem Zusammenspiel von harter politischer Realität und dem privaten Alltag seiner Familie an beiden Orten. So zeigen auch die Fotografien der kubanischen Künstlerin Eileen F. Almarales Noy die Diskrepanz zwischen der romantisierten touristischen Wahrnehmung Kubas und den extremen, oft autoritären Umständen im Land selbst auf.
9 Home Street Home – Wege aus der Obdachlosigkeit
In Deutschland hat jeder Mensch das Recht auf Wohnen und gab es 2022 rund 263.000 obdach- oder wohnungslose Menschen. Um diesen Missstand zu beleuchten und gleichzeitig zu zeigen, dass es auch anders geht, hat sich die Fotografin Debora Ruppert auf eine Reise durch Deutschland begeben und monatelang mit Menschen begleitet, die nach einer Zeit ohne festes Zuhause wieder einen Rückzugsort gefunden haben. Sie geben Einblicke in ihre Biografien und zeigen, wie divers das Spektrum an Gründen und Geschichten der Wohnungslosigkeit ist, wie schnell es gehen kann, alleine dazustehen, und wo es konkreten Handlungsbedarf, aber auch ein Stück Hoffnung gibt.
10 Frauen hinter dem Webstuhl: Vom Bauhaus zum Bosporus
Kelims kommen zwar nicht aus Deutschland, doch die moderne Webart der dekorativen Teppiche wurde im 20. Jahrhundert nach deutschem Beispiel überarbeitet: Gunta Stölz, Weberin und Textildesignerin, war die erste Meisterin ihrer Art der Bauhaus-Kunstschule und gilt bis heute als Pionierin der neuen Handwebkunst. Nach ihrem 1923 entstandenen Original weben nun auch Frauen im anatolischen Kirkit Kelims. Die Ausstellung zeigt Porträts der türkischen Weberinnen, ihre handgeknüpften Arbeiten, aber auch Teppiche, die sich an den Arbeiten weiterer Bauhaus-Künstler*innen orientieren. Ein kleines Juwel für alle, die Handwerkskunst, Interieur und Design mögen – und wer über das nötige Kleingeld verfügt, kann vielleicht sogar einen der Teppiche direkt mit nach Hause nehmen.
11 Bruno Pélassy and the Order of the Starfish
Das Haus am Waldsee widmet sich mit der Ausstellung "Bruno Pélassy and the Order of the Starfish" dem französischen Künstler auf zweierlei Weise: Einerseits werden Werke von Pélassy selbst gezeigt, in denen er sich zu Lebzeiten mit gesellschaftspolitischen Themen wie Werten und Binaritäten, Begehren und Gender. Andererseits werden seinen Arbeiten die einiger Zeitgenoss*innen zum Austausch gegenübergestellt, um die Wirkung so ergänzend noch einmal hervorzuheben und bestimmte Akzente zu unterstreichen. So ist an diesem wunderschönen Ort im Südwesten Berlins nicht nur Pélassys Werk, sondern auch das von Soshiro Matsubara oder Marc Camille Chaimovicz zu sehen.