Bonuspapa unleashed – alle mal ausrasten
"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Inzwischen hat er eine Freundin, die selbst Mutter ist. Dabei war er immer zufrieden, mit seiner Tochter Wanda* nur ein Einzelkind zu haben. Doch Zeiten ändern sich. Clint findet man auch bei Instagram.
Kann man cool bleiben, obwohl man ein Kind hat? Diese Frage stelle ich mir nun schon seit fünf Jahren und weiß es immer noch nicht. An manchen Tagen ist es ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn man sich für die Leibesfrucht sklavisch ins Zeug legt, ihretwegen auf den Spielplatz oder ins Schwimmbad geht, und trotzdem nur Beschwerden zu hören kriegt. "Papa, ich kann nicht mehr laufen. Wie weit ist es denn noch? Warum dauert das so lange? Letztes Mal hat es nicht so lange gedauert!" Dass man selbst viel lieber auf der Couch liegen würde, statt sich wie ein Vieh durch die Weltgeschichte scheuchen zu lassen, darauf kämen sie in ihren kühnsten Träumen nicht.
Immerhin gewöhnt man sich mit der Zeit an die miesen Eigenschaften der lieben Kleinen, kann schon an der leichtesten Regung erkennen, ob Gewitterwolken am Horizont aufziehen. Leider gilt dies nur für das eigene Kind, denn jedes Kleinteil hat seine eigene, komplizierte Bedienungsanleitung. Als ich meine Freundin Judith und ihren Sohn Toni* kennenlernte, merkte ich deshalb zu spät, wie sehr ich mich in die Nesseln gesetzt hatte.
Neues Kind, neue Probleme
Toni ist ganz anders als meine Tochter Wanda. Beziehungsweise ist er eben einfach halb so alt wie sie. Die Trotzphase, oder wie man es nennen will, die Zeit, in der sie ihre Grenzen bei mir austestete, liegt schon Jahre zurück. Von ganz allein ist dadurch bei mir der Glauben entstanden, dass sie schon immer so reif und brav war wie jetzt. Und wenn Toni bockig ist, denke ich automatisch: Mann, ist der anstrengend. Dabei brauche ich nur mal meine Kolumnen von vor vier Jahren zu lesen, um zu merken, dass Wanda ganz genau so bockig und anstrengend war.
Dazu kommt noch der Umstand, dass ich der erste Mann bin, den Judith ihrem Sohn vorgestellt hat, nach der Trennung von seinem Vater. Für den Jungen also eine völlig neue Situation. Die sich erst einmal darin äußerte, dass er völlig aufgekratzt und überdreht war, wenn der neue Spaßonkel auftauchte. Das war sogar ziemlich lustig. Zur Herausforderung wurde es erst bei den ersten gemeinsamen Übernachtungen. Toni wollte sich partout nicht ins Bett bringen lassen.
Klingt vielleicht nicht allzu tragisch, fing auch immer eher spaßig an. Doch als mit 21 Uhr die geplante Schlafenszeit überschritten war, als es zehn, dann elf, dann zwölf wurde, und er immer noch nicht im Bett war, verging uns das Lachen. Toni war natürlich längst vollkommen übermüdet, rastete aus, wurde für sich selbst und uns unerträglich.
Neue Vaterfigur, neue Probleme
Uns war klar, dass es hier längst nicht mehr nur darum ging, dass er aufgeregt war und noch aufbleiben wollte. Er realisierte auch, dass ich bleiben würde, dass er seine Mutter nun nicht mehr für sich allein hatte. Die üblichen Anzeichen von Eifersucht und Verlustangst. Für die man einfach Verständnis aufbringen muss, ob man will oder nicht. Richtig schlimm war es zum Glück nur an diesem einen Abend, von da an wurde es Stück für Stück besser.
Uns war klar, dass es hier längst nicht mehr nur darum ging, dass er aufgeregt war und noch aufbleiben wollte. Er realisierte auch, dass ich bleiben würde, dass er seine Mutter nun nicht mehr für sich allein hatte. Die üblichen Anzeichen von Eifersucht und Verlustangst.
Ein andere Situation: Wir kochen gemeinsam, dass Essen ist so gut wie fertig. Toni will ein Eis. Ich sage: "Nein, nach dem Essen." Toni rastet aus. Judith geht hin und gibt ihm ein Eis. Worüber ich erst mal sauer bin. Am Abend, als er im Bett ist, beschwere ich mich deshalb. Wie Toni mich jemals als erziehungsberechtigt wahrnehmen soll, wenn sie mir derart dazwischen grätscht.
"Ich weiß, das war blöd", sagt sie ganz ruhig, "aber du hast nach deinem Verbot einfach nichts mehr gemacht. Wenn, dann musst du's auch durchziehen. Wenn du ihm ein Eis geben willst: Okay. Wenn du ihm kein Eis geben willst und er ausrastet: Auch okay. Aber dann musst du dich auch mit ihm auseinandersetzen."
Ich hole Luft, um zu widersprechen, weil mein Ärger noch nicht verraucht ist, kann dann aber nur "fair enough" sagen. Judith hat absolut recht. Sieht so aus, als müsste ich wieder alles von vorn lernen. Und da soll man nun cool bleiben können!
*Namen geändert