Wie geht man am besten mit Hatern um?

© Wiebke Jann

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Nun sieht er seine Tochter Wanda* nur noch am Wochenende. Ein Alltag zwischen Sehnsucht und Großstadt-Exzessen.

Die Ferien in Berlin sind zu Ende, in Meckpomm, wo meine Tochter zur Schule geht, fangen sie gerade erst an. Wanda* wird den größten Teil davon bei mir verbringen, wirkt jedoch geknickt, als ich sie abhole. Wie immer, wenn etwas an ihr frisst, dauert es eine Weile, bis sie darüber redet. Ich befürchte schon, dass sie lieber bei ihrer Mutter auf dem Bauernhof geblieben wäre. Doch die Tränchen haben einen anderen Grund.

„Im Hort sind ein paar Jungs aus der Zweiten zu mir gekommen und haben gesagt, dass mein Bild doof aussieht.“

„Was geht die denn dein Bild an?“, frage ich.

„Ich weiß nicht“, weint sie. „Ich hab einfach nur gemalt und dann kamen die zu mir und haben gesagt, dass es hässlich ist.“

Ich überlege, wie ich sie trösten kann, ohne die Kretins aus der Zweiten als Arschlöcher zu beschimpfen. Die Schönheit des Bildes zu loben, reicht in so einem Fall aus Erfahrung nicht. Ulkigerweise kann ich sogar verstehen, wie Wanda sich fühlt. Auch mir wird regelmäßig ans Bein gepinkelt. Allerdings nicht in der Schule, sondern bei Facebook.

Die Sache mit dem Shitstorm

An sich freue ich mich über Hass-Kommentare. Mehr sogar, als über Lob. Denn was die Hater nicht wissen: Sie sind die effektivsten Multiplikatoren. Nichts sorgt zuverlässiger für viele Klicks als ein Shitstorm. Außerdem erzeugt es eine merkwürdige Faszination zu beobachten, wie die Leute sich an ihrem eigenen Gift verschlucken.

Es macht mir nichts aus, wenn jemand mich oder meine Texte scheiße findet. Nach zwölf Jahren als Kolumnist und Bühnenkünstler, in denen ich auch oft genug im Real Life beschimpft wurde, gehört das zum Alltag. Wogegen ich leider noch nicht immun bin, ist die relativ junge Gattung komplett ignoranter Hater. Die einem die unverschämtesten Dinge unterstellt, ohne überhaupt gelesen zu haben, was man geschrieben hat.

© Screenshot Facebook

Es gibt etliche Kolleginnen und Kollegen, die mir von ähnlichen Reaktionen berichten. Und die auch nicht verstehen, woher diese destruktive Energie kommt. Solche Leute würden sogar Juli Zeh als Nazi beschimpfen, nur weil sie aufgeschnappt haben, dass ihre Protagonistin in „Über Menschen“ sich mit einem anfreundet. Und das Schlimmste daran: Wenn man die Profile der Hater betrachtet, sind das oft Leute, die sich selbst demonstrativ nach einer besseren Welt sehnen. Die Hunde-Suchmeldungen verbreiten und griffige, gegen die AfD gerichtete Sticker posten. Gleichzeitig vergiften sie das Netz trotzdem mit ihren Kommentaren.

Solche Leute würden sogar Juli Zeh als Nazi beschimpfen, nur weil sie aufgeschnappt haben, dass ihre Protagonistin in „Über Menschen“ sich mit einem anfreundet.

Für mich sind solche Erfahrungen eigentlich ein Grund aufzuhören. Die „Sozialen Medien“ zu verlassen, um nicht Zeuge dieser Verrohung werden zu müssen. Genauso kann ich verstehen, dass meine Tochter im Hort lieber gar nicht mehr malt, um nicht von irgendwelchen Idioten gedisst zu werden. Leider kommt das einer Kapitulation gleich, und das ist nicht akzeptabel. Auch wenn man keine Lust hat zu kämpfen, muss man es manchmal tun.

„Weißt du“, sage ich deshalb zu Wanda, „die Hauptsache ist doch, dass du überhaupt etwas machst. Ich finde dein Bild sehr schön. Aber selbst wenn es mal nicht so gelungen ist, hast du trotzdem etwas erschaffen. Die, diese Jungs aus der Zweiten, die haben gar nichts. Die haben nur ihren doofen Hass.“

Wanda nickt zögerlich. Ich weiß nicht, ob die Message bei ihr wirklich ankommt. Allerdings werden wir beide bestimmt noch oft Gelegenheit haben, unsere Abwehrkräfte zu mobilisieren. Und das stimmt einen doch fast wieder zuversichtlich.

© Mit Vergnügen

* Name geändert

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